Open Banking

Oliver Dlugosch und Franziska Zangl über PSD2, Open APIs und Open Banking

Vernetzte Stadt
Bild: Panuwat Sikham | Getty Images

Im Gespräch mit den Experten von NDGIT diskutieren wir den Werkzeugkasten für die PSD2, die Bedeutung von Open Banking und die Rolle der Schweizer Banken.


Oliver und Franziska, warum ist der 14. März für die PSD2 ein wichtiges Datum?

14. März 2019 – ein denkwürdiges Datum, denn an diesem Tag macht der europäische Finanzmarkt den Schritt in ein neues Zeitalter: PSD2 (Payment Service Directive II) sei Dank wird der Einstieg für neue Anbieter von Finanzdiensten deutlich erleichtert und die Vielfalt von neuen bankenunabhängigen Services für Kunden gefördert.

Der 14. März war der Stichtag für Banken, an dem sie die Beschreibung ihrer neuen Schnittstellen veröffentlichen und mit einer Sandbox testbar machen müssen. Damit fiel der Startschuss für die dreimonatige Testphase, in der Drittanbieter die APIs zunächst testweite mit Demo-Daten integrieren, um dann für die spätestens Mitte September produktiven Services vorbereitet zu sein. 

Was ist der Unterschied zwischen einem Developer-Portal und einer Sandbox?

Unsere Definition erklärt sich am einfachsten mit folgender Analogie: Das Portal repräsentiert einen Werkzeugkasten inklusive Anleitung, wie welches Werkzeug zum Einsatz kommt. Es dient damit sowohl der Orientierung, gibt also eine Übersicht über alle Werkzeuge, als auch dem Verständnis, wie diese einzusetzen sind.

Ein Developer-Portal enthält demnach alle für TPPs relevanten Informationen über die von der Bank angebotenen Services und wie sie genutzt werden können. Dazu gehört eine Übersicht der Endpunkte, eine technische Dokumentation der Schnittstelle sowie eine Beschreibung der Zugriffmöglichkeit.

Die Sandbox dagegen ist eine isolierte Testumgebung, welche es TPPs ermöglicht, basierend auf Testdaten die Services der Bank zu testen und zu integrieren. 

Wo liegen die Herausforderungen beim Erstellen einer Sandbox und deren Funktionen?

Wir sehen hier zwei wesentliche Herausforderungen: Das wären zum einen der Abgleich mit dem Produktivsystem und zum anderen das Managen der Zugriffe durch TPPs. 

Banken müssen bereits in der Sandbox-Phase die Kommunikationsflüsse zwischen den später im Produktiv-Betrieb involvierten Systemen darstellen. Hier liefern Standardisierungsgremien, wie beispielsweise die Berlin Group, eine wertvolle Grundlage. Sind allerdings die involvierten Komponenten der Bank, beispielsweise für die Authentifizierung des Kunden, nicht mit den vorgeschlagenen Informationsflüssen kompatibel, müssen Banken sich entscheiden: Weichen sie vom Standard ab oder passen sie ihre existierenden Systeme an? 

Beim Zugriffsmanagement der Sandbox müssen Banken einen Registrierungsprozess für TPPs implementieren, um ihnen Zugang zur Testumgebung zu gewähren. Sollte dieser kein automatisiertes Onboarding ermöglichen, kann der Onboarding-Prozess für TPPs sehr aufwändig werden.   

Die Banken haben doch schon genügend Kanäle, um mit ihren Kunden elektronisch Daten auszutauschen – weshalb braucht es noch offene Schnittstellen?

Die existierenden Kanäle fokussieren sich momentan auf den direkten Informationsfluss zwischen Kunde und Bank. Open APIs ermöglichen es dagegen Drittanbietern, ebenso auf die Informationen der Bank zuzugreifen und den Kunden so neue digitale Services anzubieten. Diese ergänzen das Portfolio an Finanzdienstleistungen komplementär und vielfältig. Aus unserer Sicht braucht der Finanzmarkt daher dringend eine Vernetzung. Die entstehenden Synergien wirken als Innovationsquelle und -treiber zugleich, um das Geschäftsmodell "Bank" auch im digitalen Zeitalter überlebensfähig und für Kunden, Partner und Banken attraktiver machen.

