Heute keine tiefschürfende Analyse, mehr ein fragmentarischer, unvollständiger und dennoch eindrücklicher Überblick zu konkreten Aktivitäten. Durchwegs zu Entwicklungen im Bereich Finanzdienstleistungen, die in den letzten Wochen und Monaten aufgefallen sind. Betrachtet vor dem Hintergrund, dass alle Big Techs über gewaltige Adress-Stämme verfügen, sehr nahe an ihren Kunden operieren und wissen, wie Zahlungsverkehr und Zahlungsabwicklung funktioniert.
Neues von Facebook
Dass Facebook über seine Messenger-Dienste Bezahlfunktionen anbietet, ist schon länger bekannt. Unter anderem im gewaltigen Testmarkt Indien ist Facebook mit den Bezahlfunktionen von WhatsApp aktiv.
Mobile Payment für alle?
Was WhatsApp in Indien bewegt, kann auch im Rest der Welt funktionieren. An der kürzlich durchgeführten F8 Entwicklerkonferenz von Facebook gab sich Mark Zuckerberg jedenfalls zuversichtlich, dass "Payment einer der Bereiche wäre, den Facebook enorm vereinfachen könne". Nach einem Bericht der Financial Times will Facebook in London ein Team aufbauen, das sich ausschliesslich um dieses Thema kümmert. Rund hundert Profis sollen daran arbeiten, den Bezahlservice in die Facebook Apps zu integrieren, um den Service für weitere Länder noch im laufenden Jahr zu öffnen.
Ein Krypto-Coin für Facebook?
Der "Facebook Coin" kam erstmals Ende 2018 über einen Bericht von Bloomberg ins Gespräch. Im Februar 2019 legte die New York Times nach, Berichte weiterer Medien wie Wall Street Journal und andere folgten und erzählen grob skizziert die folgende Geschichte:
Facebook will ein Krypto-Zahlungssystem über einen Stable Coin in Whats App, Facebook Messenger und Instagram integrieren. Trifft das zu, könnten deutlich über 2,5 Milliarden Nutzer mit der "internen" Währung bezahlen.
Der an eine Fiat-Währung gebundene Coin soll, so verschiedene Medienberichte, als Token-Projekt über Investitionen finanziert werden, die zum Teil auch von Visa und Mastercard kommen sollen. Die Pläne scheinen konkret genug zu sein, um das Commitee on Banking, Housing and Urban Affairs des US-Senats zu motivieren, bei Mark Zuckerberg nachzufragen, was genau hier Sache ist.
Ein Blick auf Amazon
Stösst Amazon beim Wachstum im E-Commerce an Grenzen, bleiben genügend Sparten offen, die mit neuen Leistungen erweitert werden können. Finanzdienstleistungen gehören dazu.
Bezahlen über Alexa
Mit der intelligenten Assistentin Alexa sitzt Amazon heute schon in hundert Millionen Haushalten. Mitte 2018 ist Amazon Pay in Alexa integriert worden. Vorerst nur für Entwickler, keine Frage, dass der Service in verschiedenen Märkten eher bald Realität sein wird.
Kreditkarte in Kooperation mit Visa
In den USA ist Amazon mit der Prime Kreditkarte unterwegs, in Deutschland ebenfalls, weitere Länden dürften folgen.
Amazon vergibt Kredite an Händler
Amazon Lending vergibt Kredite an Händler in Kooperation mit der Bank of America Merril Lynch. Noch kein extrem forcierter Bereich, im Moment nur in den USA, in Japan und in Grossbritannien im Markt. Die gemachten Erfahrungen dürften in der Planung jedoch weitere Märkte einschliessen.
Amazon macht die Ladenkassen überflüssig
Die patentierte "Just Walk Out"-Technologie wird seit einiger Zeit in den Amazon-Go-Läden getestet und optimiert: im physischen Shop über die Smartphone App einchecken, Einkaufskorb füllen und raus aus dem Laden – ohne Anstehen und ohne Kasse. Sensoren sowie intelligente Technologie und Systeme bringen neuen Bezahlkomfort für die Kunden. Diese Technologie wird Amazon bei Marktreife breit ausrollen.
Ob die "Just Walk Out"-Technologie "nur" in Amazon-Go-Läden zum Einsatz kommt oder ob Amazon als Systemanbieter für andere Shops und Ketten autreten wird, bleibt offen. Letzteres ist jedoch durchaus möglich, weil Amazon in den Bereichen Web Services oder Logistik das Modell "zuerst für uns selbst, dann auch für andere" bereits sehr erfolgreich durchgespielt hat.
