Neo-Banken-Landschaft Schweiz: Teil 2

Wodurch unterscheiden sich die Neo-Banken in der Schweiz?

Häuser in einer Berglandschaft als Symbol für die Schweizer Neo-Banken-Landschaft

Nach der Abenddämmerung werden nicht alle Schweizer Neo-Banken die Morgenröte erleben – zumindest nicht in der heutigen Form.

Die Schweizer Neo-Banken-Landschaft ist in Bewegung – warum und auf welche Weise haben wir in unserer ersten Story vor einigen Tagen analysiert, hier

In zweiten Teil unserer Analyse werfen wir einen tieferen Blick auf die einzelnen Neo-Banken. Unter der Prämisse, dass im Land mit der grössten Neo-Banken-Dichte auf Dauer nicht 16 Neo-Banken überleben werden.

Deshalb stellt sich die Frage: Wer hat genügend Kraft, Substanz und herausragende Besonderheiten, um auch in fünf Jahren noch erfolgreich geschäften zu können?

Welche Neo-Banken haben das Potenzial, um auf Dauer zu bleiben?

Mehrere Branchenbeobachter sind der Meinung, dass sich im kleinen Markt Schweiz langfristig zwei bis drei Neo-Banken behaupten können. Wir sind nicht grundsätzlich anderer Meinung, sehen die Zahl der auf Dauer erfolgreichen jedoch höher. Warum?

Würden alle Neo-Banken, die in der Schweiz aktiv sind, punktgenau dasselbe anbieten, wäre das Land mit drei Neo-Banken gut bedient. Die Neo-Banken-Landschaft Schweiz ist jedoch breiter und diversifizierter aufgestellt. Zudem verfolgen nicht alle Neos dieselben Ziele. 

Eine Gruppierung zeigt die Unterschiede und auch die verschiedenen Ausrichtungen.

Gruppe 1: Drei Aussteiger aus unterschiedlichen Gründen

Die längere Zeit erfolgversprechende FlowBank ist durch die FINMA in den Konkurs geschickt worden und befindet sich in Liquidation.

Der Detailhandelsriese Coop hat auf seinem Neo-Banken-Ausflug nach nicht mal einem Jahr das Handtuch geworden – das Projekt Coop Finance+ wird nicht weiterverfolgt. Ob und wer die Kunden übernimmt, ist noch offen, die Neo-Bank mit sehr kleinem Kundenstamm wird jedoch aus dem Markt fliegen.

Die UBS hat kommuniziert, dass sie die Neo-Bank der CS, die CSX, nicht weiterführen wird. Noch unklar ist, was mit den über 400'000 Kundinnen und Kunden geschehen soll. Fakt ist, auch CSX wird nicht überleben.

Mit diesen drei ersten Opfern aus unterschiedlichen Gründen wird sich die Schweizer Neo-Banken-Landschaft von 16 auf 13 reduzieren.

Gruppe 2: Zwei Verticals

Bietet eine Neo-Bank nicht alles für alle, sondern spezifische Leistungen in der Nische für eine bestimmte Kundengruppe, hat sie als Vertical eine mögliche Alleinstellung, vielleicht sogar einen USP. Jedenfalls ist sie nicht mit anderen Neos vergleichbar und erhöht in ihrem Segment möglicherweise ihre Chancen für langfristigen Erfolg.

Ob das auf Relio und Swiss4 zutrifft, bleibt noch offen, die beiden jüngsten Neos geniessen im Moment noch Welpenschutz.

Relio ist spezialisiert auf das Segment von Startups und KMU mit zum Teil komplexen Strukturen, internationalen Zahlungen und anderen Besonderheiten.

Swiss4 ist aufgrund ihrer Positionierung schwierig einzuschätzen. Die Neo-Bank will keine Kunden, vielmehr Mitglieder bedienen, welche nur auf Einladung zum FinTech stossen dürfen. 24/7-Concierge-Services, exklusive Karte und Mitgliedschaft ab 1'400 Franken pro Jahr zielen auf das Affluent-Segment mit Lifestyle-Ansprüchen. 

Gruppe 3: Fünf Neo-Banken mit starken Müttern

Die älteste Schweizer Neo-Bank, Zak, ist eine Tochter der Bank Cler. Key4 ist die digitale App und Smartphone-Bank der UBS. Yuh ist die gemeinsame Tochter von Postfinance und Swissquote. Alpian hat nach der Übernahme durch F-ISPB die Fideuram - Intesa Sanpaolo Private Banking als starke Mutter im Rücken. Und die Neo-Bank Radicant ist die Tochter der Basellandschaftlichen Kantonalbank (BLKB).

Sind die starken Mütter nicht allzu launisch, segeln diese Neo-Banken unter einem soliden Schutzsegel. Das erhöht ihre Chancen auf ein langes Leben. Zudem sind sie nicht unbedingt und kompromisslos zur Profitabilität verdammt, weil Mütter und Töchter anders rechnen können.

