Die Aufzählung der in der Schweiz aktiven Neo- und Challenger-Banken ist komplett, aber nicht vollständig. Komplett deshalb, weil (fast) alle der heute bekannen Neo-Banken in ihrem Kernangebot die klassischen Leistungen von Konto, Karte und Zahlungsverkehr bewirtschaften – für alle – mit jeweils mehr oder auch weniger Services um das Kernangebot herum. Das tun sie in der Regel digitaler, schneller, kostengünstiger und meistens auch smarter als traditionelle Banken, aber: die Zeit der "klassischen" Neo-Banken für alle ist vorbei, eine weitere Neo-Bank dazu mit dem bekannten Basisangebot wird kaum Erfolg haben. Es sei denn, sie startet bereits mit dem laufend erweiterten Komplett-Angebot einer Revolut oder mit der Aggressivität und dem russischen Biss einer Vivid (aktuell noch nicht in der Schweiz aktiv). Beides ist unwahrscheinlich, deshalb sind aktuell keine weiteren "normalen" Neo-Banken am Horizont erkennbar.
Nicht vollständig ist die Liste deshalb, weil zweifellos weitere Neos und Challengers kommen werden. Diese bedienen jedoch eine Nische, fokussieren auf eine bestimmte, engere Zielgruppe oder agieren exklusiv in einem spezialisierten Bereich. Beispiele dafür sind Fea Money, die Bank für Frauen, oder Klarpay (Fokus auf digitale Startups und Internet-Unternehmem) und auch Mogli (Fokus auf Payment-Lösungen). In der Nische und mit erstklassigen Services für spezifische Zielgruppen sind nach wie vor alle Chancen intakt.
Die Analyse der Schweizer Challenger- und Neo-Banken
Ein Kurz-Analyse, welche nicht die Leistungen der einzelnen Neos vergleicht. Die sind sich, mit einigen Ausnahmen, oftmals auch sehr ähnlich – zudem haben direkte Leistungsvergleiche andere Autoren schon mehrmals sehr kompetent gemacht und publiziert, zum Beispiel hier und hier.
In unserer Analyse beleuchten wir den aktuellen Status, die Besonderheiten und vor allem die möglichen Potenziale und zukünftigen Entwicklungen der einzelnen Neo-Banken – in der Reihenfolge ihres Markteintritts. Die aufgeführte Zahl der aktiven Nutzerinnen und Nutzer basiert durchwegs auf den Angaben der jeweiligen Neo-Bank.
Zak, die Wegbereiterin aus dem Hause Cler
Markteintritt: März 2018
Aktive Kunden Februar 2021: über 40'000
Zak darf sich den Pokal der "ersten Smartphone-Bank der Schweiz" ins Regal stellen. Die Neo-Bank der Bank Cler scheint als Startup gewisse Freiheiten zu geniessen, die koordiniert mit dem Mutterhaus ausgespielt werden. Zak wächst nicht berauschend, aber solide und kontinuierlich.
Das wird wahrscheinlich auch in Zukunft so bleiben. Mit Zak hat die Bank Cler die Neo-Bank dazu, das verschafft dem Mutterhaus erweiterte Möglichkeiten, um Produkt-Innovationen "richtig" zu platzieren und unterschiedliche Kundengruppen unter das gemeinsame Dach von Cler und Zak zu holen.
Zak ist in der komfortablen Position, nicht unbedingt kostendeckend oder gewinnbringend arbeiten zu müssen – mit Bank Cler und der Basler Kantonalbank im Rücken kann der digitale Produktionskanal für junge Neukunden auch unter dem Marketingsegel positioniert werden. Auch dieser Umstand verschafft Zak für die Zukunft eine gute Prognose – stabile Produktionskanäle funktionieren nicht unbedingt wie ein Feuerwerk, brennen jedoch deutlich länger.
Neon, die Erfolgsverwöhnte ohne erkennbares Geschäftsmodell
Markteintritt: März 2019
Aktive Kunden aktuell: über 70'000
Neon ist seit dem Start vor zwei Jahren sehr gut finanziert, vor allem durch die TX Group (Tamedia). Das FinTech schöpft seine Möglichkeiten im Marketing aus, wächst schnell und will Ende 2021 bei 100'000 Kunden landen.
Das Angebot in Funktionen und Features ist gut und solide, sprengt jedoch bisher nicht die Standards, die man von einer Neo-Bank auch erwartet.
