Zalungsverkehr

Sind Kreditkarten in Gefahr?

Ramesh Ramani
Bild: Ramesh Ramani, Head of Banking & Financial Services Europe, Cognizant

Gastautor Ramesh Ramani über Entwicklungen im Zahlungsverkehr, welche auch und gerade Kartenanbieter vor Herausforderungen stellen.

Wer heutzutage etwas einkauft, erwartet in der Regel eine reibungslose Zahlungserfahrung. Neben den klassischen Finanzdienstleistern rücken dabei zunehmend auch alternative Zahlungsanbieter wie Amazon, PayPal und Google in den Fokus.

Zahlungen sollen einfach, bequem, flexibel und sicher sein – teilweise möchten Verbraucher sogar zusätzlich für Transaktionen "belohnt" werden. Kunden bleiben den Anbietern ihrer Karten nur dann treu, wenn der Service ihre Anforderungen oder Erwartungen erfüllt.

Transformation von Innen oder Disruption von Aussen?

Deshalb haben Zahlungsdienstleister in unserer heutigen Zeit nur zwei Möglichkeiten: Sie können die Transformation selbst vorantreiben – oder sie müssen sich auf die Disruption durch Mitbewerber einstellen, die ihnen ihren Marktanteil streitig machen möchten. Um Letzteres zu vermeiden, müssen Kartenanbieter kontinuierlich innovative und neue Funktionen bereitstellen, die ihren Kunden mehr Sicherheit, Mehrwertdienste, eine bessere Zusammenarbeit und grösseren Komfort bieten. 

Die Kreditkarte der Zukunft

Durch den Wandel in der Zahlungsverkehrs-Landschaft in den letzten Jahren, hat sich die Bedeutung von Zahlungskarten erheblich verändert. Die Transformation hat sich nicht nur auf die Arten von Karten ausgewirkt, die Unternehmen anbieten – Gemalto hat beispielsweise Kreditkarten mit Fingerabdruck-Erkennung entwickelt –, sondern auch auf die Strategien und Erwartungen der Kartenanbieter.

Wie lange jedoch werden wir noch physische Karten in unserer Brieftasche mit uns herumtragen? Wird die Umstellung auf bargeldlose Zahlung dazu führen, dass wir irgendwann ohne Geldbeutel auskommen? 

Wie lange werden wir noch physische Karten mit uns herumtragen?

Zahlungsnetzwerke wie Visa, Mastercard, Discover und American Express haben umfangreiche Infrastrukturen, sogenannte "Payment Rails", für die weltweite Abwicklung von Transaktionen aufgebaut. Da sich das Kaufverhalten im Internet ändert, werden Kredit- und Debitkartentransaktionen immer mehr über diese "Rails" abgewickelt. Die traditionelle Plastikkarte, mit der wir im Geschäft einkaufen, tritt in den Hintergrund. Sollen Karten beim Einkauf über digitale Kanäle das Zahlungsmittel der Wahl bleiben, müssen Kartenanbieter anfangen zu kämpfen.

Der Status als bevorzugte Zahlungsart bringt nicht nur offensichtliche Umsatzvorteile mit sich – wie Interbankentgelte und Zinsgebühren. Gleichzeitig haben Kartenanbieter durch diesen "Spitzenplatz in der Geldbörse" Zugang zu einer grossen Menge an Daten. Mithilfe dieser Daten und Erkenntnisse können Kartenunternehmen ein innovatives und stark personalisiertes Kundenerlebnis bieten, um sich von der Konkurrenz abzuheben oder neue Umsatzströme zu generieren.

Wettbewerbslandschaft im Wandel

Mit der Einführung des Konzepts der "digitalen Karten" sind Kartenanbieter und ihre Geschäftsmodelle gefährdet – unabhängig davon, auf welchem Rang sie stehen.

Kartenanbieter haben Zugriff auf immer mehr Zahlungs- und Kontoinformationen, doch neue und schlagkräftigere Mitbewerber treten auf den Plan und möchten ebenfalls von diesen Chancen profitieren. Online-Akteure wie PayPal und Square sind aufgrund ihrer etablierten Online-Präsenz bereits in der Lage, ihren Branchenvorsprung gegenüber traditionellen Kreditkartenanbietern auszubauen.

