SIX hat die Übernahme der Madrider Börse BME praktisch komplett abgeschlossen. Was war der Grund für diesen Kauf? Hat die Auseinandersetzung mit der EU um die Börsenäquivalenz den Entscheid geprägt?
Der zentrale Aspekt dieses Kaufes sind die zusätzlichen Volumen, die wir dadurch gewonnen haben. Volumen und Grösse sind entscheidend für das Geschäft einer Börsenplattform, weil Skaleneffekte immer zentraler werden um wettbewerbsfähig zu bleiben. Wir sind nun Nummer drei in Europa. Zudem stärkt uns der Kauf der BME auch in Bereichen, in denen wir weniger präsent waren.
Der Entscheid war ein purer Geschäfts-Entscheid. Die Börsenäquivalenz hat damit nichts zu tun, da der Handel mit Schweizer Aktien in der Schweiz bleibt. Und der Handel mit spanischen Aktien in Spanien. Aber natürlich gibt uns die Möglichkeit in zwei unterschiedlichen Jurisdiktionen, der Schweiz und der EU, tätig zu sein, nun zusätzliche Optionen in anderen Bereichen wie beispielsweise der Innovation oder des Datengeschäftes.
Diese Akquisition wurde ja vor der Corona-Krise entschieden. Wie stehen Sie heute dazu und sind die damaligen Annahmen noch intakt und aktuell?
Die damaligen Annahmen sind nach wie vor intakt. Die Krise hat einmal mehr gezeigt, dass funktionierende Börsen gerade in Krisenzeiten absolut zentral für das Funktionieren eines Wirtschaftssystems sind. Unsere Aufgabe ist es, auch in turbulenten Zeiten eine einwandfrei funktionierende Plattform für die Kapitalaufnahme zur Verfügung zu stellen. Das haben wir in der Corona-Krise unter Beweis gestellt.
Was können Sie zu einem allfälligen Impact der Corona-Krise sowie des BME-Kaufs auf die SIX-Zahlen sagen? War die Liquidität von SIX der Grund des Verkaufs der Worldline-Anteile, bei dem Sie 675 Millionen Euro lösten?
Wir hatten im März dreimal höhere Handelsvolumen als üblich, so hoch wie noch nie in unserer Geschichte. Unsere Systeme konnten das ohne Probleme verkraften. Mittlerweile haben sich die Volumen fast normalisiert. SIX verfügt über eine sehr gute Liquidität.
Wir haben Ende August unsere Halbjahreszahlen präsentiert. Dabei sehen wir auf eine starke operativen Leistung zurück. Auch das Finanzergebnis von SIX lag deutlich über dem der Vergleichsperiode des Vorjahrs. Ein Grund war der Abschluss der Veräusserung von 10,1 Millionen Worldline-Aktien, 5,5 Prozent des Aktienkapitals von Worldline, mittels eines Accelerated-Bookbuilding-Verfahrens, zur Mitfinanzierung des BME Kaufs, im April.
Die Investition von SIX in Worldline ist für uns weiterhin von hoher strategischer Bedeutung. Wir sind nach wie vor grösste Aktionärin von Worldline.
In einem früheren Interview mit MoneyToday.ch sagten Sie, einer der Gründe für die Worldline-Beteiligung an Twint liege darin, Twint den Weg ins Ausland zu öffnen. Über eineinhalb Jahre später ist Twint immer noch bloss eine nationale Geschichte. Wie stehen dazu die Pläne?
Twint erfreut sich, sicher auch durch die Corona-Krise verstärkt, einer stetig wachsenden Belliebtheit. Twint hat sich in der Schweiz etabliert. Über Expansionspläne ins Ausland kann ich nicht spekulieren, hier müssten Twint oder Worldline Auskunft geben.
