Der bereits vor längerer Zeit angekündigte Verkauf des Kartengeschäfts ist besiegelt, die verbindlichen Vereinbarungen sind unterzeichnet. SIX verkauft SIX Payment Services mit dem Kartengeschäft für 2,75 Milliarden Franken an die französische Worldline. Das Unternehmen gehört mit einem Umsatz von mehr als 1,5 Milliarden Euro und weltweit 9'400 Mitarbeitern zu den Grossen im europäischen Zahlungsverkehr.
Der Verkaufspreis liegt deutlich über der im Vorfeld von Insidern vermuteten und geschätzten Bewertung von 2 Milliarden Franken. Allerdings fliesst der ausgehandelte Preis nicht primär in Cash, er wird zum grossen Teil durch eine Beteiligung der SIX an Worldline abgegolten. Die französische Worldline wird dadurch zur Marktführerin auf dem europäischen Parkett.
Der Deal
Das Wort "Verkauf" wird in der Medienmitteilung von SIX vermieden und findet kein einziges Mal statt, der Deal verfolgt das Ziel der "Konsolidierung des europäischen Zahlungsverkehrs" und segelt unter der Flagge einer "strategischen Partnerschaft". SIX bringt nach eigenen Angaben das bestehende Kartengeschäft in die neue Partnerschaft ein und erhält im Gegenzug eine Beteiligung an Worldline.
Innerhalb dieser strategischen Partnerschaft geht die SIX Payment Services mit dem Kartengeschäft an Worldline, welche die Marke "SIX Payment Services" weiterhin verwenden wird. Nach Angaben von SIX "bis auf Weiteres" und mit der Intention, dass Worldline vom "erfolgreichen und starken SIX Brand auf seinen bestehenden Märkten profitieren kann".
SIX erhält im Gegenzug 2,75 Milliarden Franken, 338 Millionen als Baranteil und den Löwenanteil in Form von 49,1 Millionen Worldline-Aktien, welche neu ausgegeben werden. Mit dieser Vereinbarung ist SIX mit 27 Prozent an Worldline beteiligt und nimmt mit zwei Vertretern Einsitz im Verwaltungsrat.
Das aktuelle Management sowie die mehr als 1'300 Mitarbeiter von SIX Payment Services in der Schweiz, Luxemburg, Österreich, Deutschland, Polen sowie an weiteren Standorten in Europa werden mit diesem Deal Teil der Organisation von Worldline.
Die verbindliche Vereinbarung ist von beiden Unternehmen am 15. Mai 2018 unterzeichnet worden, die Transaktion soll im vierten Quartal 2018 abgeschlossen werden.
Die strategische Partnerschaft
Mit dem Verkauf des Kartengeschäfts hat SIX ihre Ankündigung wahr gemacht, im Zuge ihrer strategischen Neuausrichtung das Kartengeschäft (Merchant Acceptance & Acquiring und internationales Kartengeschäft) aus ihrer eigenen Struktur herauszulösen. Weil in diesem Geschäft Marktkraft und Grösse eines Anbieters entscheidet, sieht SIX im Geschäft mit der nun führenden Worldline Wettbewerbsvorteile, die sich eröffnen und gemeinsam nutzen lassen: "Neue Technologien können aus einer Position der Stärke gemeinsam effizient entwickelt und implementiert werden."
SIX kommuniziert die aktuellen Veränderungen mit den Worten: "Als eines der führenden Unternehmen im europäischen Zahlungsgeschäft schliesst sich SIX Payment Services mit Worldline zum führenden und grössten Anbieter auf dem europäischen Zahlungsverkehrsmarkt zusammen."
Der Zusammenschluss basiert, neben dem Verkauf des Kartengeschäfts, offenbar auf konkreten Zusammenarbeitsverträgen mit einer Laufzeit von zehn Jahren, welche SIX mit Worldline abgeschlossen hat. Zudem hat sich Worldline in einer separaten Vereinbarung mit 20 Prozent an der Bankenlösung Twint beteiligt, was für zusätzliche Verbindlichkeit und Kitt sorgen soll.
Die Ziele der strategischen Partnerschaft mit Worldline beschreibt Romeo Lacher, Präsident des Verwaltungsrates von SIX, mit folgenden Worten:
Wir sind sehr glücklich, dass wir in Worldline einen ähnlich namhaften und starken internationalen Partner gefunden haben, mit dem wir zusammen das Kartengeschäft voranbringen und weiterentwickeln können. Mit dieser strategischen Partnerschaft werden wir auf einen Schlag zum führenden und grössten Anbieter Europas.
Die Fusion
Bleibt SIX in ihrer Mitteilung an die Medien eher knapp, wird Worldline in ihren News mit Zahlen, Fakten, Plänen und Zielen sehr ausführlich und detailliert, titelt ihre Ausführungen zur strategischen Partnerschaft mit: "Worldline to acquire SIX Payment Services" und verstärkt den verbindlichen Charakter der gemeinsamen Absichten mehrfach mit dem Begriff "Fusion".