Auch wenn das FinTech Neon weiterhin erfolgreich arbeitet und schnell skaliert, bleibt von aussen betrachtet unklar, wie sich Investitionen zurückspielen sollen und wie dauerhaft Erträge generiert werden können. Das Hauptangebot besteht aus einem kostenlosen Konto und das FinTech glänzt durch sehr tiefe Gebühren. Das erst kürzlich gestartete Angebot Neon Green für 5 Franken pro Monat ist eine Ergänzung, wird das kostenlose Neon Free jedoch nicht ablösen. Laufende Erträge über Kartenumsätze und Interchange Fees werden kaum ausreichen, um die Kosten zu decken oder Rentabilität zu erreichen.
Eine Vision ist zweifellos vorhanden, sie ist von aussen einfach nicht erkennbar. Ob in absehbarer Zeit zusätzliche Ertragskanäle geschaffen werden oder ob die TX Group als Hauptinvestorin mit Neon ganz andere Pläne im Sinn hat, wird sich zeigen. Zumindest lässt die Verbindung von Smartphone-Bank und Verlagshaus Gedankenspiele rund um interessante Ökosystem-Optionen zu.
Yapeal, die Mehrspurige mit brisantem Überraschungs-Potenzial
Markteintritt: Juli 2020
Aktive Kunden: Stand März 2021 rund 6'000 Kunden, aktuell "mit Hochdruck" unterwegs zur ersten fünfstelligen Zahl (10'000)
Nach eigenen Aussagen will die Neo-Bank nicht schnell und um jeden Preis skalieren, sondern nachhaltig wachsen. Deshalb orientiert sich das FinTech nicht an den Kundenzahlen anderer Neo-Banken, man verfolgt eigene Pläne.
Dazu gehört, und das ist eine Exklusivität, dass Yapeal zwei Zielgruppen im Visier hat: Privatkunden und das KMU-Segment. Der Schwerpunkt Geschäfts- und KMU-Kunden dürfte ein hohes Gewicht haben, die strategische Partnerschaft mit dem Softwarehaus Abacus weist stark in diese Richtung. Das von Abacus und Yapeal gemeinsam verfolgte Projekt der Deep Box, Details dazu hier und hier, birgt Potenzial in mehrere Richtungen.
Yapeal hat das stärkste Entwickler-Team an Bord, das sich eine Challenger-Bank wünschen kann, überzeugt mit erstklassiger und solider Software und weiss zudem als einzige Schweizer Neo-Bank, wie Real Time Banking funktioniert und was sich damit anfangen lässt.
Die Neo-Bank ist Inhaberin der Schweizer FinTech-Lizenz, hat alle zentralen Ressourcen im eigenen Haus und setzt auf B2C und B2B. Mit diesem Paket in Kombination mit den Deep-Box-Plänen und Projekten in der Mache, die heute noch nicht kommuniziert sind, ist Yapeal eigenständig aufgestellt und interessant positioniert.
Sofern das erst einjährige FinTech weitere notwendige Finanzierungsrunden der Zukunft erfolgreich abschliessen kann, gehört Yapeal zu den Neo-Banken mit brisantem Potenzial und bleibt gut für jede Art von Überraschungen.
CSX, die digitale Tochter als neues Spielfeld für die Kunden der Mutter
Markteintritt: Oktober 2020
Aktive Kunden: "eine fünfstellige Zahl an Nutzerinnen und Nutzern"
Die Neo-Bank der Credit Suisse gehört zu den FinTechs, die sich über ihre Finanzierung und über Rentabilität erstmal keine Sorgen machen müssen. So gesehen gehört die von uns gestellte und von der Credit Suisse auch beantwortete Frage nach der Zahl der aktuell aktiven Kunden eher zu den Imagefaktoren, weniger zu den vitalen Notwendigkeiten. Zumal CSX auch erst seit acht Monaten im Markt operiert.
War CSX zum Start wahrscheinlich eher als Kanal zur Gewinnung von Neukunden gedacht, wird die Smartphone-Option jetzt auch bestehenden CS-Kunden als smarte Alternative zur bisherigen Kontobeziehung empfohlen. Der Zustrom von weiteren Kundinnen und Kunden könnte neu also aus zwei Richtungen erfolgen, sofern genügend Wechselwillige gefunden werden.
Von aussen betrachtet scheint CSX sehr viel näher am Mutterhaus zu operieren als zum Beispiel Zak oder vor allem Yuh. Die Smartphone-Bank-Schiene dürfte für die Credit Suisse längerfristig zur zusätzlichen Plattform werden, um klassische Bankprodukte aus dem Mutterhaus zu platzieren.