Retail Banking, Corporate Banking, Wealth- und Asset-Management – in welchem Bereich kann man am besten eine Open Banking-Strategie einsetzen und warum?

Wir von NDGIT sind uns sicher, dass all diese Bereiche deutlich von einer nachhaltigen Open Banking-Strategie profitieren. So haben wir bei unseren Kunden bereits einige clevere Corporate Banking Use Cases gesehen, die interne Prozesse deutlich verschlanken: Automatische Steuerkalkulationen, digitale Kreditanträge, automatisierte Zahlungen und vieles mehr.

Die meisten Anfragen haben wir im Moment aber noch ganz klar im Retail Banking: Multi Banking, Personal Finance Management, Versicherungsvergleiche, Spending-Analysen und Kostenaufteilung unter Freunden. Der Phantasie an Fintech-Innovationen im Banking Hub sind kaum Grenzen gesetzt. Mit der Nutzung von Robo Advisory-Funktionen direkt aus dem Online Banking sehen wir auch eine zunehmende Annäherung von Retail Banking und Wealth Management.

Warum sollten Schweizer Banken auf eine Open Banking-Strategie setzen?

Banken werden heute mit einer Disruption auf zwei Ebenen konfrontiert. Zum einen verändert sich das Nutzerverhalten deutlich und zum anderen ermöglichen neue Technologien eine neue Art von Services: Amazon, Netflix und Co. haben es vorgemacht, wie vernetzte Plattformen mit API-Technologie gestaltet werden. 

Kunden wollen Bankleistungen zunehmend flexibel und ortsunabhängig nutzen. Dabei fällt es digitalen Anbietern nicht nur deutlich leichter, sich an die neuen Kundenbedürfnisse anzupassen, sie ermöglichen oft auch bessere Customer Journeys. Banken wiederum können diesen strategischen Vorteil für sich einnehmen, indem sie Ökosysteme etablieren, in denen sie die besten komplementären Services von Partnern anbieten.

Diese grundsätzlichen Veränderungen in der Wertschöpfung von Banken betreffen natürlich nicht nur von der PSD2 regulierte Märkte, sondern auch die Schweiz. Wer nicht darauf reagiert, wird es zukünftig schwer haben. Daher ist Open Banking unserer Meinung nach für alle Banken unumgänglich, die sich zukunftssicher aufstellen wollen.

Wie könnte der erste Schritt aussehen?

Wie bereits angedeutet, sollten Banken zunächst die technologische Grundlage schaffen, um die verschiedenen Optionen des Open Banking umzusetzen. Mit einer Open Banking-Plattform können sie deutlich schneller neue Services von Drittanbietern anbinden und ihr digitales Offering so flexibler an Kundenbedürfnisse anpassen. Mit einem Ökosystem profitiert die Bank von den smarten, digitalen FinTech Services, während die FinTechs auf Kundendaten der Bank zugreifen – eine echte Win-Win-Situation.

Damit dieser Austausch funktioniert, braucht es die Öffnung des Kernbankensystems mit einer modernen API-Technologie. Das gilt sowohl für geschlossene Ökosysteme zwischen Banken und ihren Drittanbietern, als auch für die Öffnung der Bank auf Basis von Markt-Standards wie PSD2, Swiss Corporate API oder anderen Open API-Initiativen.

Innovationschampions wie die Hypothekarbank Lenzburg machen das in der Schweiz schon vor. 2017 haben wir mit ihnen gemeinsam das erste Open Banking der Schweiz eingeführt und es sukzessive zu einem Ökosystem ausgebaut. Hierfür wurden wir letztlich auch mit dem Euro Finance Tech Award für die beste Zusammenarbeit zwischen Banken und FinTechs belohnt, was uns in unserem Tun natürlich noch weiter bestärkt. 

Lessons learned: Welche Fehler sollten Schweizer Banken dabei tunlichst vermeiden?

Banken sollten es vermeiden, auf regulatorische Vorgaben oder erste Schritte anderer Banken zu warten, bevor sie sich mit Open Banking befassen. Sie müssen eigene Modelle für eine vernetzte digitale Ökonomie entwickeln, um sich langfristig wettbewerbsfähig aufzustellen. Besser, man positioniert sich als First Mover innovativ, als man wird vom Markt überholt.

