Der Sommer scheint für FinTechs, Challenger-Banken und Investoren dieses Jahr nicht die bevorzugte Urlaubs-Saison zu sein – sie alle haben offensichtlich alle Hände voll zu tun mit Expansionsplänen und deren Finanzierung.
Wenn nicht alle, dann ungewöhnlich viele. Überraschend ist bei den zahlreichen aktuellen Finanzierungsrunden nicht nur die Häufung, auch deren Höhe setzt teilweise neue Masstäbe. Zwei Beispiele, die in Sachen Expansion und Finanzierung in nichts an Sommer-Flaute erinnern und die viel miteinander zu tun haben.
N26 trifft in Brasilien auf das FinTech Nubank
Die hochfinanzierte Smartphone-Bank N26 hat Mitte Juli ihre Series-D-Finanzierungsrunde um 170 Millionen US-Dollar auf insgesamt 470 Millionen Dollar erweitert. Bis heute hat N26 über mehrere Runden mehr als 670 Millionen Dollar von namhaften Investoren an Land gezogen.
Mit einer Bewertung von 3,5 Milliarden Dollar ist N26 damit zum wertvollsten Startup in Deutschland aufgestiegen. Die mobile Bank ist kürzlich in den USA gestartet und hat eine weitere Flagge auf der Expansions-Landkarte in Brasilien eingesteckt. Das Büro in São Paulo steht bereits und die Crew wird aktuell zusammengestellt. In Brasilien trifft N26 auf die Neo-Bank Nubank.
Wer ist Nubank?
Nubank ist das grösste FinTech-Unternehmen in Lateinamerika, hat seinen Sitz in São Paulo und ist als Smartphone-Bank der Platzhirsch in Brasilien. Vom Kolumbianer David Vélez zusammen mit der Brasilianerin Cristina Junqueira und dem Amerikaner Edward Wible 2013 gegründet, hat Nubank heute 12 Millionen Kunden und wird mit einer geschätzten Bewertung von 10 Milliarden US-Dollar eingestuft.
Die Challenger-Bank hat im Juli 2019 400 Millionen Dollar an zusätzlichem Investoren-Kapital erhalten und will demnächst in Mexico und in Argentinien starten. Nach den Aussagen von Vélez wächst der Kundenstamm monatlich um 10 Prozent – und mit dem Markteintritt in Mexico und Argentinien soll sich das Tempo noch beschleunigen.
N26 im Kampf gegen Nubank?
Die mediale Sage geht, dass N26 in Brasilien beim Markteintritt auf ein hartes Pflaster treffen würde und gegen das Dominatoren-FinTech Nubank antreten müsste. Stimmt das? Die Bedenken dürften ziemlich unbegründet sein, in gewisser Weise ist sogar genau das Gegenteil der Fall.
Brasilien ist ein riesiger Markt, der von Nubank hervorragend beackert wird und damit (erst) in Teilen an die Kultur des Smartphone-Bankings gewöhnt worden ist. Warum die Idee der Nubank in Brasilien vom Start weg gewaltig eingeschlagen hat, hängt nach der Einschätzung von Gründer David Vélez mit den grossen Banken zusammen, die im Land ihre Kunden "mit überteuerten und schlechten Services abspeisen und dabei rekordhohe Margen einstreichen".
Das nach Vélez vorherrschende Geschäftsmodell "wenig Leistung für viel Geld" scheint die Türen für neue und innovative Banking-Angebote sehr weit geöffnet zu haben. Auch Nubank gehört zum Kreis der Challenger-Banken, die nicht durch hohe Marketingausgaben auffallen – zufriedene Kunden scheinen den Job der weiteren Verbreitung gerne zu übernehmen. Zudem gibt's in zahlreichen lateinamerikanischen Ländern einen beträchtlichen Anteil an Smartphone-Nutzern, die kein Bankkonto haben. Ein Eldorado für Smartphone-Banken.
Das ist, grob zusammengefasst, der Boden, auf dem N26 in Brasilien starten wird. Platzhirsch Nubank mit eingeschlossen, nach einem kargen Boden klingt das nicht. Mehr nach einem sehr grossen und sehr aufnahmebereiten Feld, das Raum für weitere Neo-Banken mit herausragenden Services bietet.
Nubank und N26 als Phalanx gegen die etablierten Banken
Wer's anders macht, hat in Brasilien Erfolg. Schneller noch und breiter als in Europa oder in den USA. Nubank hat gezeigt, wie anders geht und verzeichnet deshalb ein enormes Wachstum. N26 steigt unter diesen denkbar guten Voraussetzungen in den brasilianischen Markt ein. N26 und Nubank werden sich in diesem Riesenmarkt vorerst nicht in die Quere kommen, im Gegenteil, sie verstärken sich gegenseitig. Beide FinTechs vertreten dieselbe Philosophie, operieren mit ähnlichen Ideen, Geschäftsmodellen und Services und bearbeiten einen weitgehend noch offenen Markt.
Auch wenn die beiden Challenger-Banken getrennt marschieren und als Konkurrenten auftreten, sie agieren dennoch gemeinsam als Phalanx gegen die etablierten Banken und wildern vor allem in deren Kundenbeständen.
Ein Modell der Koexistenz mit gemeinsamen Zielen und gemeinsamem Gegner, das auch in Europa funktioniert. Und weiter verstärkt funktionieren wird, wenn neben Revolut und N26 auch weitere Player wie Monzo, Atom, Starling, Yapeal, Neon, vielleicht Nubank und zahlreiche andere mitmischen werden.
Europa-Brasilien ist keine Einbahnstrasse
Interessantes Detail am Rande: Das deutsche FinTech N26 geht nach Brasilien und das brasilianische FinTech Nubank sitzt seit 2017 bereits in Deutschland. In Berlin unterhält Nubank eine Niederlassung mit Cracks, welche die Technologie der Challenger-Bank weiterentwickeln. Das FinTech ist aktuell nur technisch und technologisch präsent und hat offenbar im Moment noch kein begehrliches Auge auf potenzielle Kunden in Europa geworfen. Gut möglich, dass sich das ändert und Nubank irgendwann auch Flaggen auf die europäische Expansions-Landkarte pinnen wird.
Mit den beiden Challenger-Banken N26 und Nubank ist die Sommer-Geschichte noch längst nicht zu Ende erzählt. Wir kommen auf weitere bemerkenswerte Expansions- und Investitions-Highlights aus dem Lager der Neo-Banken zurück.