Die Corona-Krise hat Spanien besonders hart getroffen, man erwartet eine hohe Arbeitslosenquote sowie weiter steigende Staatsdefizite. Um diese Aufwärtsspirale der Verschuldung zu stoppen, sind Steuererhöhungen wahrscheinlich unausweichlich. Die spanische Koalitionsregierung aus der Sozialdemokratischen Partei und der Links-Partei "Unid@s Podemos" spricht von der "Tobin Tax", also einer Steuer auf jegliche Transaktionen. Wird Ihrer Meinung nach diese Steuer kommen – mit welchen Auswirkungen für BME?
Unsere Position zur Tobin Tax ist klar. Wir sehen die Tobin Tax als keine gute Idee. Es ist eine Massnahme, die am Ende von den Endinvestoren gezahlt werden wird. Und in keinem Land hat sie die gewünschten Resultate erbracht. Es ist aber klar, für uns gelten die nationalen Gesetze und wir halten uns daran.
Vor wenigen Tagen haben Sie den Eintritt von F10 in den spanischen Markt bekanntgegeben. Es wird anfänglich eine Kooperation mit BME geben, F10 hat auch gleich Niederlassungen in den vier spanischen Börsen bekommen. Was haben Sie mit F10 vor in Spanien und wozu braucht es F10 – BME hat ja bereits schon mit BME Inntech ein Format für Innovation?
F10 beabsichtigt sein globales Netzwerk an Hubs mit Partnerfirmen, die Anzahl Programme und somit auch die gesamte Anzahl an Startups, welche die Programme durchlaufen, massiv zu skalieren, um an Relevanz zu gewinnen und die Innovation in der Finanz- und Versicherungsindustrie entscheidend zu stärken. SIX als Gründerin und strategische Partnerin von F10 unterstützt diese Strategie zusammen mit den anderen F10-Partnern aktiv und nachhaltig.
Es liegt auf der Hand, dass SIX durch die BME-Akquisition den spanischen Markteintritt für F10 massgeblich unterstützen konnte und ermöglicht hat. Dabei ist BME mit der guten lokalen Vernetzung und den Standorten ein idealer Multiplikator. BME Inntech ist komplementär zu F10 und wir sehen viele Möglichkeiten einer konstruktiven und nutzbringenden Zusammenarbeit mit F10-Startups.
Bestehen bereits erste Kooperationen und wie kommt das Angebot von F10 bei den spanischen Banken an?
Es konnte bereits eine spanische Bank als Partner gefunden werden, bevor wir offiziell gestartet sind. Weitere Banken, Versicherungen und andere Unternehmen werden im Laufe des Jahres dazustossen, so dass F10 in Spanien wie in Zürich sich zu einem starken Ökosystem mit Startups, Corporates und Investoren entwickeln wird. Die Spanischen Banken sind auch sehr interessiert am globalen Netzwerk von F10. Sie haben verstanden, dass gute Innovation sowohl im Land aber auch grenzübergreifend und ausserhalb entstehen kann. F10 gibt ihnen genau diese Möglichkeit, auf sehr einfache Art und Weise davon zu profitieren. Dabei sehen die spanischen Banken auch den klaren Vorteil von F10, der mit seinen Partnern ein starkes Netzwerk über mehrere Länder und Branchen aufweisen kann.
Wird F10 weitere Standorte in Spanien oder eventuell auch in Portugal eröffnen – ist F10 offen dafür?
Das Konzept sieht vor, dass sich die Hauptaktivitäten respektive Programme auf die zwei Hubs in Madrid und Barcelona konzentrieren. Das F10-Team weiss jedoch auch um die sehr interessanten lokalen Ökosysteme in anderen Regionen und Städten. Daher hat der F10 auch in Valencia und Bilbao Offices eröffnet und kann dort Events und andere Aktivitäten durchführen. Es ist durchaus auch denkbar, dass es weitere F10-Satelliten geben wird, um zusätzliche Regionen abzudecken.
Übrigens: Glückwunsch von unserer Seite zum neuen F10-Portal und zum neuen Design von F10. Wirkt sehr modern und aufgeschlossen.
Danke, das gebe ich dem F10-Team gerne so weiter. Wie ich gehört habe, ist dies in einer Rekordzeit von fünf Wochen geschehen.