Gerade eine unzureichende technologische Infrastruktur infolge von kurzfristigen Lösungen, kann sich langfristig als Fehler herausstellen. Da niemand wirklich voraussehen kann, wohin sich die Dynamik des Marktes entwickelt, müssen Lösungen flexibel anpassbar sein. 

Welche Schweizer Banken kennt ihr, welche im Inland oder Ausland bereits Open APIs anbieten? 

Wie bereits erwähnt: die Hypothekarbank Lenzburg, dank uns. Aber mal ganz ohne Eigenwerbung kann man sagen, dass alle Schweizer Banken mit europäischen Niederlassungen durch die PSD2 auch jetzt schon dazu verpflichtet sind, Open APIs anzubieten. Dazu gehören zum Beispiel Credit Suisse und UBS, aber auch Kartenkonteninhaber wie die Cornèr Bank. Allerdings gilt das momentan leider nur für ihre europäischen Kunden. Wir sehen jedoch ein stetig wachsendes Interesse daran, Open APIs auch für Schweizer Kunden anzubieten. 

Und noch eine letzte Frage: Viele Headlines sagen, dass Open Banking in Kombination mit Instant Payments das Banking und den Zahlungsverkehr komplett umkrempeln wird. Wie seht ihr das?

Instant Payments und übrigens auch die moderne Lastschrift – sofern sie von 2FA verschont bleibt – haben in der Tat grosses Innovationspotenzial. Vor allem in Sachen Serviceerlebnis. Das kann man gut am Beispiel Uber verdeutlichen: Das eigentliche Serviceerlebnis ist es, bequem von A nach B zu kommen. Um das zu erleben, müssen wir zuvor jedoch noch einige andere Tasks erfüllen, wie vertrauenswürdige Fahrer auswählen, bezahlen, Trinkgeld kalkulieren und so weiter. Mit unserem anfänglichen Dienstleistungswunsch hat das jedoch wenig zu tun. Uber nimmt seinen Nutzern diese Last ab. 

Lasst uns das mal weiter spinnen… was wäre, wenn unser Auto automatisch die nächstgelegene Tankstelle vorschlägt, die Tankrechnung gleich selbst begleicht und wir sofort weiterfahren könnten? Was wäre, wenn die Einkäufe für das Abendessen tagesfrisch bereits im Kühlschrank auf uns warten? Was wäre, wenn wir in unserem Lieblingsshop einfach nehmen, was uns gefällt und aus dem Laden gehen könnten, wissend, dass das Shopsystem automatisch abrechnet? Auch wenn ein Teil der Services bereits möglich ist, erst mit cleveren Payment-Lösungen wie Instant Payment oder Lastschrift werden sie richtig komfortabel. Willkommen in der Zukunft mit Plattform-Banking.

Der Interviewpartner: Oliver Dlugosch

Oliver Dlugosch ist Co-Founder und CEO der NDGIT, ein Unternehmen, das Banken und FinTechs mit digitalen Ökosystemen verbindet – als Grundlage für PSD2 und Open Banking.

Oliver ist ein digitaler Banking-Experte, der sich der Transition des Finanzmarkts hin zu einem 360° Nutzererlebnis verschrieben hat. Dazu taucht er er immer wieder tief in die Technik des Plattform-Banking ein, ohne jedoch selbst programmieren zu können. 

Vor seinem Engagement bei NDGIT war Oliver Dlugosch Senior Vice President bei Crealogix und C1 FinCon sowie Managing Director bei Ray Sono. Er hält einen Master of Business Administration der Universität Augsburg.

Die Interviewpartnerin: Franziska Zangl

Franziska Zangl ist Head of Business Development bei NDGIT, ein Unternehmen, das Banken und FinTechs mit digitalen Ökosystemen verbindet – als Grundlage für PSD2 und Open Banking

Als Expertin rund um das Thema Globalisierung ist Franziska unter anderem für die Internationalisierung des Unternehmens zuständig. Hintergrund und Know-how für den Aufbau und die Gestaltung internationaler Umgebungen hat sie im Studium des International Managements in Reutlingen und Madrid erworben.

Vor ihrer aktuellen Position war Franziska im Produkt- und Projektmanagement bei NDGIT engagiert und hat sich dadurch ein fundiertes Fachwissen in den Bereichen Produkt, Sales und Customer Relations aufgebaut.