Schlagkräftigere Mitbewerber sind mit im Spiel

Mit zunehmender Dominanz werden wahrscheinlich auch andere digitale Player in den Bereich Zahlungsverkehr eintreten. Apple zum Beispiel hat bekanntermassen für jede Branche einen Geschäftsplan. Seit Kurzem bietet das Unternehmen in Zusammenarbeit mit Goldman Sachs und Mastercard eine eigene Kreditkarte an.

Womöglich springen in naher Zukunft auch Social Media-Akteure auf, die ihre Benutzerdaten mit Kontoinformationen verknüpfen, um zum Beispiel schnelle Bonitätsprüfungen durchzuführen oder Bankdienstleistungen bereitzustellen.

Was bedeutet das für traditionelle Kartenanbieter?

Die wichtigste Schlussfolgerung: Die Marketing-Strategie sollte sich nicht mehr auf ein Stück Plastik fokussieren. Vermarkter müssen sich fragen, wie sie Markentreue fördern und auf diesem sich verändernden Markt Kunden gewinnen können. Momentan werden viele Kunden durch Cross Selling über Partnerschaften generiert. Mit der Kreditkarte von British Airways / American Express können Kunden beispielsweise Avios-Punkte bei ihren täglichen Transaktionen sammeln.

Und wie schneiden sie in der digitalen Landschaft ab? Viele Anbieter konkurrieren um die Position als "Digitale Eingangstür" für Kunden, um von zusätzlichen Kontoinformationen zu profitieren. Das heisst: Kartenanbieter müssen schnell handeln, um wettbewerbsfähig zu bleiben. 

Vertrauen, Innovation und Mehrwertdienste

Kurz- bis mittelfristig müssen Kreditkartenanbieter den Schwerpunkt auf Vertrauen legen. Dank entsprechender Vorschriften haben Bankkunden die Gewissheit, dass sie geschützt sind, wenn eine Karte gestohlen wird. Apple Pay und andere Anbieter operieren bisher noch nicht mit den gleichen Zusicherungen. Wenn mobile Zahlungen jedoch vergleichbare Garantien bieten, wie können Kartenanbieter verhindern, dass sie Kunden verlieren? 

Auf lange Sicht müssen Kartenanbieter aufpassen, dass sie nicht zum anonymen Zahlungsgehilfen verkommen. Sie müssen über ihre Rolle im gesamten Finanzdienstleistungs-Ökosystem nachdenken und neue, innovative Dienstleistungen entwickeln, die den Bedürfnissen der Kunden gerecht werden. Viele zukunftsorientierte Akteure planen die Bereitstellung von Angeboten wie eine 360-Grad-Sicht auf Kunden und Beratungsdienstleistungen für Finanzmanagement. 

Die Marketing-Strategie sollte sich nicht mehr auf ein Stück Plastik fokussieren

Andere Anbieter untersuchen durch die Kombination von Machine Intelligence mit Daten bereits, wie Technologie neue Kunden- und Mitarbeitererlebnisse schaffen kann, die einfach, schnell, transparent und ansprechend sind. Mezi, die Reise-App von American Express, verwendet beispielsweise KI, um Karteninhaber bei der Bezahlung von Urlaubs- und Geschäftsreisen auf Basis ihrer Vorlieben zu unterstützen. In ähnlicher Weise unterstützt Erica, die virtuelle KI-Assistentin der Bank of America, Kunden beim effektiven Finanzmanagement. 

Nur durch die Schaffung dieser Mehrwertdienste, die auf spezifische Kundenbedürfnisse ausgerichtet sind, können Kartenanbieter die vollständige Disruption der Branche verhindern und im Wettbewerb bestehen.

Der Autor: Ramesh Ramani

Ramesh Ramani ist Senior Vice President, Head of Banking and Financial Services Europe, bei Cognizant. Ramesh leitet das Europageschäft für Banken und Finanzdienstleistungen, er verfügt über fast 30 Jahre Erfahrung in der globalen Finanzdienstleistungs-branche.

In seiner Rolle konzentriert sich Ramesh auf den Aus- und Aufbau von Kundenbeziehungen im Finanzdienstleistungsbereich, um nachhaltiges Wachstum zu fördern und die Position von Cognizant in Europa zu stärken.

Bereits seit 2006 baut er den Geschäftsbereich der Digitalisierung von Finanzdienstleistungen aus. Dabei konzentriert er sich auf Services für Investmentbanking, Vermögensmanagement und Konsumentenkredite. 

Vor seiner Zeit bei Cognizant war Ramesh Ramani Vice President of Business Development bei Intelenet Global Services.