Die Community der Kundinnen und Kunden auf Nähe zu bringen, ist für jedes Unternehmen grundsätzlich eine gute Idee, insbesondere auch für Startups und FinTechs.
Diese Kundinnen und Kunden auch als Investoren an Bord zu holen, gewinnt zunehmend an Bedeutung. Auch das ist eine gute Idee. Kunden mit Anteilen an ihrer Neo-Bank oder an einem anderen Startup verändern ihre Haltung. Über Nacht werden aus zufriedenen Kundinnen und Kunden wertvolle Botschafter für das Produkt und für das Unternehmen. Wer Anteile am Unternehmen besitzt, dessen Leistungen er auch nutzt, agiert im eigenen Bekanntenkreis als Botschafterin und Botschafter überzeugender. Zudem verstärkt das Mitspracherecht als Aktionärin und Aktionär das Wir-Gefühl und schafft die Möglichkeit, die Richtung und den Kurs des "eigenen Ladens" mitbestimmen zu können.
Crowdinvesting ist mehr als blosse Kapitalbeschaffung
Crowdinvesting-Kampagnen sind in der Regel so angelegt, dass Anteile auch mit eher geringem Kapitaleinsatz erworben werden können. Schliesslich soll einem breiten Kreis und grossen Teilen der Community die Möglichkeit offenstehen, sich an ihrem FinTech zu beteiligen. Meistens ist pro Anlegerin und Anleger auch eine Obergrenze für das Investment festgelegt, damit eben nicht einige wenige Grossinvestoren, sondern viele Kleininvestoren mit überschaubarem Budget, dafür mit Herzblut und Überzeugung, ihre Anteile zeichnen können.
"Weniger ist mehr" gilt hier nur für die Grösse des einzelnen finanziellen Engagements, nicht für die Masse der Anlegerinnen und Anleger. Diese Masse ist erwünscht, die Crowd und damit die eigene Community soll mit ins Boot geholt werden.
Crowdinvesting ist ein interessanter Kanal zur Beschaffung von notwendigem oder zusätzlichem Kapital für Startups und FinTechs, keine Frage. Es ist darüber hinaus aber sehr viel mehr als nur eine neue mögliche Geldquelle.
Bisherige Crowdinvesting-Kampagnen in der Schweiz
Die Neo-Bank Yapeal hat vor ihrem Wechsel zum B2B-Dienstleister auf die Crowd gesetzt und zusätzliches Kapital eingesammelt. Das FinTech Hopr, das Schweizer Startup TBô und weitere Unternehmen bauen erfolgreich auf Tokenisierung von Firmenanteilen oder Projekten, um die Community ins Investoren-Boot zu holen.
Das Schweizer FinTech Fintune hat Anfang 2021 seine zweite Finanzierungsrunde über eine Crowdinvesting-Kampagne bestritten und 582'000 Euro frisches Kapital über die Plattform Funderbeam beschafft. Das Zürcher FinTech Neon hat wenige Monate später mit der Unterstützung der Crowdinvesting-Plattform Conda fünf Millionen Schweizer Franken von 1'723 Anlegerinnen und Anlegern erhalten, MoneyToday.ch hat berichtet.
Nächste Crowdinvesting-Kampagnen von Inyova und Relai
Das Impact Investing FinTech Inyova steht in den Startlöchern und will ab 27. April 2022 über Conda drei Millionen Schweizer Franken einsammeln. Eine Beteiligung ist ab CHF 235 für eine Stammaktie möglich, das erlaubte Maximum-Investment liegt bei CHF 50'000.
Conda ist die Crowdinvesting-Plattform, die bereits Neon zu fünf Millionen verholfen hat. In Deutschland und Österreich schon länger aktiv, hat Conda im November 2021 die Plattform für die Schweiz gestartet. Das Unternehmen ist überzeugt, dass Crowdinvesting auch in der Schweiz eine grosse Zukunft haben wird.