Gilles Grapinet, CEO von Worldline, zur Übernahme von SIX Payment Services, zur Fusion und zur strategischen Partnerschaft mit SIX:
Durch diese Fusion ist unser Unternehmen, gestützt auf seine intakte Finanzkraft und unerreichte Grösse auf unserem Kontinent, so gut positioniert wie noch wie, im Herzen Europas einen neuen globalen Marktführer der Zahlungsverkehrsbranche aufzubauen
Die Grenzen zwischen Übernahme, Verkauf, Fusion und strategischer Partnerschaft scheinen sich etwas zu verwischen – möglicherweise ist es von allem das Beste. Die unterschiedlichen Temperamente in der Kommunikation spielen in ein oder zwei Jahren ohnehin keine Rolle mehr, im Vordergrund stehen dann Resultate und gemeinsam erreichte Ziele.
Fakt für heute: Durch den Verkauf von SIX Payment Services erhält SIX eine Beteiligung von 27 Prozent an Worldline über neugeschaffene Aktien – mit der Absicht, über eine strategische Partnerschaft gemeinsam zu wachsen. SIX wird damit zur Anteilseignerin beim führenden Zahlungsdienstleister Europas. Mit vereinten Kräften wollen beide Unternehmen Worldline den Weg ebnen, nach Aussagen von Gilles Grapinet "in Europa unbestrittener Marktführer im Bereich Bezahldienstleistungen zu werden".
Die Aussichten für die Zukunft
Ob und wie schnell sich die formulierten Ziele erreichen lassen und welche Früchte diese Partnerschaft für beide Unternehmen tragen kann, wird sich erst in Zukunft zeigen.
Das beste Szenario
Im besten Fall bringen die beiden Partnerunternehmen ihre unterschiedlichen Stärken und Möglichkeiten taktisch clever unter einen Hut, einigen sich auf gemeinsame Ziele, arbeiten perfekt, nahtlos und harmonisch zusammen, konsolidieren den europäischen Markt des bargeldlosen Zahlungsverkehrs mit vereinten Kräften und etablieren damit eine ebenso gemeinsame Dominanz und Marktführerschaft im europäischen Zahlungsverkehr, welche durch Innovation und Leistungen überzeugt.
Mit dem besten Szenario entwickelt sich ein Deal zu einer tragfähigen, strategischen Partnerschaft, die allen Beteiligten und auch dem Finanzplatz Schweiz Vorteile bringt.
Das schlechteste Szenario
Sollten sich kulturelle oder unternehmenspolitische Gräben auftun oder bauen sich andere heute noch nicht bekannte Hürden auf, die nicht übersprungen werden können, das wäre der schlechteste Fall, hält SIX in verschlankter Form Anteile an Worldline in vergrösserter Form. Mit 27 Prozent immerhin als zweitgrösste Aktionärin hinter dem internationalen IT-Konzern Atos, der mit 51 Prozent die Mehrheit an Worldline hat und auch weiterhin hält. Je nachdem, wie sich Worldline entwickelt und wirtschaftet, wirkt sich das auf die Bewertung aus und kann im positiven Fall zu erfreulichen Dividenden für SIX und für die beteiligten Banken führen.
Mit dem schlechtestens Szenario reduziert sich eine grosse Idee auf einen blossen Deal, der bisher besetztes und entwicklungsfähiges Terrain durch Dividenden ersetzt.
Die Frage der Kulturen
Werden nach zähen Verhandlungen die Verträge unterzeichnet, freuen sich alle Beteiligten über den Abschluss und auf die gemeinsame Zukunft. Ist die Honeymoon-Phase vorüber, dürften sich die Weichen für das Machbare und gemeinsam Realisierbare eher bald stellen.
Die unternehmenskulturelle Kompatibilität von SIX und Worldline wird mit zum gemeinsamen Erfolg beitragen, wenn sie vorhanden ist und auf Dauer funktioniert. Ein erster Prüfstein könnte in der Definition von Synergie im Zusammenhang mit den 1'300 ehemaligen SIX-Mitarbeitern sichtbar werden, welche nun unter einem französischen Dach arbeiten. Worldline-CEO Gilles Grapinet sieht das positiv:
Die Talente unserer künftigen Manager sowie Kolleginnen und Kollegen von SIX Payment Services werden Worldline stärken
Bleibt diese Wertschätzung für SIX-Mitarbeiter von heute auch gegenüber den neuen Worldline-Experten von morgen erhalten, weil geplante Synergie-Effekte nicht personell, mehr über Prozesse realisiert werden, schafft das einen guten Boden für alles Weitere. Zudem ist ein Effekt nicht zu unterschätzen, der das kooperative Zusammenwachsen der beiden Unternehmen beschleunigen und verstärken kann:
Ehemalige SIX-Mitarbeiter bilden als Worldline-Profis eine starke Brücke zum früheren Arbeitgeber. Noch weniger aus Heimweh-Gründen, mehr deshalb, weil man das Umfeld kennt, die früheren Kollegen mag und deshalb mit den Leuten von SIX gut zusammenarbeiten kann. Das schafft Kitt über Distanzen und kann mithelfen, gemeinsame Ziele schneller oder überhaupt zu erreichen.