In der Kommunikation positioniert die Credit Suisse selbst CSX mit der Frage: "Geht Banking nicht einfacher?" – "Klar geht das", sagt die Bank und liefert "Eine Bank, die sich wie eine App anfühlt".
Deshalb ist CSX kein Startup mit "wilden" Innovationen und wird es wahrscheinlich auch in Zukunft nicht sein. Weil es das gar nicht sein soll. Die Credit Suisse ist mit CSX als hybride Bank unterwegs und bietet mit diesem Konzept nach eigenen Worten "das Beste aus zwei Welten". Wohin diese Reise führt, wird sich längerfristig zeigen.
Flow Bank, die vermeintlich Sanfte als Invest-Wolf im Schafspelz
Markteintritt: November 2020
Aktive Kunden: erste Zahlen wird die Flow Bank ein Jahr nach Markteintritt bekanntgeben, also im Herbst 2021
Das Genfer Startup mit Banklizenz darf alles anbieten, was eine Bank ausmacht: Konto, Karte, Zahlungsverkehr und mehr. Die Flow Bank positioniert sich über dieses "Mehr" und setzt dadurch klar andere Akzente als die bisher aktiven Schweizer Neo-Banken. In der Entwicklungsphase ruhig und zurückhaltend, bleibt die Neo-Bank seit ihrem Start letzten Herbst auch im Aussenauftritt und im Marketing wohl frisch und modern, aber dezent und moderat. Die Genfer setzen nicht auf Lärm, sie sind sich aus anderen Gründen ihrer Sache sicher.
Mit ihrer Investment- und Trading-Plattform schafft die Flow Bank für ihre Kunden den direkten Zugang zu über 50'000 Finanzprodukten und zu über 50 Finanzmärkten in der Schweiz, der EU, den USA und in Asien mit einem einzigen Multi-Währungskonto. Die Plattform läuft auf allen Devices, wer nicht auf Smartphone mag, handelt auf dem PC. Beim Aktienhandel als Lockstoff von Anfang an mit an Bord: die Möglichkeit von Fractional Shares, Aktien können in Teilen erworben und gehalten werden.
Die Flow Bank ist offen für Rookies und für erfahrene Anleger, bietet deshalb verschiedene Kanäle und Plattformen sowie Markt-Informationen und eine Vielfalt von Education, Kursen und Webinaren. Das Team um den Gründer Charles-Henri Sabet ist in Sachen Produktgestaltung, Design, Userführung, Angebote, Gestaltung der Gebühren, Services und Marketing extrem professionell unterwegs. Das ist unter anderem erkennbar durch eine Sprache (in Englisch, Französisch, Deutsch und Italienisch), die für alle verständlich bleibt und durch intelligent konzipierte Benutzer-Oberflächen, die übersichtlich und einfach bedienbar sind.
Das Startup muss nicht unbedingt neue Überraschungen schaffen, weil die Flow Bank selbst bereits die Überraschung ist – gestartet mit einem Vollpaket und Angeboten, die bisherige Anbieter mittelfristig in Nöte und Zugzwang bringen könnten. Insofern ist klar Potenzial vorhanden, um bei privaten und institutionellen Anlegern sowie auch bei traditionellen Konkurrenten und bei Neos für neue Bewegung zu sorgen.
Yuh, die Frische mit neuen Akzenten und Yuhuu-Potenzial
Markteintritt: Mai 2021
Aktive Kunden: mehr als 15'000
Yuh gehört zu den spannenden Startups – nur schon deshalb, weil es tatsächlich eines ist. Hinter der Neo-Bank stehen zwei Banken mit völlig unterschiedlicher Ausrichtung, Swissquote und Postfinance. Die Mutterhäuser scheinen nicht den Fehler gemacht zu haben, dem jüngsten Spross enge Fesseln anzulegen. Die Neo-Bank ist auf der grünen Wiese konzipiert worden und spürbar mit einer Startup-DNA unterwegs.
Das ergibt eine vielversprechende Konstellation – Freiheit und Möglichkeiten zur Innovation auf der einen Seite, zwei finanzkräftige Mütter auf der anderen Seite, welche den Boden und Hintergrund für Entwicklung und Expansion schaffen.
Die motivierten und engagierten Yuh-Macherinnen und -Macher haben zum Start gut vorgelegt. Die App geht in Funktionen, Userfreundlichkeit und Design eigene Wege. Über die klassischen Neo-Bank-Funktionen hinaus hat Yuh von Anfang an Aktien- und Kryptohandel mit an Bord, das dürfte eine gewisse Magnetwirkung haben. Das aktuell noch überschaubare Programm in diesem Bereich dürfte eher schnell erweitert werden.
