Die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) gehörte in der Vergangenheit nicht zu glühenden Verfechterinnen der Vorteile von Open Banking.
Mit eher grimmigem Seitenblick auf die EU-Regulierung PSD2 ist auch Open Banking als direkte Folge dieser Regulierung überwiegend kritisch beäugt und kommentiert worden. Die mit grosser Zurückhaltung erkannten möglichen Vorteile für die Zukunft wurden durch die jeweils geballt präsentierten Risiken und sonstigen Nachteile wieder vom Tisch gefegt. Zumindest gefühlt.
"Open Banking als Chance für den Finanzplatz"
Mit dieser Headline überrascht Richard Hess von der Schweizerischen Bankiervereinigung in seinem Artikel, der das revidierte Positionspapier der SBVg begleitet, und er rennt damit auf breiter Ebene weit geöffnete Türen ein (Red: das war jetzt ein verkappter Applaus von unserer Seite). Und es kommt noch besser: "Open Banking wird die Bankenbranche nachhaltig beeinflussen und verändern", schreibt Hess und zündet die nächste Feuerwerks-Rakete der guten Nachrichten:
Die Schweizerische Bankiervereinigung sieht darin grosses Potential für den Finanzplatz
Bevor's mir jetzt auf erfreute Weise unheimlich wird, weiter im Text von Richard Hess:
"Veränderte Kundenbedürfnisse, neue Akteure sowie innovative Technologien fordern die traditionellen Banken heraus. Angesichts der zunehmenden Fragmentierung der Wertschöpfungskette, in der Kunden über eine Vielzahl unterschiedlicher Finanzdienstleister wie Banken, Fintechs, Neobanken und branchenfremde Dienstleister bedient werden, stellt sich nicht mehr die Frage, ob sich Open Banking etablieren wird, sondern nur noch in welcher Form.
Die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) begleitet diesen Prozess eng. Sie sieht das grosse Potential von Open Banking und trägt deshalb aktiv zu Rahmenbedingungen bei, die entsprechende Geschäftsmodelle ermöglichen und auf diese Weise die Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes Schweiz stärken."
Wir wiederholen das Zitat, damit sich diese Aussage in die Erinnerung aller Beteiligten einbrennt und die kommenden Massnahmen aktiv, innovativ und kreativ beeinflussen möge:
Es stellt sich nicht mehr die Frage, ob sich Open Banking etablieren wird, sondern nur noch in welcher Form
Wir unterstreichen unsere bereits mehrfach geäusserte Haltung zum Thema und damit die Aussage der SBVg, indem wir hinzufügen: Wer die Form, wie sich Open Banking etablieren wird, nicht als Beobachter abwartet, sondern genau diese Form aktiv und offensiv prägt, dürfte aller Voraussicht nach zu jenen gehören, die am meisten profitieren.
PSD2 bleibt das ungeliebte Stiefkind
Der grimmige Seitenblick auf die PSD2 bleibt. Dagegen ist insofern nichts einzuwenden, als die PSD2 die Schweiz als Nicht-EU-Land nicht direkt betrifft. Richard Hess zum Thema:
"Für die SBVg ist es zentral, dass die Vertragsfreiheit der Banken nicht eingeschränkt wird und Marktteilnehmer selbst entscheiden können, mit welchen Drittparteien sie kooperieren möchten. Regulatorische Massnahmen wie die zwangsweise Öffnung von Schnittstellen sind nicht zielführend. Der freie Wettbewerb und dabei insbesondere die Kundenbedürfnisse sollen und werden entscheiden, wie in der Schweiz Open Banking umgesetzt wird."
Open Banking funktioniert ohne Zwang, aber nur mit einer gemeinsamen Haltung
Zentral bleibt, dass die neuen Kundenbedürfnisse rechtzeitig erkannt werden, bevor der Druck aus dem Markt kommt. Und ebenso wichtig ist, wie Vertragsfreiheit, Freiwilligkeit und damit generell Open Banking in der Schweiz definiert wird. Mit dazu gehören eine gemeinsame Haltung und auch gemeinsame Standards, weit über APIs hinaus.
Bewegt sich jede Bank in ihrem eigenen Open Banking-Universum, werden einzelne Banken möglicherweise ein Stück weit profitieren, andere nicht, der Finanzplatz Schweiz insgesamt ganz sicher nicht. Weil Open Banking sich nicht als individuell gestrickter Flickenteppich entwickeln kann, auf dem zahleiche Teilnehmer unterschiedlich grosse Konfettis, in unterschiedlichen Farben und unterschiedlichen Mengen in die Luft werfen. So funktioniert Karneval, aber so entstehen keine starken Ökosysteme.
Eine gemeinsame Haltung ist gefragt, damit Open Banking abheben und allen Beteiligten hohen Nutzen bringen kann. Hier ist die Schweizerische Bankiervereinigung im Lead und übernimmt eine grosse Verantwortung. Immerhin werden die aktuellen Weichenstellung mitbeeinflussen, wie sich die Schweiz national und international positioniert und wohin die Reise für den Finanzplatz Schweiz gehen wird. Aktuell stehen noch mehrere Destinationen zur Auswahl.
Open Banking: Das Positionspapier der SBVg
Das Positionspapier der Schweizerischen Bankiervereinigung in der aktualisierten Fassung vom Februar 2020 kann hier als PDF runtergeladen werden.