Neo-Banken

Das inszenierte Trauerspiel um Coop Finance+ findet sein Ende

Fassade und Logo vom Coop Hauptsitz
Bild: Coop

Was als starke Idee wirklich gut begann, ist kurz nach der Startlinie über sich selbst gestolpert und hinkt nun aus dem Markt: die Neo-Bank von Coop.

Begonnen hat alles gut und vielversprechend. Der Schweizer Detailhandelsriese Coop hat im Oktober 2023 mit Coop Finance+ eine Neo-Bank in den Markt gestellt. Coop bezeichnete diesen Schritt damals als: "Die konsequente Antwort auf die Bedürfnisse unserer Kunden".

Coop doppelte nach mit einer Aussage, die nach Marktforschung, Überlegungen und Konzept klingt: "Mit Coop Finance+ setzen wir einen immer wieder geäusserten Kundenwunsch um: bequeme Finanzlösungen, für den Alltag".

Die Idee war gut, das Angebot ebenfalls: Eine App mit einem Privat- und einem Sparkonto. Das Privatkonto wurde zum Haushaltskonto für Paare, Familien und Mehr-Personen-WGs, indem eine Zusatzkarten für eine zweite Person im gleichen Haushalt bestellt wird. Dazu gab es auf Wunsch eine 3a-Sparlösung für die Altersvorsorge. Ein clever positioniertes Angebot, eine smarte App und fast alles kostenlos – Neo-Bank eben.

Und das hätte erst der Anfang sein sollen. Als Partner mit an Bord waren die Hypothekarbank Lenzburg, die mit ihren BaaS-Services die Banking-Leistungen sicherstellte sowie die Glarner Kantonalbank mit weiteren Partnern für die Vermögensverwaltung der Säule 3a.

Hervorragende Voraussetzungen für den Start einer Neo-Bank

Der Detailhandelsriese Coop als Mutter der Idee hatte beste Voraussetzungen, um die neue Neo-Bank zum Fliegen zu bringen.

Coop hat 2.5 Millionen Genossenschaftsmitglieder (sprich: Kunden) und betreibt knapp 1'000 Supermärkte und insgesamt fast 2'500 Filialen. Das Unternehmen generiert einen Jahresumsatz von 34 Milliarden Franken und gibt die grösste Wochenzeitung der Schweiz heraus mit rund 3.9 Millionen Leserinnen und Lesern.

Fazit: Kundennähe und ein riesiger Kundenstamm, der über die Filialen, die wöchentliche Coop-Zeitung, die Website, die Coop Supercard sowie Mailversände jederzeit erreichbar ist. Beste Voraussetzungen, um mit der Schweiz vertieft über Geld und Finanzen ins Gespräch zu kommen. 

Über so viel nutzbares Potenzial wie Coop – gewissermassen schlummernd im eigenen Haus – verfügt praktisch niemand sonst. Coop Finance+ war vom Potenzial her die einzige Schweizer Neo-Bank, die einem Konkurrenten wie Revolut hätte gefährlich werden können.

Die Inszenierung eines Trauerspiels

Der Start von Coop Finance+ war überraschend, diese Neo-Bank hatte niemand auf dem Radar. Was danach kam, war allerdings noch überraschender.

Bereits wenige Monate nach dem Start, im Sommer 2024, verkündete Coop das Ende der Neo-Bank. In einer dürren Medienmitteilung teilte Coop auf wenigen Zeilen mit, dass das Projekt Finance+ "nach einer kurzen Pilotphase" nicht weiterverfolgt werden soll. Grund: die Nachfrage hätte nicht den Erwartungen von Coop entsprochen. Wo diese Erwartungen angesiedelt waren, ist nicht kommuniziert worden. 

Von einem Pilotprojekt mit ultrakurzer Testphase war bei der Markteinführung im Oktober 2023 noch nicht die Rede. Die Lancierung damals wirkte verbindlich und angekündigte weitere Ausbaupläne liessen auf ein langfristig angelegtes Projekt schliessen. Zudem liess Coop als Absender auch nicht vermuten, dass es sich um ein Schnellschuss-Projekt ohne Schnauf und ernsthafte Absichten handeln könnte.