BME hat die Eröffnung von "BME Growth", eine Nebenbörse für Wachstumstitel, bekanntgegeben. War das schon länger geplant oder sollen da unter anderem die FinTechs kotiert werden, welche das F10-Programm durchlaufen?
BME-Growth wurde nicht erst kürzlich geboren. Es handelt sich um eine Initiative, die 2006 in Spanien ins Leben gerufen wurde. Sie begann mit dem Namen MAB und seitdem haben sich mehr als 120 sich im Wachstum befindende KMU-Unternehmen angeschlossen. Sie wurden in dieser Zeit mit mehr als 4,5 Milliarden Euro finanziert. Ein Meilenstein ist sicher der kürzlich erhaltene EU-Stempel "Growth Market". Als Folge haben wir jetzt den Namen umbenannt, aber der Markt hat nach wie vor das gleiche Ziel wie zuvor, nämlich kleineren Unternehmen Finanzierung, Transparenz und Liquidität zu bieten.
Es gibt ja noch ein weiteres Unternehmen der SIX, bei dem eine Zuammenarbeit mit BME naheliegt: SDX, die Börse für digitalisierte Werte. Wann kommt die Ankündigung des Eintrittes von SDX in Spanien?
Der Aufbau von SDX schreitet voran und verläuft weiter planmässig. Natürlich machen wir uns auch bereits Gedanken über die nächsten Schritte. Aber es wäre vermessen, hier bereits darüber zu spekulieren. Man muss sehen, bei einem Projekt wie SDX spielen auch die Regulierung, die lokalen Jurisdiktionen, etc. eine absolut matchentscheidende Rolle.
Letztes Jahr haben sowohl BME wie auch Iberpay (ein spanischer Interbank-Infrastruktur-Anbieter, unter anderem für Instant Payments) fast zeitgleich Proof of Concepts für Blockchain-Lösungen durchgeführt. Ist das Zufall oder bestehen da bereits Kooperations-, Fusions- oder sogar Übernahmepläne von Iberpay durch BME? Würde ja gut passen, BME hätte dann praktisch die gleichen Geschäftseinheiten wie SIX.
Die DLT- oder Blockchain-Technologie entwickelt sich seit Jahren weltweit. Alle Marktinfrastrukturen wie SIX oder BME sowie viele Banken und andere Akteure des Finanzsektors innovieren mit DLT und starten Projekte.
In Spanien haben wir eine DLT-Denkfabrik und führen mehrere Konzepttests in verschiedenen Bereichen durch. In der Tat haben wir letztes Jahr in Zusammenarbeit mit einem lokalen Broker, Renta 4 banco, eine Digitalisierung des Zertifizierungsprozesses von Sicherheitenverpfändungen mit Hilfe der Blockchain-Technologie entwickelt, wodurch die Notwendigkeit der Verwendung und des Austauschs physischer Zertifikate entfällt. Diesen Service haben wir heute im Angebot für Kunden.
Aber wie gesagt, viele Finanzmarktteilnehmer sind an ähnlichen Projekten dran, da kann es durchaus sein, dass es Überschneidungen gibt. Ich denke, es gibt viele Anwendungsmöglichkeiten für die Zukunft zwischen dem, was wir in Zürich tun, und dem, was in Spanien getan wird. Wie wir immer gesagt haben, kann die gesamte SIX und somit auch die Finanzplätze Spanien und Schweiz von den Erfahrungen und dem Wissen beider Teams profitieren.
Iberpay betreibt die Infrastruktur des spanischen Mobilepayment-Anbieters Bizum. Ich muss da spontan an Twint denken – und Sie?
Das zeigt doch, dass wir damals mit Twint den richtigen Riecher hatten. Ob Bizum in Spanien, MobilePay in Dänemark oder Twint in der Schweiz – wir müssen es jetzt einfach noch schaffen, diese Systeme grenzübergreifend zu gestalten und sie miteinander zu verbinden.