Die Kartenorganisation Visa hegt schon längere Zeit Ambitionen, sich im Bereich Open Banking als gewichtiger Player zu positionieren. Deshalb hatte das Unternehmen im Januar 2020 das US-amerikanische FinTech Plaid auf seine Einkaufsliste gesetzt – für den stolzen Betrag von 5,3 Milliarden US-Dollar.
Der Deal ist ein Jahr später geplatzt aufgrund kartellrechtlicher Bedenken und der Intervention der Behörden.
Der zweite Anlauf: Visa kauft die europäische Open-Banking-Plattform Tink
Nun nimmt Visa einen zweiten Anlauf. Immer vorausgesetzt, die Behörden geben dieses Mal ihren Segen, wird Visa das schwedische FinTech für 1,8 Milliarden Euro übernehmen. Tink ist ein interessantes Unternehmen mit einer breiten Palette an Tools und Services im Bereich Open Banking. Im Kern bietet das FinTech eine Plattform, über die via API sämtliche Leistungen genutzt werden können, welche der Idee Open Banking Flügel verleihen sollen.
Tink ist 2012 mit dem Ziel gestartet, "die Bankindustrie zu verbessern". Dazu hat das FinTech die nach eigenen Aussagen "umfassendste Open-Banking-Plattform Europas" aufgebaut. Heute bietet Tink eine ganze Reihe von Tools an, mit denen Banken, FinTechs und auch Startups "die Zukunft der Finanzdienstleistungen in Europa mitgestalten".
Nach eigenen Angaben hat Tink heute über 3'400 Banken und Finanzinstiute integriert, mehr 250 Millionen Bankkunden in Europa als aktive oder potenzielle Nutzer der von Dritten angebotenen Services, 10'000 Entwickler, welche die Plattform nutzen – die Zahl der verarbeiteten Transaktionen wird mit über 10 Milliarden pro Jahr angegeben.
Wird die Übernahme bewilligt, kauft Visa als nicht das FinTech an der Ecke, die Kartenorganisation übernimmt einen Laden mit grosser Reichweite, Leistungsausweis und einer hohen Spezialisierung in sämtlichen Sparten des Open Banking.
Interessantes Engagement von Visa
Kartenorganisationen engagieren sich seit längerem intensiv in FinTech- und Open-Banking-Sphären. Das ist klug und vorausschauend, die Tage von Karten könnten irgendwann gezählt sein, jene von Zahlungen und Zahlungsabwicklung auf die eine oder andere Weise sicher nicht.
Mit der Verbindung der robusten Infrastruktur von Visa und den APIs und der Technologie von Tink will Visa nach eigenen Worten aktiv dazu beitragen, die Einführung von Open Banking in Europa zu beschleunigen, Innovationen zu fördern und Verbraucher zu stärken.
Al Kelly, CEO und von Visa, hält denn auch fest:
Durch die Zusammenführung des Netzwerks von Visa und der Open-Banking-Fähigkeiten von Tink werden wir europäischen Verbrauchern und Unternehmen einen Mehrwert mit Tools bieten, die ihr Finanzleben einfacher, zuverlässiger und sicherer machen
Mit der Tink-Plattform öffnet sich Visa den Zugang zu mehreren Zielgruppen – einerseits zu Startups, FinTechs, Händlern und Finanzdienstleistern, auf der anderen Seite (indirekt) zu grundsätzlich 250 Millionen erreichbaren Nutzern, welche Open-Banking-Dienstleistungen über FinTechs oder Banken beziehen können.
Als Kartenorganisation betrachtet Visa die Möglichkeiten von Open Banking aus einer anderen Perspektive als Banken, die sich weiterhin eher schwertun mit dem Thema. Nicht alle, viele. Gut möglich, dass die Marktkraft von Visa zusammen mit den neuen Werkzeugen von Tink der Open-Banking-Unlust in Europa mittelfristig neue Impulse verleihen kann.