Nicht allen ist bewusst, dass es in der Schweiz zwei regulierte Börsen gibt:
Einerseits die allen bekannte SIX Swiss Exchange, welche am 17. Mai 1995 aus der Fusion der Zürcher, der Genfer und der Basler Börse hervorgegangen ist.
Auf der anderen Seite besteht nach wie vor eine Börse, welche sich damals dem Konglomerat der fusionierten Börsen nicht angeschlossen hat und bis heute eigenständig geblieben ist, die BX Swiss.
Die Berner Börse
Die in der Umgangssprache sogenannte “Berner Börse” wurde am 10. November 1884 als Berner Börsenverein gegründet und ist bis ins Jahr 2014 auch weiterhin als Verein betrieben worden. Danach wurde der Verein und dessen Börsenlizenz in eine AG umgewandelt und in BX Swiss AG umbenannt, welche ihren Sitz zwar noch in Bern hat, operativ jedoch aus Zürich heraus agiert. Die BX Swiss wurde wiederum per 1. April 2018 an die Stuttgarter Börse verkauft.
Ein CEO mit Visionen
Der neue CEO der BX Swiss, Harald Schnabel, ist ein “alter Fuchs” und in der Branche bestens bekannt. Er war auch Gründer der EUWAX im Jahr 1999, aus welcher das spezielle Handelssegment für verbriefte Derivate an der Stuttgarter Börse entstand. Dieses Segment ist mittlerweile zur “Cash Cow” der Stuttgarter Börse herangewachsen und wird als Begründung dafür angegeben, warum das ebenfalls auf Derivate spezialisierte Joint Venture von SIX Exchange und der Frankfurter Börse SCOACH nie erfolgreich werden konnte und schlussendlich im Jahr 2013 aufgelöst wurde.
Harald Schnabel, der sich als Privatier schon vor vielen Jahren in einer Gemeinde am Zürichsee niedergelassen hat, wollte es offenbar noch einmal wissen, als er mitbekommen hatte, dass die Berner Börse zum Verkauf stand.
Mit einem kleinen, aber erstklassigen Expertenteam aus Stuttgart und Zürich hat er sich nun aufgemacht, die BX Swiss aus dem Dornröschenschlaf zu küssen, um den Lokalmatador SIX Swiss Exchange das Fürchten zu lehren.
Es gebe ein paar “Low Hanging Fruits”, verriet Schnabel in einem persönlichen Gespräch dem Schreiber dieser Geschichte. Eine davon sei durchaus die Emission und der Handel von verbrieften Derivaten, sprich von strukturierten Produkten. Denn hier wäre nicht nur im Bereich der Kosten, sondern auch in verschiedenen weiteren Bereichen einiges an Innovation machbar.
Der Berner Handelsplatz für Derivate: deriBX
Deshalb hat die BX Swiss bereits Ende Oktober 2018 bekanntgegeben, dass sie ein neues Handelssegment für strukturierte Produkte starten werde mit dem Namen: deriBX.
In dieser Ankündigung wird festgehalten, dass deriBX auf einem innovativen Marktmodell basiert, welches es den Emittenten dieser strukturierten Produkte ermögliche, als Market Maker ein hohes Mass an Liquidität bereitzustellen. Anleger würden von engeren Spreads (Unterschied zwischen Ankauf- und Verkaufspreis) für höhere Volumina profitieren. Erwartet wird dabei, dass der Anleger nicht nur mit hoher Wahrscheinlichkeit beim Ankauf eines solchen Produktes den angestrebten Preis erhält, sondern vor allem auch beim Verkauf sehr schnell raus kommt zu einem guten Preis.
Harald Schnabel, der CEO der BX Swiss, hat die Ziele des neuen Segments deriBX damit umschrieben, dass die BX Swiss den börslichen Handel mit strukturierten Produkten insgesamt beleben will. Zumal die Schweiz in dieser Anlageklasse nach ausstehendem Volumen zwar der grösste Markt in Europa wäre, bisher aber nur relativ geringe Börsenumsätze aufweisen würde. Das soll sich mit deriBX und durch ein breiteres Angebot an börsengehandelten Produkten ändern.
Der erste Emittent: Commerzbank
Die BX Swiss hat Anfang Dezember 2018 bekanntgegeben, wer der erste Emittent auf dieser Plattform sein wird, der im Segment deriBX an der BX Swiss strukturierte Produkte handelbar machen wird. Die Commerzbank Schweiz macht den Start, was Dominique Böhler, Head of Equity Markets and Commodities Schweiz der Commerzbank, mit folgenden Worten kommentiert:
Das Segment deriBX erlaubt es uns als Emittent und Market Maker, Anlegern in der Schweiz hohe Handelsqualität zu bieten. Zudem ist die BX Swiss ein geeigneter Partner, um auf die Dynamik im Markt für strukturierte Produkte einzugehen und diesen aktiv mitzugestalten.
Im ersten Quartal 2019 ist der Handelsstart im Segment deriBX geplant – die Commerzbank will ein breites Spektrum an Hebelprodukten kotieren: Warrants, Knock-out-Produkte und Faktor-Zertifikate, welche sich auf Baisiswerte wie Aktien und Indizes aus der Schweiz, Europa oder den USA beziehen.
Wettbewerb und Innovation
Bemerkenswert ist übrigens, dass sich im Mai 2018 SIX Swiss Exchange zu einer markanten Reduktion der Gebühren veranlasst sah, gerade auch im Bereich der strukturierten Produkte. Das muss nicht unbedingt etwas mit dem plötzlichen Eintritt des Angstgegners EUWAX/Stuttgarter Börse in den Schweizer Markt über BX Swiss zu tun haben, wird jedoch Anleger auf der einen wie auch auf der anderen Seite freuen. Zudem können tiefere Gebühren den Markt insgesamt zusätzlich beleben.
Ob das Börsenjahr 2019 generell ein gutes werden kann, steht noch in den Sternen. Einen Gewinn haben die Schweizer Anleger jedoch bereits heute eingefahren:
Der neu erstarkte Mitbewerber BX Swiss bringt frischen Wind, gesunden Wettbewerb und damit auch tiefere Kosten. Und auf beiden Seiten, SIX Swiss Exchange und BX Swiss, dürfte auch die Lust auf Innovation befeuert werden.