Mit bisher 50 Millionen investiertem Crowd-Kapital und 160 finanzierten Projekten könnten sich die Erwartungen zur Nachfrage in der Schweiz erfüllen. Ein Blick auf die Plattform ist interessant, hier, zahlreiche Projekte von Unternehmen und Startups aus verschiedenen Branchen liegen deutlich über den Finanzierungszielen.
Ebenfalls am Start steht das Bitcoin FinTech Relai, das über die britische Crowdinvesting-Plattform Crowdcube eine Million Pfund einsammeln will. Auch Relai bietet tiefe Einstiegshürden, der Weg zur Aktionärin und zum Aktionär soll nicht durch beschränkte Budgets behindert werden.
Und was meint die Crowd?
Wirft man einen Blick auf die verschiedenen Crowdinvesting-Plattformen im In- und Ausland und auf ebenso verschiedene Kampagnen, scheint die Crowd durchaus motiviert zu sein, bleibt nicht auf Distanz und will nicht schweigen. Natürlich gibt's Unterschiede, erstaunlich ist jedoch, dass zahlreiche Kampagnen aus attraktiven Branchen ihre anvisierten Investitionsziele eher schnell erreichen und teilweise auch deutlich übertreffen.
Apropos Tempo: das FinTech Neon hat Mitte letzten Jahres das Finanzierungsziel von fünf Millionen Schweizer Franken nach eigenen Aussagen innerhalb von einer Stunde eingespielt. Bei diesem Tempo liegt es auf der Hand, dass nicht allzu viele Zufalls-Investoren zugelangt haben, sondern vor allem die Community zur Beteiligung motiviert worden ist. 1'713 Investorinnen und Investoren aus dem Kundenkreis haben 29'571 tokenisierte Partizipationsscheine (stimmrechtslose Aktien) gezeichnet.
Bei anderen FinTechs und Neo-Banken geht der Trend eher zu Anteilen mit Stimmrechten, weil man die Aktionärinnen und Aktionäre aus der Community als mitgestaltende Anteilseigner noch etwas näher an das eigene Unternehmen binden will.
Diese Woche hat auch die Neo-Bank Qonto einen erfolgreichen Lauf hingelegt. Das französische FinTech bietet 220'000 Unternehmen in Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien ein All-in-one-Geschäftskonto. Selbstständige, KMU und Startups oder deren Inhaberinnen und Inhaber sind offenbar auch als Investoren für ihre Bank zu begeistern.
Mehr als 1'800 Qonto-Kunden haben sich an der Neo-Bank beteiligt, das FinTech hat innerhalb von gut sechs Stunden fünf Millionen Euro eingesammelt. Die Crowdinvesting-Kampagne, durchgeführt von Crowdcube, durfte die Grenze von fünf Millionen aufgrund regulatorischer Vorgaben nicht überschreiten. Genügen einige Stunden, um das pro Kampagne erlaubte Ziel zu erreichen, dürften weitere Crowdinvesting-Runden bereits in der Planung sein.
Auch Qonto hat der Community die Beteiligung am Unternehmen leicht gemacht, mit 137.94 Euro pro Anteil scheitert Investieren in die Neo-Bank nicht am fehlenden Kapital. Das Maximum pro Investor lag bei 10'000 Euro.
Die aktuell eingesammelten fünf Millionen erweitern den Spielraum, die Kapitalbeschaffung stand jedoch nicht im Vordergrund. Qonto hat erst vor drei Monaten in einer Series-D-Finanzierungsrunde 486 Millionen Euro erhalten, wir haben berichtet, die Kassen des Unicorns sind komfortabel gefüllt.
Gute Beziehungen zu wenigen Grossinvestoren aus Mega-Fundings sind das eine, enge Bindungen zur Community und neuer Kitt zu einer Vielzahl von Kleininvestoren aus Crowdinvesting-Kampagnen sind das andere. Frisches Kapital bringt beides. Crowdinvesting dann zusätzliche eine grosse Zahl von engagierten Botschafterinnen und Botschaftern für das eigene Unternehmen. Im besten Fall tausende von Multiplikatoren mit enger Bindung an ihr Unternehmen – und einer Wirkung, die nicht in Geld und Kapital aufgewogen werden kann.