Zum Beispiel die Anbindung an bestehende Kernbankensysteme oder die Banklizenz der Mutter sparen Kosten und minimieren Risiken. Spielräume bestehen auch darin, inwieweit und in welcher Höhe die Mütter ihre Töchter kostenmässig in die Pflicht nehmen.

Die Marketing-Budgets sind meistens gut ausgestattet, weil starke Banken ihre Neo-Banken-Sprösslinge oftmals auch aus Prestigegründen vorzeigen und unterhalten. Selbstverständlich aber auch aus vitalen Gründen. Die Neos sind ein idealer Fluchtpunkt für bankenmüde Kunden, die eine Smartphone-App traditionell hohen Bankgebühren vorziehen. Der Seitenausgang zur eigenen Neo-Bank kann helfen, dass klassische Banken Kunden nicht an smarte Neos von ausserhalb verlieren.

Umgekehrt ist die Neo-Bank ein guter Kundengewinnungs-Generator und Einstiegspunkt für junge Zielgruppen, die sich bei einer Neo-Bank besser fühlen als bei einer klassischen Bank. Ändern sich die Lebensumstände und steht die erste Hypothek an, hat die klassische Bank diese Kundengruppe über ihre Tochter bereits im eigenen Haus.

Die Liaison von digitalen Neo-Banken-Töchtern und klassischen Bankenmüttern bietet allen direkt Beteiligten klare Vorteile. Die Töchter sind in mehrfacher Hinsicht besser gestellt im Vergleich zu "freien" Neo-Banken, die alles aus eigener Kraft stemmen müssen. Diese unterschiedlichen Voraussetzungen schaffen möglicherweise auch unterschiedliche Zukunftsaussichten.

Als Angehörige derselben Gruppe bieten diese fünf Neo-Banken allerdings nicht ein und dieselben Leistungen. Mit Konto, Karten und Zahlungsdienstleistungen noch vergleichbar, variieren die Services dann eher stark in den Bereichen von Spar-, Invesitions- und Vorsorge-Angeboten. 

Gruppe 4: Zwei Neo-Banken mit Schwerpunkt Vermögensverwaltung

In dieser Gruppe sitzen zwei Neo-Banken, die bereits Teil der Gruppe 3 sind. Bieten zahlreiche Neo-Banken Investitions-Möglichkeiten in Aktien, Kryptowährungen und andere Assets, haben sich Alpian und Radicant auf Anlagen und Vermögensverwaltung spezialisiert. Auf Wunsch auch mit Beratung und weiteren Services.

Beide Neo-Banken sind mit diesen ausgebauten Leistungen ursprünglich als Verticals mit Blick auf eher vermögende Kunden gestartet. Nach einer Neupositionierung mit Fokus auf Konto, Karte, Zahlungsservices und vor allem auch sehr tiefen Gebühren und hohen Zinsen, stehen Alpian und Radicant heute als breit ausgerichtete Neo-Banken mit Spezialisierung in der Vermögensverwaltung im Markt.

Beide Neo-Banken haben scharf korrigiert, die Schleusen stark geöffnet und damit den Einstiegspunkt für eine viel breitere Schicht von Neukunden geschaffen und attraktiv gemacht. Zuerst kostenlos oder zu sehr tiefen Gebühren einsteigen, Services nutzen, Anlegen und Verrmögensverwaltung kommt später. Alpian und Radicant verfügen beide über eine eigene Banklizenz.

Gruppe 5: Zwei Neo-Banken mit BaaS-Strategien

Der Sonderfall Yapeal ist ursprünglich als B2C-Neo-Bank gestartet, verfolgt heute jedoch eine B2B2C-Strategie als Banking-as-a-Service-Anbieterin mit Embedded-Finance-Projekten. Direkte Privat- und Firmenkunden sind weiterhin willkommen. Diese Schiene ist eine ideale Teststrecke für neue Funktionen, wird jedoch weder beworben noch forciert. 

Der zweite BaaS-Sonderfall ist Kaspar&. Die Neo-Bank hat in der Schweiz das automatische Aufrundungs-Investieren sowie Sparpläne mit direkten Investionen popularisiert. Kaspar& bietet Lösungen und Technologie ebenfalls Dritten an, welche als Embedder gewünschte Services und Leistungen direkt in ihre Angebote integrieren können.

Yapeal und Kaspar& sind deshalb Sonderfälle, weil sie sich nicht mit Erträgen aus dem B2C-Geschäft mit Direktkunden begnügen. Beide Neo-Banken produzieren neue Kunden und Einnahmen über den zusätzlichen B2B-Kanal mit Drittunternehmen, welche Technologie und Infrastruktur der Neo-Banken nutzen.