Die Neo-Bank hat in wenigen Wochen 15'000 aktive User an Bord geholt, das ist bemerkenswert. Es ist zu früh, um für ein noch sehr junges FinTech zu lange in die Glaskugel zu schauen, aber: das Zukunfts- und Überraschungs-Potenzial ist vorhanden und interessant. Auch deshalb, weil die Macherinnen und Macher sich bewusst waren, dass sie mit Yuh in einen Markt einsteigen, der schon gut besetzt ist mit anderen Neo-Banken. Einfach eine weitere App dazu, dürfte als Plan und Ziel in den Köpfen der Initiatoren keine Rolle gespielt haben, da wird und muss mehr kommen.
Die britische und die deutsche Antwort auf die Schweizer Neo-Banken
Revolut und N26 sind bereits seit einiger Zeit auf dem Schweizer Markt aktiv, mit unterschiedlichen Ausrichtungen. Bei den beiden europäischen Neos wird es nicht bleiben. Wise als spezialisierte Anbieterin ist bereits da, Vivid holt erst Anlauf in anderen Märkten und auch weitere interessante Unternehmen dürften in Zukunft in der Schweiz eine Rolle spielen. Im Moment beschränken wir unsere Analyse auf die aktiven Mitspieler, die als klassische Neo- oder Challenger-Banken agieren.
Revolut, die Aggressive mit dem Caterpillar
Markteintritt Schweiz: 2017
Aktive Kunden Sommer 2020: 350'000, seither sind von Revolut keine aktualisierten Zahlen zu bekommen
Das britische FinTech mit dem griffigen Namen ist weltweit seit sechs Jahren in den Märkten aktiv und Revolut ist die Challenger-Bank unter den Neos. Aggressiv in der Strategie, forsch in Expansion und Wachstum, 350'000 der weltweit 15,5 Millionen Kunden leben in der Schweiz.
Unser Vergleich mit dem Caterpillar spielt auf das "grosse Gerät" an, mit dem Revolut in der Schweiz Kunden im Massen einsammelt. Ohne grosses Marketing, einfach so. Das FinTech hat aktuell die breiteste Palette an Services und Funktionen im Angebot, die allerdings noch nicht alle in der Schweiz verfügbar sind. Öffnet Revolut den Fächer, dürfte sich das zusätzlich positiv auf die Zahl der Kunden auswirken. Zudem erweitert das FinTech seine App laufend mit neuen Funktionen und strebt die Zielmarke der Super-App an.
Nach eigenen Aussagen betrachtet Revolut den Schweizer Markt als interessantes Jagdrevier. Wird die Challenger-Bank auch im Marketing aktiv und spürbar, was bisher noch nicht der Fall ist, dürfte sich der Druck auf Schweizer Banken, auch auf Neo-Banken, weiter verstärken.
N26, die Unentschlossene
Markteintritt Schweiz: September 2019
Aktive Kunden März 2021: "im gut fünfstelligen Bereich"
Die deutsche Neo-Bank N26 beschränkt sich seit ihrem Start in der Schweiz auf Euro-Konten. Die meisten Schweizerinnen und Schweizer dürften Apps vorziehen, die ihre Hauswährung unterstützen, deshalb ist das Angebot von N26 für einen eher kleinen Kreis von Kunden interessant.
Der Markteintritt von N26 dürfte als vorgezogener Posten zu verstehen sein, um eine erste Flagge einzuschlagen und ein bisschen präsent zu sein. Bisher hat die Neo-Bank noch nicht entschieden, ob N26 in der Schweiz eine aktive Rolle spielen will oder nicht. Mit einem Euro-Konto und den momentan eher überschaubaren Funktionen spielt sie aktuell praktisch keine.
Bleiben die genannten Neo-Banken unter sich?
Wise als Sonderfall mit spezieller Ausrichtung haben wir bereits erwähnt, Vivid ebenfalls. Von beiden Unternehmen dürfte einiges zu erwarten sein, von Wise eher kurzfristig, von Vivid erst längerfristig. In Zukunft werden weitere Anbieter eine Rolle spielen, wie zum Beispiel Klarna oder auch Neo-Broker wie Trade Republic oder Bitpanda, welche jene Neo-Banken tangieren dürften, die bereits Aktien- und Kryptohandel im Angebot haben.
Mittelfristig könnten sich auch die Leistungen von Banking-as-a-Service-Anbietern auswirken, die zahlreiche neue Spielformen und auch Mitbewerber in den Bereichen Embedded Finance möglich machen.