Um es vorweg zu nehmen: Nein, der Bitcoin kränkelt nicht, er ist im Gegenteil sehr viel gesünder aufgestellt als noch vor ein oder zwei Jahren. Auch die DeFi-Branche entwickelt sich positiv mit zahlreichen interessanten Projekten und ihren Coins.
Alles bestens in der Welt der Kryptowährungen?
Mittel- und vor allem langfristig möglicherweise schon – kurzfristig sind noch einige Hürden aufgestellt, welche die aktuelle Party schneller beenden könnten als gedacht. Nicht auf Dauer, das Umfeld und die fundamentalen Daten von Bitcoin, Ether und anderen Coins sind nach wie vor gut. Aber es sind (noch) zu viele Fragezeichen offen, welche mit ihrer Auflösung Bitcoin und Co. für eine Weile ausbremsen könnten – je nach auslösendem Ereignis zwischen schmerzhaft, stark und gewaltig.
Welche Bremser hier am Werk sind, ist keine Überraschung, weil in den letzten Wochen Wirtschafts- und auch Branchenmedien laufend über aktuelle Entwicklungen berichten. Man gewinnt jedoch den Eindruck, dass seit Beginn des Aufwärtstrends im Oktober negativ gefärbte Nachrichten gegenüber euphorisierenden News keine Chancen haben.
Das ist verständlich, gerade das Heer der kleineren Anlegerinnen und Anleger will glauben, dass der Bitcoin seinen ultimativen Siegeszug zum Millionen-Coin angetreten hat. Deshalb liest man selektiv, keiner will sich mit kleinlichen Spielverderber-Nachrichten aufhalten, welche das eigene Investment infrage stellen könnten.
Welche Tendenzen und Nachrichten gehören denn zu diesen möglichen Spielverderbern? In unserer Betrachtung gibt's im Moment drei wichtige Gefahrenherde, welche dem Bitcoin und anderen Coins eher mächtige Knüppel zwischen die Beine werfen könnten. Die drei Themenfelder sind miteinander verwoben, werden jedoch aktuell gesondert diskutiert.
Im Allgemeinen: Regulierungen
Nachdem die Fed und auch SEC-Chef Gary Gensler letzten Oktober ein Bitcoin-Verbot abgelehnt hatten, war die Euphorie gross und die Kurse durften weiter steigen. Einerseits ist das nachvollziehbar, andererseits auch nicht, weil die breit kolportierte Nachricht sich irgendwie wichtig anhört, ohne wirklich Gewicht zu haben. Sie hat es auch heute nicht. Niemand hat ernsthaft erwartet, dass die USA den Bitcoin verbieten wollen. Zudem wäre es eine schwer bis nahezu nicht lösbare Aufgabe für einen Staat, der nicht China heisst, den Bitcoin aus dem Verkehr zu ziehen. Wie genau kippt man einen dezentralen Coin aus der Blockchain und aus dem Markt? Das wissen auch Fed und SEC nicht. Dennoch hat die triviale Nachricht des Nicht-Verbots mitgeholfen, den Bitcoin auf neue Kurshöhen zu bringen. Nur: Wird etwas nicht verboten, lässt sich daraus keine bedingungslose Zustimmung für Bitcoin und damit verbundene Geschäftsmodelle ableiten.
Die Zulassung des ersten Bitcoin-Futures-ETF an der US-Börse im Oktober wurde ebenfalls als grosse Sache und Meilenstein gefeiert, der Glückstaumel war perfekt. Auch hier allerdings ohne allzu viel realen Boden. Die Behörde hat nicht zu Bitcoin ja gesagt, lediglich zu einer Zukunftswette auf Bitcoin. So wie man auf die Kursentwicklung von Öl, Gold oder Schweinebäuchen wetten kann, so erlaubt die Börse eben auch Wetten auf Bitcoin. Dass die SEC zwischen Futures und direkten Bitcoin-ETFs eine klare Trennlinie zieht, hat die Behörde vor wenigen Tagen bewiesen: der erste wirkliche Bitcoin-ETF ist abgelehnt worden.
