Kommentar

Wer entscheidet, ob wir unsere Smartphones nutzen dürfen?

Junger Mann mit Smartphone ärgert sich
Bild: EmirMemedovski | Getty Images

Wir selbst? Der Provider? Der Ladestand des Akkus? – Alles ein bisschen richtig, aber nicht relevant. Das Betriebssystem entscheidet, ob das klappt mit dem Smartphone.

Ohne laufend aktualisiertes Betriebssystem bleibt ein Smartphone keine Wundermaschine mit viel Technologie, die alles kann – ohne Android oder iOS ist das Handy nur ein nutzloses Device mit einem Monitor, der schwarz bleibt.

Gut gibt's Google und Apple, die US-amerikanischen Big Techs sorgen zuverlässig dafür, dass unsere Welt sich weiterdreht und alles mit allem verbunden bleibt. Das werden sie auch weiterhin tun. Es sei denn, Teile der Welt fallen aus Sicht der Amerikaner in Ungnade, dann lassen sich für diese Teile der Welt die Verbindungen kappen.

Ob als Drohung oder als Realität macht keinen grossen Unterschied, der in Ungnade gefallene Teil der Welt wird ohne eigene Technologie und Alternative erpressbar, geht in die Knie – oder die Displays der Smartphones bleiben eben schwarz.

Android hat aktuell einen Marktanteil von 85,4 Prozent, iOS kommt auf 14,5 Prozent, andere Betriebssysteme spielen auf dem Smartphone-Markt praktisch keine Rolle. Ob und wie Smartphones weltweit funktionieren, bestimmen derzeit einzig die USA.

Wie viel Abhängigkeit verträgt Europa?

In guten Zeiten sehr viel mehr, in schlechten Zeiten deutlich weniger. Europa ist nicht China, vielleicht dennoch eine gute Idee, heute einige grundsätzliche Gedanken in system-, wirtschafts- und auch in gesellschaftsrelevante Technologien zu investieren. Technologien, ohne die nichts mehr geht und die gewissermassen im Besitz eines einzigen Staates sind.

Das betrifft nicht nur Smartphones und deren Betriebssysteme, der Bogen kann sehr viel weiter gespannt werden. Die Überlegung zielt auch nicht im Besonderen auf die USA oder auf deren Präsidenten Donald Trump – sie schliesst sämtliche Technologien mit ein, ohne die auch in Europa nichts mehr geht. Oder zumindest unter sehr erschwerten Bedingungen.

Wie global oder national ist eine globale Welt organisiert?

Wenn system-, wirtschafts- und gesellschaftsrelevante Technologien wirklich Open Source funktionieren und nicht von einzelnen Gruppen, Ländern, Präsidenten oder Unternehmen kontrolliert werden können, ist eine globale Welt deutlich sicherer und besser organisiert.

Ist das nicht der Fall, sollten Politik, Wirtschaft und Tech-Unternehmen, gerade auch in Europa, in eigene Technologien investieren. Um in einer globalisierten Welt auch dann und weiterhin mitspielen zu können, wenn eine globale Grösse ausschert und dem Rest der Welt oder Teilen davon ihren Willen aufdrücken will. 

Bisher hat Europa nichts in diese Richtung unternommen. Weil man sich auf Fairness, gutes Benehmen, gute Partnerschaft und auf stabile Beziehungen verlässt. Das nicht Denkbare wird nicht gedacht – auch deshalb nicht, weil man in den vergangenen Jahrzehnten mit dem Komfort des Nichtgedachten ziemlich gut gefahren ist.

Das kann auch die nächsten Jahrzehnte gutgehen, muss aber nicht. Deshalb lässt sich der bedingungslose Glaube an das Gute deutlich besser und entspannter glauben, wenn ein Backup mit alternativen Technologie-Lösungen vorhanden ist. Nur für den Fall, dass aus irgendeiner Ecke der Welt Versorgungsleitungen gekappt werden sollten, die für Europa von zentraler Bedeutung sind.

Huawei ersetzt ab 2021 Android durch ein eigenes Betriebssystem

Das ist eine kluge Entscheidung. Huawei und China befreien sich mit ihrem "Harmony OS", zumindest in diesem Punkt, aus der technologischen Abhängigkeit von den USA. Für Europa allerdings kein Grund, das neue Betriebssystem zu feiern. Es kommt aus China, nicht aus Europa. Und für Europa macht es keinen Unterschied, ob die USA, China oder ein ganz anderer Staat die grundsätzliche Möglichkeit hat, Europa den freien Zugang zu Technologien oder Betriebssystemen abzudrehen.

Wie viel globale Unabhängigkeit vermag Europa zu schaffen?

Ein verwegener Gedanke dazu: Europa hat die einmalige Chance, ein wichtiges Zeichen für die ganze Welt zu setzen. Indem ein Open Source-Betriebssystem entwickelt würde, das nicht im Besitz von Europa bleibt, sondern der ganzen Welt gehört. Alle Staaten und Länder dieser Welt dürfen es nutzen. Kein einzelnes Land kann es dominieren und für sich beanspruchen – weder die USA, noch China, noch sonstwer, auch Europa nicht.

Ein naiver Gedanke, schon klar. Ähnlich naiv allerdings wie der Glaube, dass für alle Zukunft sämtliche Staaten, Präsidenten, Gruppen und Unternehmen ihr Heu zu jeder Zeit auf einer gemeinsamen Bühne zusammen mit Europa bewirtschaften wollten.

Neu geschaffene Unabhängigkeit ist keine Kampfansage, sie ist das Gegenteil. Nämlich der feste Wille, mit anderen und der ganzen Welt zu kooperieren. Allerdings ohne an Stärke zu verlieren, sollte mal einer von vielen Partnern einseitig die Lust auf Kooperation verlieren. Unabhängigkeit stellt sicher, dass der abtrünnige Partner nach seinen wirkungslosen Erpressungsversuchen und Embargos zur Vernunft kommen kann und wieder im Kreise der fairen Partner aufgenommen wird.