Libra Association

Wer hat Angst vor Libra?

Mann und Frau mit Angst im Gesicht
Bild: master1305 | Getty Images

Fast alle. Nimmt man die Schweiz als Gastgeberland der Libra Association aus, wettert der Rest der Welt mit teilweise fadenscheinigen Argumenten gegen das Libra-Projekt.

Ausnahmen gibt's natürlich auch, die sind aktuell allerdings noch nicht in grossen Scharen auf dem Platz vertreten. Über die moderate Haltung von Persönlichkeiten mit Interesse am Projekt, haben wir mehrmals berichtet, unter anderem hier. Auch die Einwände und Strategien der vehementen Gegner haben wir bereits mehrfach protokolliert. 

Info-Hinweis
Wer die zentralen Punkte des Libra-Projekts nicht auf dem Radar hat und in Kurzform das Wesentliche erfahren möchte, kann sich in unserer Zusammenfassung informieren.

Man muss die Ablehnung, die teilweise fast schon panische Züge annimmt in ihren prophezeiten und apokalyptischen Folgen, nicht unbedingt Angst nennen – mit hochgradiger Abneigung, vehementem Widerwillen, missmutigem Argwohn und zuweilen mit einem trotzigen "Das wollen wir einfach nicht haben!", lässt sich der hochgezogene Abwehrschirm auch beschreiben.

Keine Frage, eine solide Regulierung gehört dazu

Diese Ansicht vertritt auch die offizielle Schweiz, welche als Gastgeberland der Libra Association (Sitz in Genf) international besonders im Fokus steht. Die Schweiz neigt in Gesetzgebung und Regulierung dazu, Innovationen Raum zu geben. Ein pragmatischer Weg, der die notwendigen Leitplanken schafft, deren Einhaltung dann auch überwacht werden. Dies mit dem Ziel, neue Ideen und Projekte nicht abzuwürgen, sondern rechtlich und regulatorisch so zu kanalisieren, dass sie innerhalb definierter Grenzen starten und gedeihen können.

Die USA stören sich an genau diesem Punkt. Verschiedene Exponenten haben sich mehrfach schon darüber mokiert und die Frage gestellt, warum ein kleines Land wie die Schweiz die Macht haben sollte, eine Regulierung zu schaffen, welche die ganze Welt betrifft. Diese Frage hat die Libra Association mit ihrer Standortwahl bereits beantwortet, zumindest teilweise.

Auch die kürzliche Stipvisite im Bundeshaus der Delegation des US-Repräsentantenhauses, angeführt von Maxine Waters, hat nicht zum Resultat geführt, das die US-Delegation offenbar auf ihrem Wunschzettel hatte. Verbunden mit der Ankündigung konkreter Massnahmen, welche den Druck auf die Libra Association erhöhen sollen, hat Maxine Waters das informelle Treffen mit Exponenten der Schweizer Politik mit folgender Bemerkung quittiert:

Aber meine Sorge bleibt, einem grossen Technologieunternehmen die Schaffung einer privat kontrollierten, alternativen globalen Währung zu ermöglichen

Die Sorge ist tatsächlich berechtigt, sofern die Schweizer Regierung nicht einknickt – der Druck der USA baut sich auf und nimmt zu. Man wird den Eindruck nicht los, dass die USA gerne den kürzestmöglichen Weg gehen und das Projekt Libra am liebsten wegregulieren und beerdigen möchten. Das kann möglicherweise auch gelingen, sofern die Regierungen, Regulierer und Nationalbanken dieser Welt sich erheben und in grosser Einigkeit die Startbahn für dieses Projekt blockieren.

Damit wäre allerdings nicht wirklich viel gewonnen, ausser etwas Zeit. Losgetretene Visionen lassen sich nicht stoppen, nur verzögern. Ist die Vision gut, wird sie kommen und sich durchsetzen – dann einfach weitergedacht und in neuer Form ausgeführt von anderen Protagonisten.

Was sagen die Banken zum Libra-Projekt?