"Die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen", damit hatte zuzeiten Aschenputtel Erfolge gefeiert – allerdings sortierte sie Linsen, keine Nachrichten und vor allem handelte sie nicht mit Bitcoin. Anlegerinnen und Anleger der Neuzeit sind klar im Vorteil, wenn sie nicht nur Good News herausfiltern und konsumieren, sondern die gesamte Nachrichtenlage im Auge behalten.
Ausgeblendet werden von der euphorisierten Bitcoin-Gemeinde oftmals die zahlreichen Signale und auch Nachrichten, nicht nur aus den USA, zu regulatorischen Plänen, welche konkrete Ziele verfolgen. Oder zumindest Spuren zu Absichten legen, die eher schnell zu Realitäten werden könnten. In der Diskussion sind seit längerem und auch aktuell verschiedene Ideen und Pläne, welche steuerliche Auswirkungen für Investoren nach sich ziehen oder dem Bereich der Decentralized Finance (DeFi) engere Fesseln anlegen könnten. Im Gegensatz zu einem Bitcoin-Verbot ist hier das eine wie das andere nicht unlösbar, weil die Halter von Kryptowährungen oder die FinTechs und Unternehmen hinter DeFi-Projekten eine Adresse haben. Die lassen sich regulieren, moderat oder hart, im einen wie im anderen Fall ziemlich einfach.
Einige Regulierungen oder Tendenzen sind bereits bekannt, andere bei verschiedenen Behörden und Regulierern erst im Gespräch. Hier kann's Überraschungen geben, die eine stark bremsende Wirkung auf Kryptokurse haben könnten.
Im Besonderen: Stable Coins
Im Zentrum der Regulierungsdiskussionen und -absichten stehen in den USA wie auch in Europa vor allem Stable Coins. Diese werden von Behörden und Regulierern einhellig als grösste Gefahr für die eigene Währung und für die Finanzsysteme betrachtet. Warum?
Der mit Abstand grösste und wichtigste Stable Coin im Kryptomarkt ist der Tether (USDT). Mit einer Marktkapitalisierung von inzwischen nahezu 75 Milliarden US-Dollar ist der Tether kein Leichtgewicht mehr, das auf der grünen Wiese der DeFi ein bisschen Zentralbank spielt. Zum Vergleich, vor einem Jahr lag der Tether noch bei gut 20 Milliarden US-Dollar – bereits ein Faktor mit Gewicht, zu diesem Zeitpunkt aber dennoch deutlich leichter. Deshalb noch weniger auf dem Radar von Politik, Behörden und Regulatoren.
Der zweitgrösste Stable Coin, USD Coin (USDC), kommt mit 34 Milliarden US-Dollar aktuell etwa auf die Hälfte der Marktkapitalisierung von Tether, allerdings gewinnt er extrem schnell an Gewicht und Bedeutung. Zum Vergleich, vor einem Jahr lag der USD Coin erst bei knapp 4 Milliarden US-Dollar, er hat sich in gut zehn Monaten mehr als verachtfacht.
Beide Stable Coins legen in Ausgabe und Verbreitung laufend massiv zu. Eine Entwicklung, welche Behörden und Regulatoren zutiefst beunruhigt, weil sich die Fragen stellen: Welches Gewicht und welchen Einfluss gewinnen Stable Coins in den nächsten Jahren? Welche Auswirkungen können diese Coins auf Währungen oder Finanzsysteme haben?
In diesem Bereich ist vor allem aus den USA aktuell sehr viel Gegenwind zu erkennen. Die Ideen gehen von Verboten bis zu Auflagen, die es praktisch nur noch regulierten Banken erlauben würde, Stable Coins herauszugeben.