Genügen ein paar wenige Monate, um Markt und Potenziale zu testen?

Wenn eine neu lancierte Neo-Bank als Selbstläufer betrachtet wird, der gewissermassen als lieblos aufgestelltes Display zwischen Fleisch- und Käsetheke von selbst zur Hochform auflaufen soll, genügen tatsächlich wenige Monate, um einen sichtbaren Flop zu produzieren.

In allen anderen Fällen nicht. Eine Idee – auch eine sehr gute – braucht Begleitung, Marketing, Aufbau und Pflege. Offenbar hatte der ansonsten professionell agierende Detailhändler für seine Neo-Bank keinen Plan, was nach der Idee und der Lancierung folgen sollte. Ohne Konzept und Willen zur Durchsetzung bringen auch beste Voraussetzungen eine Neo-Bank nicht zum Fliegen. Zumal die Mehrzahl der 2.5 Millionen Kundinnen und Kunden von Coop wahrscheinlich bis heute nicht weiss, dass ihr Detailhändler einen Kurzausflug im Finanzbereich unternommen hat.

Sie werden es auch nie erfahren, der kopflos, konzeptlos und dilettantisch wirkende Marktauftritt ohne Marketing ist jetzt vorüber.

Die Neo-Bank Coop Finance+ verabschiedet ihre Kunden

Aktuelll macht Coop Finance+ ihren Kunden das Lila Set von Valiant schmackhaft, "eine moderne, einfache und nachhaltige Finanzlösung, die perfekt zu Ihren Bedürfnissen passt". Gegen dieses Gratiskonto mit Debitkarte ist gar nichts zu sagen, es hat einfach wenig mit dem bisherigen Angebot von Coop Finance+ zu tun. Coop hatte ja explizit den Wunsch nach einem gemeinschaftlichen Haushaltskonto für Paare und Familien als konkretes Bedürfnis von Coop-Kunden identifiziert. Und Coop Finance+ als "konsequente Antwort" auf diese Bedürfnisse mit dem entsprechend konstruierten "Alleinstellungsmerkmal" konzipiert und so positioniert.

Die Neo-Bank in Auflösung lockt Wechselwillige mit einem "exklusiven Willkommensgeschenk: Eine Coop Geschenkkarte im Wert von 20 CHF". Wer dieser in Ausssicht gestellten Exklusivität doch nicht erliegen mag, wird aufgefordert, das Konto doch bitte zu saldieren. Das funktioniert im Gegensatz zur Kontoeröffnung nun nicht mehr digital. Das bereitgestellte Saldierungsformular muss ausgedruckt, von Hand ausgefüllt, in einen Briefumschlag gesteckt und zur Post gebracht werden.

Die Moral von der Geschichte?

Es gibt keine. Einzig vielleicht einige Einsichten. Eine Neo-Bank mit besonderen Leistungen ist eine gute Idee, aber kein Selbstläufer. Eine gute Idee in den Markt zu stellen, ohne zu wissen, wie es nach der Lancierung weitergehen soll, macht auch eine gute Idee zum Rohrkrepierer. Nicht genutzte und nicht aktivierte Potenziale sind keine, auch dann nicht, wenn sie grundsätzlich riesig wären. Und: Grösse allein garantiert keinen Erfolg, wenn die Möglichkeiten der Grösse nicht ausgespielt werden.

Wenn Coop Finance+ niemand vermissen wird, dann nur deshalb, weil die Neo-Bank keine Chance hatte, überhaupt wahrgenommen zu werden. Was keiner gesehen hat, wird auch nicht vermisst. Dennoch schade, die Idee war gut, das hätte was werden können. 

Warum ein Detailhändler mit beträchtlichem Aufwand und zahlreichen Partnern im Boot einen Kurzausflug in den Finanzbereich unternimmt, um nach wenigen Monaten die angetretene Reise überstürzt abzubrechen, wird für immer das Geheimnis von Coop bleiben.