Mit wenigen Ausnahmen war von Seite der Banken bisher nicht viel zu hören. Der Bundesverband deutscher Banken (BdB) hat Anfang Juli 2019 seine Sicht in einem ersten und moderat gehaltenen Positionspapier zum Libra-Projekt publiziert.

Der Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes, Andreas Krautscheid, hat Mitte August nachgelegt und in (gefühlt) schärferer Tonart festgehalten, dass das Libra-Projekt "im Finanzsektor eingeschlagen hätte wie ein Meteorit". Der dramatische Vergleich lässt den Schluss zu, dass Krautscheid befürchtet, die traurige Geschichte der Dinosaurier, die einst durch einen Meteoriten vom Planeten gefegt worden sind, könnte sich wiederholen. Im digitalen Zeitalter wär's dann der disruptive Libra-Meteorit, der den internationalen Finanzsystemen den Garaus machen würde.

So schlimm dürfte es nicht werden. Krautscheid verbindet seine Befürchtungen mit der Forderung, sollte man diese Währung in privater Hand überhaupt zulassen wollen, "müsste Libra die weltweit höchsten regulatorischen Standards erfüllen".

Wie stehen die Schweizer Banken zum Libra?

Die bis anhin fast schon gespenstische Stille zum Thema von Seiten der Schweizer Banken, hat die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) gestern durchbrochen. Wer jetzt die breit gehegte Erwartung bestätigt sehen möchte, dass die SBVg mit einer knallharten Breitseite gegen die Libra Association antritt und loswettert, wird enttäuscht.

Die Haltung des Spitzenverbandes der Schweizer Banken, vorgestellt durch Adrian Schatzmann, geht in keiner Weise auf die Spur der harschen Ablehnung und stimmt mit keiner einzigen Zeile in das globale Gezeter ein. 

Der Aufsatz von Adrian Schatzmann beginnt mit einer Frage:

"Wieso fürchten das marktwirtschaftlich orientierte Europa, aber auch die USA sowie die Zentralbanken Libra wie der Teufel das Weihwasser?"

Schatzmann doppelt mit einer (überraschenden) zweiten Frage nach, welche auch gleich den Kern der Haltung beschreibt:

"Und warum sind die Banken keineswegs in einer vergleichbaren Abwehrhaltung?"

Erste Details zur nicht vorhandenen Abwehrhaltung der Schweizer Banken

Adrian Schatzmann wundert sich über "die Vehemenz, mit der die grundsätzliche Ablehnung zum Ausdruck kommt" und bezeichnet die internationalen Reaktionen als "ein regelrechtes Gewitter, das über die in Genf ansässige Libra Association hereingebrochen ist".

Der Autor beschreibt die Verquickung von Politik und Notenbanken, stellt fest, dass "die globale Politik Libra deshalb nicht will" und fasst die Haltung der Protagonisten dieser Politik kurz und knapp zusammen: "Konkurrenz ist unerwünscht".

In den folgenden Kapiteln seines Artikels bekommt das Libra-Projekt in der Person von Adrian Schatzmann einen interessierten Beobachter, um nicht zu sagen, einen moderaten Anwalt. Das oftmals angeführte Vertrauensproblem im Zusammenhang mit Facebook, kontert Schatzmann mit einer unerwartet pragmatischen Feststellung:

"Fehlendes Vertrauen allein ist kein Grund, Libra zu verbieten. Niemand ist gezwungen, Libra zu halten. Wer Libra nicht traut, muss Libra nicht anrühren."

Auch die weiteren Betrachtungen und Ausführungen bleiben interessant. Der Artikel endet mit der Vermutung, dass "Libra auf lange Zeit auf eine Anbindung an das Bankensystem – national und auch international – angewiesenen wäre" und schliesst in der Folge mit der bemerkenswerten Aussage:

Eine erfolgreiche Kooperation könnte daher eine Chance für den Finanzplatz Schweiz sein

Die lesenswerten Gedanken und Ausführungen von Adrian Schatzmann zum Thema Libra können in seinem Artikel auf der Website der Schweizerischen Bankiervereinigung im Detail studiert werden, über den Link gleich unten.