Nach den Studienautoren von Capgemini entwickelt sich Open Banking einen grossen Schritt weiter zu Open X – und geht damit weit über Bankdienstleistungen hinaus.
Open Banking beschäftigt die Finanzbranche inzwischen seit Jahren – von den einen immer noch argwöhnisch beäugt, schliesslich geht's um Kundenzugang und Marktanteile, von den anderen längst schon offensiv eingesetzt.
Für beide Gruppen gilt: kaum hat man sich ans spannende oder eben auch ungeliebte Thema gewöhnt, droht die nächste Herausforderungen.
Der World FinTech Report 2019 von Capgemini und Efma kommt zum interessanten Schluss, dass sich das Gesichtsfeld der Argwöhnischen wie auch der Offensiven noch beträchtlich erweitern wird. Der Grund: in der nächsten Stufe muss bereits über Open Banking hinausgedacht werden und es geht um sehr viel mehr als "nur" gerade um Finanzdienstleistungen.
Unsere Untersuchungen zeigen, dass sowohl Banken als auch FinTechs zukünftig noch deutlich offener sein müssen, als viele bisher dachten
Das heisst für die Offensiven: die sind auf der richtigen Fährte und drücken noch stärker aufs Gas. Die Bedeutung für Argwöhnische und Zögerer: die könnten eine Stufe überspringen und direkt im erweiterten Spielfeld operieren – dieser Sprung ist allerdings nur dann zu schaffen, wenn die Beine lang genug sind und auch die Sprungkraft vorausschauend intensiv trainiert worden ist.
Open X versus Open Banking
Die Branche entwickelt sich von Open Banking hin zu "Open X", sind die Studienautoren überzeugt. Die Definition von Open Banking ist hinlänglich bekannt und umfasst in erster Linie Finanzdienst-leistungen. Was Capgemini unter dem Begriff "Open X" zusammenfasst, schliesst weitere Branchen, zusätzliche Daten und eine sehr viel intensivere Form von Austausch und Kooperation mit ein.
Klaus-Georg Meyer, Leiter Business & Technology Consulting Financial Services bei Capgemini in Deutschland, bringt das mit folgenden Worten auf den Punkt:
Open Banking gilt seit langem als Transformationsziel der Finanzdienstleistungsbranche, der World Fintech Report zeigt auf, dass die Entwicklung aber deutlich über Bankdienst-leistungen hinausgeht
Meyer geht ins Detail und führt weiter aus:
«Die Branche steht am Beginn einer grundlegenden Weiterentwicklung zu integrierten Marktplätzen, die sowohl Finanzdienstleistungen, als auch Services jeglicher Art anbieten. Das nennen wir Open X. In Open X werden Daten nahtlos ausgetauscht und die Ökosystempartner arbeiten wesentlich intensiver zusammen. Unsere Untersuchungen zeigen, dass sowohl Banken als auch FinTechs zukünftig noch deutlich offener sein müssen, als viele bisher dachten.»
Die Kurzdefinition von Open X nach Lesart von Capgemini
Bei Open X handelt es sich um eine effektivere, strukturiertere Form der Zusammenarbeit – ermöglicht durch die Standardisierung der Anwendungsprogrammschnittstellen (Application Program Interface / API) und durch gemeinsame Erkenntnisse aus Kundendaten. Dieser integrierte Marktplatz schafft spezialisierte Rollen für jeden Akteur und ermöglicht einen nahtlosen Austausch von Daten und Dienstleistungen. So kann er die Kundenzufriedenheit steigern und die Produktinnovation beschleunigen.
Welche Veränderungen sind durch Open X zu erwarten?
Capgemini ist überzeugt davon, dass Open X die Normen der Finanzdienstleistunsbranche verändern wird. Die Studienautoren sind der Ansicht, dass Open X von den folgenden vier grundlegenden Veränderungen angetrieben wird:
1. einem Umschwenken vom Fokus auf Produkte hin zum Fokus auf das Kundenerlebnis
2. der Entwicklung von Daten zur entscheidenden Ressource
3. der Abwendung von einer proprietären Betrachtung des Kunden und seiner Daten, hin zur gemeinsamen Nutzung dieser Informationen
4. ein häufigeres Eingehen von Innovationspartnerschaften statt eigene Lösungen zu entwickeln
Der Bericht hält fest, dass Open X die Finanzdienstleistungsbranche zu gemeinsamen Ökosystemen und geteilten Marktplätzen führen wird, in denen Produkte und Dienstleistungen neu gebündelt werden. In der Folge, so die Autoren, müssen sowohl Banken als auch FinTechs und andere Partner ihre Strategien für Innovation und Kundenbetreuung neu bewerten.
APIs im Zentrum
Capgemini bezeichnet, wenig überraschend und aus naheliegenden Gründen, APIs als die zentralen Tore zu Open X und als Katalysatoren zur Entstehung des Open X-Markplatzes. Allerdings APIs, die gemeinsamen Standards folgen, weil die aktuelle API-Vielfalt im Open Banking mehr Hürden setzt als wirkliche Öffnung schafft.
