Die Unternehmensberatung Eraneos hat mit ihrer Studie "Bankensektor im Wandel" festgehalten, wo Schweizer Banken in der Digitalisierung Schwerpunkte setzen. Überraschend in den Ergebnissen ist vor allem, in welchen Bereichen Banken ihre Rolle nicht mehr sehen.
Eraneos befragte 36 Entscheidungsträger aus 31 Banken, Finanzdienstleistungs-Instituten und Private-Equity-Firmen zu ihrer Sicht auf die Kernbereiche der Digitalisierung.
Mit im Boot der Studie waren Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus zahlreichen Kantonalbanken, Migros Bank, Postfinance, Raiffeisen und weiteren Banken. Im Bereich Wealth Management und Private Equity waren Befragte von Julius Bär, Partners Group, Rothschild, Schroders, Vontobel und weiteren Unternehmen mit dabei.
In beiden Bereichen waren 75 Prozent der Befragten C-Level-Exponenten und VR-Mitglieder sowie 25 Prozent Spezialistinnen Spezialisten aus beiden Segmenten.
Ist bei Schweizer Banken die Zeit für Experimente vorbei?
Ja, sagt der Studienverantwortliche Dr. Henrik Czurda, Head of Business Transformation bei Eraneos, und erklärt: «Die Zeit für Experimente ist vorbei. Die Banken fokussieren heute auf Effizienz und nutzen neueste Technologien, um Margendruck, veränderte Kundenerwartungen und geopolitische Unsicherheiten zu bewältigen.»
Beim Statement des Verzichts auf "Experimente" stechen vor allem zwei Schwerpunkte heraus – ebenso die Begründungen, die zu dieser Abkehr geführt haben.
Plattformen und Ökosysteme als Geschäftsmodelle verlieren an Bedeutung
Im Bereich von Plattformen und Ökosystemen sehen Banken gesetzte Erwartungen offenbar nicht erfüllt. Der Begriff "Ökosystem" ist immer etwas schwammig, zumal nicht alle dasselbe darunter verstehen. Zudem stellt sich die Frage, wie ernsthaft und offensiv die Geschäftsfelder Plattformen und Ökosysteme tatsächlich besetzt und getestet worden sind.
Banken in der Schweiz sind bisher nicht durch gross angelegte und sichtbare Initiativen in diesen beiden Geschäftsfeldern aufgefallen.
Wie auch immer, der Studienbericht hält fest, dass Banken sich in der Vergangenheit viel von Plattformen und Ökosystemen versprochen hätten. Doch der Erfolg wäre hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Einige Stimmen aus der Befragung unterstreichen die aktuelle Haltung:
«Bei der Plattformökonomie ist ein Wendepunkt erreicht – trotz grosser Hoffnung blieben viele Projekte nicht umsetzbar»
«Es ist Zeit auszumisten – nur wenige Plattformen haben eine Daseinsberechtigung»
«Viele Ökosysteme sind gescheitert – die Erwartungen wurden verfehlt, der Nutzen verpufft»
Im Schweizer Bankensektor würde sich deshalb jetzt die Frage stellen, so die Studie, inwiefern spezifische Ökosysteme überlebensfähig sind. Diese Frage stellt sich tatsächlich und immer. Belastbare Antworten dürften jedoch nur durch Engagements in der Praxis und nicht durch theoretische Überlegungen kommen.
Die Studienautoren relativieren denn auch die Resignation und geben die folgende Empfehlung ab:
Die Marktteilnehmer sollten systematisch evaluieren, welche Bedeutung Ökosysteme für sie langfristig spielen und entscheiden, welche Rolle sie in diesen spielen wollen: Orchestrator, Konsument oder Dienstleister.
Entsprechend der Rollen soll die daraus resultierende Ressourcen-Allokation abgeleitet sowie die zu erbringende Servicequalität aktiv überwacht und kontinuierlich angepasst werden.
Embedded Banking und Metaverse haben keine Priorität
Der Studienbericht fasst die Haltung zu diesen beiden Bereichen mit folgenden Worten zusammen:
Während Embedded Banking ausserhalb Europas bereits erfolgreich umgesetzt wird, bieten die Marktbedingungen und technologischen Voraussetzungen in der Schweiz aktuell wenig Anreize für solche Modelle.
Im Segment "Wealth Management und Private Equity" bestehen bereits etablierte Geschäftsmodelle. Diese sind insbesondere in Geschäften zwischen unabhängigen Vermögensverwaltungen und Custodians erfolgreich und wertschöpfend.
Im Allgemeinen zeigt sich aber bei Banken eine tiefe Kooperationsbereitschaft mit dem Telekom- und Retailsektor. Aktuell verfügen die befragten Banken über kein Interesse mehr am Metaverse.
