Ich werde in letzter Zeit oft von Kollegen aus der Branche gefragt, warum wir als Versicherungs-Unternehmen auf Social Media-Kanälen wie Tiktok, Pinterest, Instagram oder – ganz aktuell – auf Clubhouse präsent sind. Auf Tiktok gäbe es doch angeblich nur singende Kinder und alberne Videos zu sehen. Und jetzt noch das mega-gehypte Clubhouse. Motto: Nur wenige haben es, aber alle sprechen darüber. Unterschwellig klingt dann durch: Die machen also jeden Trend mit, der gerade hip ist…
Das aber ist grundlegend falsch. Ich werde erläutern, warum.
Eine Zeitreise
Beginnen wir mit einer kleinen Zeitreise. Vor zwei Jahren noch hatte OCC ganz "Old School" lediglich einen Facebook-Account und eine Homepage. Das waren die Adressen im Internet. Facebook wurde eher widerwillig und lustlos bespielt, die Abonnentenzahlen dümpelte bei einigen Hundert Usern dahin, Interaktion Fehlanzeige. Die Homepage diente mehr oder weniger als digitale Visitenkarte des Unternehmens mit kurzen Text-Infos zu den Produkten und wie man OCC erreichen kann. Das war weder modern, noch effektiv, geschweige denn vertriebsfördernd.
Das vor sich hinschlummernde Potenzial wurde noch nicht erkannt. Mitte 2019 forcierten wir dann den digitalen Umbruch. Monate später, kurz vor dem Ausbruch der Pandemie, ging eine neue Homepage samt volldigitaler Angebotsstrecke live. Unsere Facebook-Aktivitäten weiteten wir auf unsere Märkte in Österreich und der Schweiz aus. Pinterest, Instagram, LinkedIn, Youtube folgten als neue Kanäle, um unsere Brand-Awareness zu steigern (heutige organische Reichweite aller Kanäle zusammen: rund 1,7 Millionen Nutzer pro Monat). All dies lief übrigens, obwohl wir zu diesem Zeitpunkt mit veralteter IT und Serviceproblemen zu kämpfen hatten.
Wir gehen dahin, wo die Kunden sind
Wir haben erkannt: Die digitale Kommunikation mit Endkunden ist enorm wichtig. Und mit den neuen Social Media Networks gehen wir dahin, wo die Kunden sind! Wir sahen in der Pandemie-Zeit einfach die Chance, Kunden und Vermittlern ein digitales Angebot zu machen. Sind das alles Entscheidungen aus dem Bauch heraus? Nein! Bevor wir einen neuen Kanal testen, unterziehen wir unser Engagement einer gründlichen Analyse auch mit externen Experten: Was und wen wollen wir erreichen? Das Ziel muss klar abgesteckt sein. Und auch Scheitern ist erlaubt.
Tiktok mag auf den ersten Blick nicht zu uns passen – es sei ja die Plattform der Generation Z, hört man oft. Das stimmt nur zum Teil. Laut der Hamburger Social Media-Agentur Intermate sind zwar 83 Prozent der Tiktok-User in der DACH-Region zwischen 13 und 24 Jahren. "Gleichzeitig ist der Anteil in der Altersgruppe der 25- bis 34-Jährigen im zweiten Halbjahr 2020 um 6 Prozentpunkte gestiegen und liegt nun bei 15 Prozent", so die Analyse des Unternehmens im Branchenmagazin Horizont. Aktuell sind sogar 41 Prozent der User über 25 Jahre alt.
OCC hat auf Tiktok inzwischen 1'800 Follower und generiert eine organische Reinweite von 500'000 Views. Alte, schicke Automobile in kurzen Bildern und Videos kommen gut an. Viele User dort haben sicher zum ersten Mal von OCC gehört, aber sie werden sich den Namen vielleicht merken oder ihren Eltern davon erzählen. Überrascht hat uns dann doch, als sich Tiktok-Nutzer plötzlich als OCC-Kunden outeten, die sogar mehrere Oldtimer bei uns versichert hatten. So eine Fanbasis muss natürlich mit Merchandising versorgt werden. Die Gründung eines OCC-Shops war die Folge (hier gibt es Fanartikel zur Oldtimer-Thematik und bald sogar Gin). Das ist alles Teil eines übergeordneten Plans des Community Buildings – weg vom reinen Produktverkauf.
Versicherer und Banken auf Tiktok
Auf Tiktok sind wir natürlich nicht der einzige Versicherungs- und Finanzkanal. Die Volksbank Mittelhessen und die Cosmos Direkt unterhalten dort schon etwas länger das Publikum. Faszinierend war für uns auch der Kanal des Insurtech Influencers Dr. Robin Kiera, der sich konsequent innerhalb weniger Monate eine eigene Tiktok-Community mit über 100'000 Followern aufbaute. Sein Rezept: frisch und witzig aufbereitete, kurze Clips zum Thema Versicherungen und Altersvorsorge. Seine Sprache ("Diggiee") trifft den Zeitgeist, er bekam sogar von der Community einen eigenen Hashtag: #teamdiggie.
Inzwischen versorgt Robin Kiera seine Fans über einen eigens eingerichteten Onlineshop mit Merchandising – von der Kaffeetasse bis zum Basecap. Sein Fazit im Versicherungsjournal: "Für wen die immense organische Reichweite bei Tiktok kein Argument mehr ist, 2021 ernsthaft in Tiktok zu investieren, für den sollte die Möglichkeit dort Geld zu verdienen, ein Argument sein. Tun Sie das Richtige."
Social Audio im Trend
Und noch ein Trend fasziniert derzeit die Marketing-Welt: Social Audio, oder etwas genauer: audiobasierte Gruppenchats. Was die Gaming-erprobte Generation Z schon seit Jahren praktiziert, nämlich auf Plattformen wie Steam, Teamspeak, Overtone oder Discord in Echtzeit und live auf Audiobasis miteinander zu kommunizieren, begeistert jetzt auch Erwachsene. Bei Apps wie Clubhouse oder Cappuccino können Nutzer ihre eigenen Audio-Veranstaltungen als virtuelle Räume erstellen und weitere Redner und Zuhörer einladen. OCC hat auf Clubhouse bereits Talks zum Thema Oldtimer und Versicherungen veranstaltet – mit Erfolg. Weitere werden folgen. Podcast-Formate testen wir auch erfolgreich bei Spotify.
OCC – von der Oldtimerversicherung zum Medienunternehmen?
Warum nicht, man muss als Versicherer kontinuierlich auf dem Radar von Kunden und Leads sein. Marketing beinhaltet auch journalistische Arbeit. Durch die Erweiterung der Geschäftsfelder ist man am Ende nicht nur Versicherer, sondern in gewisser Weise auch Medienunternehmen. Aber noch nie war es so einfach und noch nie hat es so viel Spass gemacht, mit Kunden und Geschäftspartnern zu kommunizieren und – im wahrsten Sinne des Wortes – seinen Horizont zu erweitern.