Dass die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA eine Einordnung von Stable Coins nach Schweizer Recht gerade jetzt abliefert, ist kein Zufall. Die FINMA reagiert damit auf eine konkrete Anfrage der Libra Association. Diese hat um eine Einschätzung gebeten, wie die Aufsichtsbehörde das geplante Projekt Libra mit der Ausgabe eines Stable Coin nach Schweizer Aufsichtsrecht einordnen würde.
Die FINMA bestätigt die Anfrage der Libra Association und verweist darauf, dass diese "Vorstufe" zur Regulierung ein übliches Vorgehen wäre, gerade bei neuartigen Projekten. Mit zu den Aufgaben der FINMA gehöre, potenziellen Marktteilnehmern mitzuteilen, wie der Regulator das geltende Schweizer Aufsichtsrecht anwendet.
Das Allgemeine: Die Einordnung von Stable Coins nach Schweizer Recht
Die FINMA beginnt beim allgemeinen Thema "Stable Coins", mit dem Hinweis darauf, dass im Zusammenhang mit Projekten auf der Grundlage der Blockchain-Technologie seit Mitte 2018 eine Zunahme von Projekten zur Schaffung von Stable Coins festzustellen wäre.
Das Schweizer Finanzmarktrecht ist grundsätzlich prinzipienbasiert ausgestaltet. Die FINMA wendet es nach dem Prinzip der Technologieneutralität an. Die aufsichtsrechtliche Behandlung von Stable Coins folgt dem bisherigen Ansatz im Bereich von Token: Der Fokus liegt auf der wirtschaftlichen Funktion und dem Zweck eines Token.
Die konkrete Ausgestaltung von Stable Coins unterscheidet sich sehr stark. Je nachdem, welche Vermögenswerte (zum Beispiel Währungen, Rohstoffe, Immobilien oder Effekten) einem Stable Coin unterlegt werden und welcher rechtliche Anspruch für dessen Besitzer besteht, ergeben sich unterschiedliche aufsichtsrechtliche Anforderungen.
Details zur Regulierung von Stable Coins hat die FINMA in einer ersten Wegleitung zusammengefasst, das Dokument kann hier runtergeladen werden.
Das Spezielle: Die Einordnung von Libra (Projekt der Libra Association)
Zum aktuellen Zeitpunkt liefert die FINMA eine indikative Einordnung des Libra-Projekts nach Schweizer Aufsichtsrecht auf der Basis der bisher verfügbaren Informationen. Die FINMA hält fest, dass sich diese Einordnung bei einer Weiterentwicklung des Projektes ändern kann. Die Ausführungen der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht zum Libra-Projekt:
- In der Schweiz könnte ein solches Projekt nur mit einer finanzmarktrechtlichen Bewilligung umgesetzt werden. Das Projekt, wie heute geplant, würde eine Bewilligung der FINMA als Zahlungssystem auf der Basis des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes (FinfraG) benötigen.
- Anforderungen für Zahlungssysteme in der Schweiz beruhen auf gängigen internationalen Standards, insbesondere den Principles for Financial Market Infrastructures (PFMI). Diese Anforderungen gelten insbesondere auch für Cyberrisiken.
- Ein Schweizer Zahlungssystem ist automatisch dem Geldwäschereigesetz unterstellt. Mit Blick auf die Geldwäschereibekämpfung müsste die Einhaltung höchster internationaler Standards im ganzen Ökosystem des Projektes sichergestellt werden. Das Ökosystem müsste als Ganzes immun sein gegen erhöhte Geldwäschereirisiken.
- Nach FinfraG müssen für sämtliche risikoerhöhenden zusätzlichen Dienstleistungen eines Zahlungssystems auch zusätzliche Anforderungen gestellt werden. Damit kann allen Risiken eines Schweizer Zahlungssystems – auch bankähnlichen Risiken – mit entsprechenden Anforderungen begegnet werden ("same risks, same rules"). Wegen der Ausgabe eigener Zahlungstoken würden die geplanten Dienstleistungen des Libra-Projektes über ein reines Zahlungssystem klar hinausgehen und deswegen solchen zusätzlichen Anforderungen unterliegen.