Auch hier einige Stimmen von Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Studie zu diesem Thema:
«Unterschiedliche Qualitätsansprüche zwischen Retailern und Banken verhindern echte Fortschritte»
«Ohne profitablen Business Case ist Embedded Banking leider Zeitverschwendung»
«Kernbankensysteme sind gar nicht für Embedded Banking ausgelegt – eine unüberwindbare Hürde»
«Metaverse? Nach GenAI komplett irrelevant für uns»
Die Sicht von Eraneos fassen die Studienautoren mit folgendem Statement zusammen:
Für Banken ist die relevante Frage, welche Bedeutung es für sie hat, ihre Bankdienstleistungen in bankfremde Dienstleister zu integrieren und diese als zusätzlichen Vertriebskanal zu nutzen oder bankfremde Dienstleistungen als zusätzliche Dienstleistungen in eigene Bankdienstleistungen zu integrieren.
Ein solcher Ansatz sollte jedoch nur dann verfolgt werden, wenn ein klarer und positiver Business Case vorliegt und es einen klaren und leicht verständlichen Nutzen für die Kunden darstellt. Zudem sollte geklärt werden, ob die technische Umsetzung möglichst flexibel und einfach gestaltet werden kann.
Weitere Einsichten zur Haltung und zu den Plänen der Schweizer Finanzinstitute
Neben den beiden Punkten mit den Bedeutungsverlusten und Nicht-Prioritäten spielen fünf weitere Ergebnisse im Studienbericht eine Rolle:
- Wealth Management und Private Equity sind Vorreiter: Im Vergleich zu Retail-Banken und Finanzdienstleistern sind Wealth Manager und Private-Equity-Anbieter in der Digitalisierung besser positioniert und setzen gezielt auf Automatisierung und Kundenfokus.
- Vertrauen, Resilienz und Cyber-Sicherheit bleiben entscheidend: Diese Faktoren sind für die Reputation der Banken unverzichtbar. Investitionen in diese Bereiche sind nicht verhandelbar, um Kundenvertrauen und Schutz vor Cyber-Bedrohungen zu gewährleisten.
- Automation als Schlüsselfaktor für Effizienz: Automatisierung ist für alle Banken zentral, um Margendruck entgegenzuwirken. Dabei stehen Front-, Middle- und Backoffice-Prozesse gleichermassen im Fokus. «Manuelle Prozesse sind Auslaufmodelle – der Margendruck macht Automation unverzichtbar», kommentiert Czurda diesen Punkt.
- Künstliche Intelligenz als Game-Changer: KI treibt Effizienz und Personalisierung voran. Besonders Wealth Manager nutzen generative und prädiktive KI, um die Beratungsqualität zu steigern.
- Individualisierte Kundenschnittstellen als Differenzierungsmerkmal: Retail-Banken und Finanzdienstleister setzen zunehmend auf personalisierte Kundeninteraktionen, um die Kundenzufriedenheit zu steigern und sich von Wettbewerbern abzuheben.
Handlungsempfehlungen mit Blick in die Zukunft
Mit einem klaren Fokus auf Effizienz und Technologie können Banken nicht nur Margendruck bewältigen, sondern auch ihre Kunden besser bedienen. Die Studie von Eraneos liefert folgende konkrete Handlungsempfehlungen:
- Etablierung von KI-basierten Tools: Banken sollten gezielt in generative und prädiktive KI investieren, um Kundenberatung zu personalisieren und Verwaltungsprozesse zu automatisieren. Dies schafft nicht nur Effizienz, sondern verbessert auch das Kundenerlebnis.
- Priorisierung der Cyber-Sicherheit: Durch die zunehmende Digitalisierung steigen auch die Risiken. Banken müssen kontinuierlich in innovative Sicherheitslösungen investieren und dabei sowohl technologische als auch organisatorische Massnahmen stärken.
- Fokus auf Automatisierung: Komplexe und manuelle Prozesse, insbesondere in Backoffice-Bereichen, sollten systematisch automatisiert werden, um Kosten zu senken und Agilität zu erhöhen.
- Ressourcen auf strategische Partnerschaften konzentrieren: Plattformökonomien und Ökosysteme sollten nur dort verfolgt werden, wo ein klarer Business Case besteht. Banken sollten sich auf gezielte Partnerschaften mit Technologie-Unternehmen konzentrieren, um innovative Lösungen zu skalieren.
- Stärkung der Resilienz und des Vertrauens: Gerade in unsicheren Zeiten ist das Vertrauen der Kunden entscheidend. Banken sollten ihre Position als vertrauenswürdige Partner durch Transparenz und nachhaltige Geschäftsmodelle festigen.
- Datenstrategie ausbauen: Die Qualität und Verfügbarkeit von Daten ist zentral für zukünftige Entwicklungen. Banken müssen ihre Datenplattformen modernisieren, um datenbasierte Entscheidungen besser und schneller zu treffen.
«Mit diesen Massnahmen können Banken nicht nur ihre Effizienz steigern, sondern sich langfristig als Innovationsführer im Finanzsektor positionieren», fasst Czurda zusammen.
Die Studie zum Runterladen
Der umfangreiche Studienbericht zum "Bankensektor im Wandel" kann als PDF kostenlos direkt bei Eraneos runtergeladen werden, gleich hier.