Je nach Unternehmen, Möglichkeiten und Temperament stehen inzwischen zahlreiche Lösungen, Plattformen und Tools zur Verfügung, die von Banken und Finanzdienstleistern genutzt werden können. Wie der ultimative Werkzeugkasten ausgerüstet ist, hängt davon ab, was bereits vorhanden ist. Oder auch davon, was genau dem Markt und Kunden neu angeboten werden soll.
Mit zu den Überlegungen gehören sicher auch die Grenzen und Möglichkeiten der bestehenden IT oder die Flexibilität und Belastbarkeit des Kernbankensystems. Und nicht zuletzt spielt die gewählte Strategie der kleinen oder der grossen Schritte eine Rolle, flexible Anwendungen und Erweiterbarkeit müssen gegeben sein, damit keine Sackgassen gebaut werden.
Insellösungen oder offene Systeme?
Soll ab und zu handverlesen ein neuer Partner mit ins Boot geholt werden, ist das mehr eine Kooperation und noch weniger Open Banking. Die dazu notwendigen Schnittstellen (APIs) bedingen in der Regel keine aufwendigen Systeme und können mit eigenen Ressourcen gestemmt werden. Grenzen werden allerdings spürbar, wenn eines Tages dann doch der Sprung von einzelnen Kooperationen zu "richtigem" Open Banking vollzogen werden soll. Oder wenn die proprietäre API nicht nur fürs eigene Haus und einige Partner stimmen, sondern auch zum Rest der openbankenden Welt passen soll. Und der Hintergrund der Regulierung (PSD2 für EU-Banken und Europa) kann auch für die Schweiz ins Zentrum rücken, wenn aus unterschiedlichen Gründen eine PSD2-analoge Regulierung wichtiger werden sollte.
So oder so lohnt sich ein permanenter Blick auf Initiativen, welche Gemeinsamkeit und Harmoniserung im Fokus haben. Zum Beispiel die im März 2018 veröffentlichten NextGenPSD2-Standards der Berlin Group oder auch die Swiss Open Finance API (SOFA) von Swiss FinTech Innovations, welche sich ebenfalls an den Standards der Berlin Group orientiert und ihre SOFA-Version 1.0 im Mai 2018 vorlegen will.
Brötchen aus der eigenen Backstube oder eingekaufte und erweiterbare Lösungen?
Je nach Plänen, Ressourcen, Know-how und aktuell laufenden IT-Systemen und Umgebungen, geht's in die eine oder andere Richtung. Kleine Brötchen können eine gute Lösung sein für Pilotprojekte und Annäherungen ans Thema, um Erfahrungen zu sammeln. Ist die eigene Backstube so ausgestattet, dass kleine Brötchen jederzeit zu ausgewachsenen Broten erweitert werden können, verliert man auf dem Weg zum Open Banking auch keine Zeit.
Fehlen Bäcker, Rezepte, Know-how und Backstube, genügt eine klare Strategie, die dann mit externen Partnern realisiert werden kann.
Ist vieles, aber noch nicht alles vorhanden, liegt der möglicherweise erfolgversprechende Weg in einer Mischform und in einer strategischen Partnerschaft mit einem externen Lösungsanbieter. Ein Weg, den zum Beispiel die Hypothekarbank Lenzburg geht, welche als erste Bank 2017 mit ihrem Open Banking-Projekt in der Schweiz einen Meilenstein gesetzt hat. Die Lenzburger arbeiten mit dem Münchner FinTech NDGIT zusammen, das sich auf Lösungen rund um PSD2 und Open Banking spezialisiert hat.
Marianne Wildi, CEO der Hypothekarbank Lenzburg, zu den Gründen für ihre Wahl:
Wir haben uns aufgrund der Technologie und Erfahrung für die API-Banking-Spezialisten von NDGIT entschieden, deren Open Banking Plattform uns eine flexible, neutrale und unkomplizierte Integration ermöglicht
NDGIT steht für Next Digital Banking und liefert die erste API-Plattform für Banking und Insurance. Diese verbindet Banken und FinTechs mit digitalen Ökosystemen. Die Technologie macht es der Bank möglich, sich für digitale Partner mit Open Banking APIs und PSD2-Lösungen zu öffnen. Damit bildet die FinTech-Plattform der NDGIT das technologische Rückgrat für neue Anwendungen und IT-Landschaften in Banking und Insurance.