- Diese zusätzlichen Anforderungen an die Nebendienstleistungen würden insbesondere die Bereiche Kapitalverteilung (für Kredit-, Markt- und operationelle Risiken), die Liquiditäts- und die Risikoverteilung betreffen wie auch die Anforderungen zum Management der Reserve.
- Die zusätzlichen Anforderungen würden auf anerkannten Standards für vergleichbare Tätigkeiten im Finanzmarkt beruhen und müssten der Dimension des Projektes entsprechen. So müssten beispielsweise bankähnliche Risiken auch bankähnlichen Regulierungsanforderungen unterliegen. Eine Bewilligung als Zahlungssystem würde somit die Kombination der relevanten Anforderungen des Finanzmarktinfrastruktur- und Bankenrechts erlauben.
Die FINMA hält fest, dass die Grundvoraussetzung für eine Bewilligung als Zahlungssystem wäre, dass die mit der Verwaltung der Reserve verbundenen Erträge und Risiken vollständig von der Libra Association und nicht – wie zum Beispiel bei einem Fondsanbieter der Fall – von den allfälligen Besitzern des Stable Coin getragen würden.
Die internationale Koordination steht im Zentrum
Die Schweiz als Gastgeberland der Libra Association steht international "unter Beobachtung", weil das Libra-Projekt nicht die Schweiz allein betrifft, sondern vielmehr global ausgerichtet ist. Zudem steht das Projekt von zahlreichen Seiten unter Beschuss und insbesondere den USA ist ein Dorn im Auge, dass ein kleines Land wie die Schweiz federführend die Regulierung für die Libra Association veranwortet. Auch diesem Punkt trägt die FINMA Rechnung, indem sie ergänzt:
Die geplante internationale Reichweite des Projektes macht ein international koordiniertes Vorgehen unverzichtbar. Insbesondere die Definition der Anforderungen an die Verwaltung der Reserve, an die Corporate Governance bei deren Verwaltung sowie an die Bekämpfung der Geldwäscherei wäre international auszuarbeiten.
Damit nimmt die FINMA in einigen zentralen Punkten Regulierer und Behörden involvierter Nationen mit ins Boot. Ob diese Geste die globale Aufregung und die teilweise sehr vehemente Ablehnung des Projekts in sachliche Bahnen lenken kann, wird sich zeigen.
Lizenz als Zahlungssystem
Wie die FINMA in ihrer Einordnung festgehalten, ist eine Bewilligung als Zahlungssysem die notwendige Grundvoraussetzung, damit das Libra-Projekt starten kann. Die Libra Association hat inzwischen mitgeteilt, dass sie diese Lizenz beantragen will. In der Medienmitteilung bekräftigt die Organisation den Grund für die Wahl des Schweizer Standort mit folgendem Statement:
"Mit einem prinzipienbasierten und technologieneutralen regulatorischen Rahmen sowie regulatorischer Klarheit in Bezug auf Blockchain-basierte Geschäftsmodelle bietet die Schweiz einen Weg für Innovationen im Bereich verantwortungsbewusster Finanzdienstleistungen, die mit globalen Finanznormen und einer starken Aufsicht harmonisiert sind."
Dante Disparte, Head of Policy & Communications bei Libra Association, präzisiert:
Wir sind weiterhin der Überzeugung, dass technologiebasierte Finanzdienstleistungs-Innovationen sowie strikte Einhaltung und Überwachung von Vorschriften nicht im Wettbewerb zueinander stehen
Disparte ergänzt, dass die Libra Association im konstruktiven Dialog mit der FINMA stehen würde und dabei angehalten sei, einen möglichen Weg für ein Open-Source-Blockchain-Netzwerk zu einem regulierten, reibungsarmen und hochsicheren Zahlungssystem zu finden.
Die Libra Association ist davon überzeugt, dass diese Nuss zu knacken ist.