Gruppe 6: Die Neo-Bank ohne Besonderheiten

Die Etikette der Gruppe 6 ist nicht despektierlich gemeint, im Gegenteil. Müsste man eine Schweizer Neo-Bank nennen, die mit einem soliden Bankingangebot zu tiefen Gebühren unterwegs ist, kommt einem Neon in den Sinn.

Neon hat mehrere Konten- und Kartentypen, Gemeinschaftskonten, Aktien- und ETF-Invests und Sparpläne im Angebot. Also das, was Kundinnen und Kunden von einer Neo-Bank erwarten.

Jedoch ohne die Besonderheit der Anbindung an eine starke Bankenmutter, ohne BaaS-Ambitionen und ohne Vermögensverwaltung. Aber ein "normales" und solides Angebot, das bereits seit fast sechs Jahren gut im Markt angenommen wird. 

Gruppe 7: Drei ausländische Neo-Banken

Die britische Neo-Bank Wise war ursprünglich auf internationale Überweisungen zu tiefen Gebühren spezialisiert. In diesem Bereich ist Wise nach wie vor stark, hat sich im Laufe der Jahre jedoch zusätzlich als Anbieterin von Karten und Multiwährungs-Konten etabliert, auch in der Schweiz.

Die Berliner Neo-Bank N26 ist in der Schweiz minimal präsent, lediglich mit einem Eurokonto. Solange das so bleibt, wird das Angebot der Neo-Bank in der Schweiz nicht zum Alltagskonto. Dieses Angebot auf Sparflamme scheint als strategische Minimal-Präsenz vorderhand zu genügen, die Prioritäten von N26 liegen anderswo.

Die Neo-Bank mit dem umfassendsten Angebot ist die britische Revolut. Bereits heute Platzhirsch in der Schweiz, startet die Challenger-Bank jetzt mit spezifischen Anbeboten für den Markt Schweiz ihre Offensive.

Wie wird sich die Schweizer Neo-Banken-Landschaft verändern?

Mit aktuell noch 15 aktiven Neo-Banken liegt eine Konsolidierung in der Luft. Diese hohe Zahl gräbt sich gegenseitig im überschaubaren Markt Schweiz das Wasser ab und nicht alle Neo-Banken haben den notwendigen langen Atem, um durchzuhalten.

Eine Reduktion auf nur gerade zwei oder drei FinTechs, wie von einigen Experten prognostiziert, sehen wir dennoch nicht als realistisches Szenario. Wie unsere Gruppierungen zeigen, sind viele Player nicht direkt vergleichbar, sie sind unterschiedlich aufgestellt und verfolgen auch andere Ziele.

In einem nächsten Artikel spielen wir einige mögliche Szenarien durch, wohin eine Konsolidierungs-Reise führen könnte. Ohne Glaskugel und deshalb ohne Gewähr. Aber als gedachte Vision, wie sich der Neo-Banken-Markt Schweiz entwickeln könnte.


Die Schweizer Neo-Banken-Landschaft im Überblick

Die Zusammenstellung der in der Schweiz aktiven Neo-Banken mit den jeweils zuletzt gemeldeten Nutzerzahlen vermittelt einen ungefähren Eindruck der aktuellen Grössenverhältnisse und Marktanteile.

Schweizer Neo-Banken Markteintritt Kunden insgesamt davon in der Schweiz
Zak (Bank Cler) März 2018 70'000 70'000
Neon März 2019 229'000 229'000
Yapeal Juli 2020 keine Angaben keine Angaben
CSX (Credit Suisse) Oktober 2020 400'000 400'000
FlowBank November 2020 in Liquidation in Liquidation
Yuh (Postfinance & Swissquote) Mai 2021 260'000 260'000
Kaspar& März 2022 7'000 7'000
Key4 (UBS) Mai 2022 200'000 200'000
Alpian (F-ISPB) Oktober 2022 "ein paar Tausend" "ein paar Tausend"
Radicant (BLKB) August 2023 6'500 6'500
Coop Finance+ Oktober 2023 in Umwandlung in Umwandlung
Ausländische Neo-Banken Markteintritt Kunden insgesamt davon in der Schweiz
Wise März 2010 16 Millionen keine Angaben
Revolut Schweiz 2017 50 Millionen 900'000
N26 Schweiz 2019 8 Millionen keine Angaben
Neo-Banken Verticals Markteintritt Kunden insgesamt davon in der Schweiz
Relio Oktober 2023 Angaben folgen Angaben folgen
Swiss4 April 2024 Angaben folgen Angaben folgen

Hinweis der Redaktion: Neo-Banken, die ihre aktuellen Kundenzahlen nicht korrekt gespiegelt sehen, weil länger nicht kommuniziert, dürfen Letzteres jederzeit gerne nachholen, hier, damit Ersteres auf den neusten Stand gebracht werden kann.