Die Strategie der Kundenbindung über Öffnung
Die Erfahrungen der Hypothekarbank Lenzburg werden inzwischen von zahlreichen Finanzinstituten geteilt, innerhalb der EU noch mit einem verstärkten Fokus auf die PSD2. Aktuelles Beispiel dafür ist die Bank für Sozialwirtschaft, welche über die Open Banking Plattform der NDGIT die PSD2 nach Berlin Group Standard implementiert. Mit dem Ziel, die zukünftige Vernetzung mit digitalen Partnern zu realisieren und sich damit über neue, attraktive Services von Drittanbietern zu positionieren.
Mit diesem Schritt ist die Bank für Sozialwirtschaft in der Lage, Partner mit neuen Services zu unterstützen und dabei alle digitalen Kanäle aus einer Quelle effizient zu bewirtschaften. Die Sozialbank fokussiert auf die Wünsche ihrer eigenen Kunden und bietet deshalb an ihren digitalen Kundenschnittstellen auch zusätzliche innovative Angebote von FinTechs, um das Service- und Produktportfolio zu erweitern. Eine Strategie der Kundenbindung über Öffnung.
Pascal Schüller, Business Architect der Bank für Sozialwirtschaft, formuliert die Zielsetzung der Kooperation mit folgenden Worten:
Mit NDGIT realisieren wir unsere Digital Banking-Strategie. Die Plattform ist zugleich der Microservice-Layer, um unsere digitalen Kanäle zu orchestrieren. Die PSD2-Software ermöglicht es uns, die regulatorischen Anforderungen sehr effizient zu implementieren. Ausschlaggebend für unsere Partnerschaft mit NDGIT ist die ausgereifte API-Plattform die bereits erfolgreich im europäischen Bankeneinsatz ist.
Über Ziele, Wege und Erfahrungen verschiedener Anbieter und Banken werden wir in nächster Zeit ausführlicher berichten.
Welche Ziele werden mit Open Banking verbunden?
Sollen Daten aus verschiedenen Online Banking-Konten von Nutzern analysiert oder in aggregierter Form für neue Services verwendet werden? Spielt die PSD2 mit eine Rolle, welche regelkonform über eine flexible Open Banking-Plattform umgesetzt werden soll? Stehen die Leistungen von Drittanbietern und FinTechs im Vordergrund, welche das eigene Leistungsangebot attraktiver machen und zusätzliche Punkte bei Kunden für die Zukunft des Bankings bringen sollen? Oder soll das eigene Unternehmen, Bank oder Versicherer, fit gemacht werden für ein wachsendes Ökosystem, das aktiv bewirtschaftet werden kann und das sich laufend erweitert?
Open Banking ist ein grosses Programm mit einer flexiblen Orchestrierung. Die Wege zur eigenen Auslegung des Programms führen über konkret formulierte Ziele und eine ebenso klare Strategie. Diese Strategie definiert dann auch nächste Schritte und Entscheidungen. Zum Beispiel, ob mit kleinen Brötchen Erfahrungen gesammelt werden sollen oder ob Ressourcen, Know-how und Infrastruktur bereits für die grossen Backwaren ausgelegt sind. Und auch, welche Lösungen und Systeme eingesetzt werden, welche Partner mit ins Boot geholt werden und welcher Werkzeugkasten der richtige ist.
Zuerst eine klare Strategie und dann der richtige Werkzeugkasten
Die Zahl der Anbieter von Software, Plattformen und Systemen wächst. Ebenso die Zahl der Finanzdienstleister, die Open Banking nicht als Eingriff in die persönliche Freiheit sehen, sondern schlicht als neue Freiheit für Kunden begreifen, welche ihr individuelles Banking zunehmend anders und sehr viel breiter definieren werden. Wie man's auch betrachten mag und welche Position man auch immer in eigenen oder in fremden Ökosystemen besetzen oder nicht besetzen will – eine Vielzahl von Wegen und möglichen Spielformen steht offen, um Strategien umzusetzen und Ziele zu erreichen.
Die Risiken liegen nicht im Erproben und Erfahrungen sammeln, im Gegenteil. Das wirkliche Risiko liegt darin, keine klare Strategie zu verfolgen. Das ist nicht neu und war immer schon so, schlägt allerdings in Zeiten von Digitalisierung, neuen Technologien, verschärftem Tempo der Entwicklung und veränderten Kundenwünschen sehr viel stärker durch. Der Unterschied zu früher liegt deshalb möglicherweise darin, dass Versäumnisse der Gegenwart von Anbietern sehr viel schneller als Defizite erkannt und quittiert werden, vom Markt und von Kunden.