Hybrides Bankkonto
Seit März 2018 lässt Jeff Bezos Banken pitchen und lotet nach dem Bericht im Wall Street Journal für Amazon die Möglichkeiten aus, Nicht-Bank zu bleiben, aber als Bank zu agieren. Das Unternehmen soll mehrere Grossbanken beauftragt haben, ihre Vorschläge für ein "hybrides Bankkonto" zu präsentieren. Hybrid könnte bedeuten: Das Girokonto-ähnliche Produkt trägt den Brand von Amazon, Kunden nutzen komfortable Amazon-Finanzdienstleistungen, die Abwicklung läuft jedoch über die involvierte Bank.
Was hat Apple vor?
Apple baut sein Ökosystem aus, ist in zahlreichen Ländern mit Apple Pay präsent, seit 7. Juli 2016 auch in der Schweiz, und hat im März 2019 die Apple Card vorgestellt. Die eigene Kreditkarte, entwickelt in Kooperation mit Goldman Sachs und Mastercard, lockt Kunden mit grosszügigen Konditionen und Belohnungen – Cashbacks, die tatsächlich in Form von Cash auf das Konto der Kunden zurückfliessen.
Die Apple Card kommt diesen Sommer auf den Markt, vorerst in den USA, weitere Pläne sind noch nicht kommuniziert. Mit Ausnahme einer Aussage auf der Website, die als Kampfansage an die Banken verstanden werden darf: "Geschaffen von Apple, nicht von einer Bank." Schon klar, wird die Kreditkarte von der Masse angenommen, werden hinterlegte Karten von Banken und anderen Partnern für Apple Pay mehr und mehr überflüssig, Apple hinterlegt sich selber.
Und was ist mit Google?
Das wird sich zeigen. Konkret ist Google schon mal in zahlreichen Ländern mit Google Pay präsent, seit 30. April 2019 auch in der Schweiz, hat im Dezember 2018 die E-Money-Lizenz für den EU-Raum in Litauen erhalten und im Januar 2019 die PSD2-Absichten für den EU-Raum konkretisiert mit der Bewilligung der Zentralbank Irland.
Die Pläne im Bereich Finanzdienstleistungen sind allerdings nur zum Teil an Lizenzen gebunden, weil Big Techs keine Probleme haben werden, für Abwicklung und Dienste Banken mit Banklizenz als Kooperationspartner zu verpflichten.
Und sonst?
Banken in der Schweiz geben den Widerstand gegen Apple Pay, Google Pay und Samsung Pay zunehmend auf, stecken in Gesprächen und Verhandlungen oder agieren teilweise bereits in Kooperation. Dieser folgerichtige Schritt freut die Bankkunden und stärkt gleichzeitig die Marktposition der verschiedenen Tech-Anbieter.
PayPal, Wirecard, Klarna und andere Anbieter bauen ihre Services im Finanzbereich aus und forcieren unter anderem den Bereich mit Unternehmenskrediten für Händler. Alipay ist seit längerem schon aktiv in Europa, vorerst für chinesische Touristen. Allerdings wird Ant Financial den Europäern selbst die ausgebauten Leistungen der Lifestyle App nicht auf Dauer vorenthalten.
Challenger-Banken wie Revolut und N26 wachsen sehr schnell und ankern demnächst auch in der Schweiz. Das Schweizer FinTech Neon ist kürzlich gestartet, Yapeal überzeugt mit dem schnellsten Onboarding und will im Herbst 2019 in der Schweiz starten.
Generell öffnen sich Bankkunden für die Angebote von Challenger-Banken und auch von bankfremden Finanzdienstleistern. Dabei spielt die zunehmende Zahl von Medienberichten eine grosse Rolle, welche neue Services und Angebote laufend verstärkt ins Bewusstsein breiter Zielgruppen spielen.
Ein verdichtetes Stimmungsbild als Pulsnehmer
Wie angekündigt, keine Analyse und deshalb auch kein Anspruch auf Vollständigkeit, es ist noch sehr viel mehr im Gange. Vielmehr ein Stimmungsbild, ein Puzzle von Ereignissen mit Signalen vom Markt und von Anbietern – mit der Idee, kurz Puls zu nehmen. Ein Puls, der sich erhöht. Die Kadenz der News aus dem Lager von Big Techs und FinTechs nimmt zu, die Pläne und Massnahmen werden konkreter, dadurch sichtbarer und bald auch spürbarer.
Jede News oder jede Massnahme für sich allein betrachtet, ist nicht unbedingt weltbewegend. Im Überblick und in Zusammenhänge gesetzt wird jedoch sichtbar, dass vieles in Bewegung ist, das sich gegenseitig beeinflusst und verstärkt. Im Ergebnis dürfte die "Gesamtbewegung" an Kraft und Tempo weiterhin zulegen.
Ziemlich wahrscheinlich, dass sich die Zeichen der Zeit auch weiterhin verdichten. Trifft das zu, können die Herausforderungen der Zukunft nicht länger im Konjunktiv interpretiert werden – sie müssen sehr konkret angepackt und heute mit Lösungen beantwortet werden.