Das eine wie das andere würde für Stable Coins und deren Anbieter praktisch das Aus bedeuten. Das wiederum würde ein Problem schaffen, das Stable Coins in ihrer Kernfunktion bisher gelöst haben: Die stabilen Coins, hinterlegt zum Beispiel 1:1 mit einem US-Dollar und deshalb der digitale Ersatz für den Dollar, gehören mit zum Rückgrat und zu den Antriebs-Generatoren mit Schmiermittel-Wirkung von Bitcoin und anderen Kryptowährungen, insbesondere im DeFi-Bereich. Zumal die grossen Stable Coins mit Gewicht in gewisser Weise ähnlich wie eine Zentralbank für den DeFi-Bereich agieren.
Würden bei den Stable Coins die Lichter ausgehen, könnte der gesamte Kryptobereich in eine vorübergehende Schockstarre fallen – mit teilweise erheblichen Auswirkungen auf die gewohnte Geschäftstätigkeit und auf Kurse.
Im Speziellen: Tether
Auf dem Prüfstand der Regulatoren und auch im Fokus Justiz steht selbstverschuldet vor allem der grösste und wichtigste Stable Coin, der Tether (USDT). Neben den grundsätzlichen Bedenken der Behörden zu Stable Coins, kommen beim Tether weitere Irritations-Elemente dazu. Bemüht sich der USD Coin um Transparenz, ist der Tether absolut intransparent und es bleibt unklar, inwieweit und in welcher Form der Tether mit US-Dollar oder anderen sicheren Werten tatsächlich hinterlegt ist.
Tether ist im Gegensatz zum USD Coin eine völlig unregulierte Initiative, deren Betreiber bleiben Märkten und Nutzern die wirklich wichtigen Antworten konsequent schuldig. Über den Tether haben wir bereits mehrfach berichtet, zum Beispiel hier und hier. Ist bei einem Stable Coin unklar, ob er wirklich ein stabiler Coin ist, 1:1 hinterlegt mit dem versprochenen Wert von 1 US-Dollar, führt das die Idee eines Stable Coins ad absurdum. Zudem drohen dadurch zusätzliche Gefahren wie ein möglicher Bank Run und weitere Verwerfungen.
Haben noch vor einem Jahr praktisch nur Insidermedien über das seltsame Geschäftsgebaren der Herausgeber von Tether berichtet, sind inzwischen auch die grossen Wirtschaftstitel wie Financial Times, Spiegel, Capital, NZZ, Wirtschafts Woche, FAZ und zahlreiche weitere am Ball. Die Tether-Story hat den Weg aus der Nische gefunden und ist zu einem Breitenthema geworden – ein Indikator dafür, dass die Suppe inzwischen deutlich heisser kocht. Und, wie bereits angeführt, die Behörden und Regulatoren haben sich verstärkt ebenfalls auf die Fährte von Stable Coins im Allgemeinen und Tether im Besonderen gesetzt.
Wir wiederholen unsere schon mehrfach geäusserte Feststellung schlicht und gemessen: Kracht der Tether, reisst er Bitcoin, Ether und zahlreiche weitere Coins mit in den Abgrund, im Kern den gesamten Kryptobereich, DeFi inklusive.
Das wäre nicht das Ende von Bitcoin & Co., dafür ist die gesamte Bewegung inzwischen zu stark. Das Platzen des Tether würde aber die aktuelle Krypto-Party abrupt beenden und ein pulverisierter Non-Stable Coin würde zu Kursen führen, die meilenweit von den aktuellen Höchstständen entfernt sind. Nicht im Sinne einer starken Korrektur, wie man sie von volatilen Krypto-Coins schon kennt, mehr ein Extrem-Absturz, den die Branche in dieser Form noch nicht erlebt hat. Image- und Vertrauensverluste mit Wirkung auf lange Sicht noch nicht eingerechnet.
Das muss nicht so kommen, kann aber. Keine schlechte Idee deshalb, neben den selektiv gelesenen und hoch gewichteten guten Nachrichten, die übrigen Strömungen nicht ganz aus den Augen zu verlieren, welche den Bitcoin beeinflussen. Das könnte helfen erste Signale richtig zu deuten. Zum Beispiel für den Fall, dass eine auf den ersten Blick ungefährliche Strömung Anlauf holt und auf den zweiten Blick die Kraft bekommt, sich zu einem veritablen Strudel auszuwachsen.