Damit sich der geografische Spielraum für Nutzer von Twint erweitern kann, spannt das Unternehmen der Schweizer Banken mit Lösungsanbietern aus dem europäischen Ausland zusammen.
Wie Twint meldet, haben sich die Anbieter von sieben unabhängigen mobilen Zahlungssystemen in Europa zur European Mobile Payment Systems Association (EMPSA) zusammengeschlossen.
Zur EMPSA gehören aktuell, neben dem Gründungsmitglied Twint, die im Markt aktiven mobilen Zahlungssysteme in Belgien (Bancontact Payconiq Company), Deutschland/Österreich (Bluecode), Finnland/Dänemark (MobilePay), Portugal (SIBS/MB WAY), Schweden (Swish) und Norwegen (VIPPS).
EMPSA beabsichtigt "unter anderem die Interoperabilität der mobilen Zahlungssysteme über die Landesgrenzen hinweg" sicherzustellen. Nach Angaben von Twint vereinigen die sieben Unternehmen und Systeme gemeinsam rund 25 Millionen registrierte Nutzer, über eine Million Akzeptanzstellen und rund 350 Banken, welche das System unterstützen.
Die neue Association ist in der Schweiz domiziliert
Die auch aus regulatorischen Gründen nachvollziehbare Liebe zur Schweiz, die man bereits von der Libra Association und anderen Vereinigungen kennt, ist offensichtlich auch bei der EMPSA vorhanden, die Geschäftsstelle der Association ist in Zürich domiziliert.
Das Präsidium der EMPSA übernimmt Søren Mose, Verwaltungsratspräsident von Twint, als Generalsekretär ist Anton Stadelmann, Deputy CEO und CFO von Twint, eingesetzt worden. Das gewählte Domizil und die Ämterverteilung sprechen dafür, dass Twint eine tragende und aktive Rolle innerhalb der EMPSA spielen will.
Der neue Präsident, Søren Mose, zu den Zielen der EMPSA:
Mit dieser länderübergreifenden Zusammenarbeit wollen wir dem Wunsch der User entgegenkommen, die bewährten Systeme auch international einsetzen zu können
Was die Kooperation bringen kann
So wie im Frühling 2016 die beiden Schweizer Lösungen Paymit und Twint den kostenintensiven Kriegspfad verlassen haben, um aus den Systemen konkurrierender Gegner eine einzige Lösung zu bauen und die Kräfte zu bündeln, so macht es Sinn, wenn europäische Anbieter zusammenspannen.
Diese sieben Wagemutigen sind bisher nicht wirkliche Konkurrenten, weil bei den meisten der mobile Bezahl-Spass an der Landesgrenze aufhört oder zumindest nicht in weiten Teilen Europas weitergehen kann. Insofern ist es sicher sinnvoll, gemeinsam und für alle Beteiligten die jeweils eigenen Grenzen aufzubrechen.
Über die reinen technischen Hürden hinaus, kann der aktive Austausch von Erfahrung und der Know-how-Transfer zusätzliche Früchte tragen. Dann, wenn die neuen Partner wirklich offen kooperieren und den jeweils anderen das besondere Killer-Feature auch gönnen mag, das man im Moment vielleicht exklusiv an Bord hat.
Diese Offenheit innerhalb der EMPSA ist allen Teilnehmern zu wünschen, zumal sie ein gemeinsames Ziel verfolgen, das über die Erweiterung der eigenen Grenzen hinausgeht. Eine Alternative zu Apple Pay, Google Pay, Alipay (kommt erst nach der Teststrecke mit den chinesischen Touristen, dann aber kraftvoll) und anderen Big Techs, operiert nur dann auf einem starken Boden, wenn Leistungen, Features und Komfort überzeugen. Diese Marken sind gesetzt, werden in Zukunft weiter angehoben, zusätzlich beeinflusst auch durch die wachsende Zahl der Challenger-Banken.
Wie wär's mit einer einzigen Mobile Payment-Lösung für Europa?
Um es vorwegzunehmen: davon war und ist nicht die Rede in der Medienmitteilung von Twint. Als weitergedachte Variante einer "länderübergreifenden Verwendbarkeit" verschiedener Systeme, bekommt die Vision jedoch durchaus ihren Reiz.
Mehrere kompatible Systeme und eine möglicherweise wachsende Zahl von Mitgliedern der EMPSA, das ist schon mal was. Etwas, das den Widerstand gegenüber Big Tech- und anderen internationalen Lösungen erhöhen kann.
Eine einzige Mobile Payment-Lösung in Europa, die auch mit dem Rest der Welt kommunizieren kann, erschaffen und getrieben mit dem Know-how, der Kreativität und den Möglichkeiten von zahlreichen Anbietern, die ihre Kräfte zusammenlegen, das wäre dann einfach etwas mehr. Genaugenommen wäre das ein virtuelles Big Tech, das alle anderen Big Techs das Fürchten lehren könnte.
Wie gesagt, davon war nicht die Rede, nur so ein Gedanke. – Zurück zu den aktuellen Realitäten.
Wann können Twint-Nutzer in Europa bezahlen?
Nach Aussagen von Twint soll "mittelfristig" die Möglichkeit einer länderübergreifenden Verwendbarkeit der einzelnen Systeme der EMPSA-Partner eingeführt werden. Zu diesem Zweck hat die Vereinigung bereits eine Arbeitsgruppe eingesetzt, welche die technischen Fragen der Interoperabilität prüft.
Wir haben bei Twint nachgefragt, was unter "mittelfristig" zu verstehen ist. Details zu diesem Punkt bleiben aktuell noch offen, weil der Umfang der technischen Anpassungen in Systemen und Software noch nicht abgeschätzt werden kann.
Welche Länder genau die "länderübergreifende Verwendbarkeit" innerhalb von Europa in Zukunft öffnen wird, dürfte mit zu den entscheidenden Erfolgsfaktoren gehören. Und auch die Frage, ob die EMPSA, die ja auch weitere Mitglieder mit an Bord nehmen kann, Europa als finalen Zielhorizont sieht oder auch den Rest der Welt in Planung hat.