Noch mehr Partner im Boot – wie soll das gehen?
Die Frage zielt nicht auf technische Hürden, die sind lösbar, es geht um die Monetarisierung. Der World FinTech Report 2019 hat auch auf diese Frage Antworten parat, die bei Banken und FinTechs erhoben worden sind. Demnach prüfen die Branchenakteure zwei potenzielle Monetarisierungsmodelle für APIs:
Revenue Sharing
Dieses Modell halten 60 Prozent der Banken und 70 Prozent der FinTechs für machbar.
API-Zugangsgebühren
Diese Idee wird von 46 Prozent der Banken und von 55 Prozent der FinTechs unterstützt.
Allerdings: Aktuell sieht sich nur etwa ein Drittel der Führungskräfte von Banken in der Lage, APIs zu monetarisieren.
Die Bedenken der Banken und die Barrieren für FinTechs
Der Studienbericht hält fest, dass Banken und FinTechs unisono erklären, dass sie die Bedeutung einer intensiven Zuammenarbeit sehen. Eine deutliche Hürde baut sich im Bereich Datenschutz und Sicherheit auf.
Was beunruhigt die Kooperationspartner schon beim Open Banking?
Banken: Datensicherheit (76 Prozent), Kundendiskretion (76 Prozent) und Kontrollverlust über Kundendaten (63 Prozent).
FinTechs: 50 Prozent äusserten sich besorgt über Sicherheit und Datenschutz und 38 Prozent über einen Kontrollverlust bei Kundendaten.
Die Hindernisse für eine effektive Zusammenarbeit
Interessant auch die Antworten von Banken und FinTechs auf die Frage, was denn einer effektiven Zusammenarbeit im Wege steht.
Unterschiede in der Unternehmenskultur und Mentalität
66 Prozent der Banken und 70 Prozent der FinTechs erkennen in diesem Punkt Probleme.
Prozessbarrieren
Von 52 Prozent der Banken und 70 Prozent der FinTechs ins Feld geführt.
Mangel an langfristigen Visionen und Zielen
54 Prozent der Banken sowie 60 Prozent der FinTechs sehen hier Defizite bei Kooperationspartnern.
Wer hat den richtigen Open Banking-Kooperationspartner bereits gefunden?
Nur 26 Prozent der Führungskräfte von Banken und 43 Prozent der FinTech-Führungskräfte gaben an, den richtigen Open Banking-Kooperationspartner bereits gefunden zu haben.
Für die Studienautoren ein Indiz dafür, dass viele Banken und FinTechs auf Open Banking weiterhin schlecht vorbereitet sind – und damit erst recht auf die gestiegenen Anforderungen an den Datenaustausch und die Integration, die Open X mit sich bringen wird.
Wer spielt in Zukunft welche Rolle?
Die Studienautoren vertreten die Ansicht, dass Open X-Teilnehmer strategische, spezialisierte Rollen besetzen müssen. Innerhalb des Open X-Marktplatzes sollten die Banken zunächst ihr integriertes, traditionelles Modell optimieren und sich dann auf Bereiche spezialisieren, in denen sie besondere Stärken haben.
Der WFTR 2019 identifiziert drei strategische Rollen, die sich voraussichtlich als Teil von Open X entwickeln werden:
- Anbieter werden Produkte und Dienstleistungen entwickeln
- Aggregatoren werden Produkte und Dienstleistungen auf dem Markt sammeln, sie über eigene Kanäle vertreiben und Kundenbeziehungen pflegen
- Orchestratoren werden als Koordinatoren des Marktes die Interaktion der Partner ermöglichen
Die Studie kommt zum Schluss, dass ein Ökosystem aus Spezialisten Vorteile gegenüber integrierten Unternehmen haben und beispielsweise eine schnellere Time-to-Market erreichen wird sowie den individuellen Anforderungen der Kunden besser gerecht werden kann.
Die Ergebnisse der Studie könnten deutlicher nicht sein: Zusammenarbeit wird die Grundlage für die Zukunft der Finanzdienstleistungen sein
Vincent Bastid, Generalsekretär von Efma, fasst die Erkenntnisse der Studie zusammen und sagt:
«Nur durch Zusammenarbeit und die Übernahme neuer, spezialisierter Rollen können sowohl Banken als auch FinTechs Erfolg haben und ihre Kunden optimal bedienen. Es ist klar, dass es nach wie vor viele Hindernisse für die Zusammenarbeit gibt – doch es ist dringend nötig, sie zum gegenseitigen Nutzen zu überwinden.»
Die Studie zum Runterladen
Der World FinTech Report 2019 geht in zahlreichen Punkten vertieft ins Detail und liefert auf 36 Seiten Fakten, Einsichten und konkrete Empfehlungen. Der Bericht steht in englischer Sprache bei Capgemini kostenlos zum Runterladen zur Verfügung, über den Link gleich unten.