Der World FinTech Report 2021 von Capgemini und Efma stützt seine Erkenntnisse auf primäre Forschungsquellen aus 33 Märkten und Ländern, mit zu den erforschten Märkten gehört auch die Schweiz.
Die aktuelle Entwicklung auf einen Blick
Die Studienautoren fassen die zentrale Entwicklung bei FinTechs und bei Banken in der folgenden Kurzformel zusammen:
FinTechs nähern sich ihrem nächsten Meilenstein – der Profitabilität. Sie haben während der COVID-19-Pandemie nicht nur ihre Widerstandsfähigkeit bewiesen, sondern auch trotz branchenweiter operativer und finanzieller Herausforderungen ein zweistelliges Wachstum verzeichnet. Als Reaktion auf die wachsende Beliebtheit von FinTechs bei den Verbrauchern und in der Erwartung baldiger Profitabilität, bauen traditionelle Banken rein digitale Einheiten auf, um bestimmte Kundensegmente anzusprechen.
Diese weltweite Entwicklung wird auch in der Schweiz mit verschiedenen Initiativen, Projekten und neuen Apps sichtbar – zum Beispiel mit Frankly von der Zürcher Kantonalbank, mit CSX von der Credit Suisse oder mit dem jüngsten Wurf, der Neo-Bank Yuh von Swissquote und Postfinance.
FinTechs – sie sind erfolgreich unterwegs und gewinnen Terrain
Während des pandemischen Lockdowns sind für FinTechs die Kosten für Personal, das Onboarding von Kunden und die Datenspeicherung in die Höhe geschnellt. Deshalb erwartet mehr als die Hälfte (51 Prozent) dieser Unternehmen eine Beeinträchtigung ihrer Kapitalreserven.
Doch trotz eines volatilen Umfelds verzeichnete der FinTech-Sektor im vierten Quartal 2020 ein Wachstum der Investitionsaktivitäten von elf Prozent im Vergleich zum Vorjahr – nach vier aufeinanderfolgenden Jahren des Rückgangs. Bei FinTechs im Spätstadium ihres Startup-Daseins stiegen die Investitionen von 2019 bis 2020 um neun Prozent. FinTechs mit einem breiten Produktportfolio gewinnen nun auch vermehrt die Unterstützung von Investoren.
Durch die Pandemie haben digitale Modelle überall auf der Welt eine hohe Nachfrage verzeichnet. Dies hat FinTechs in die Lage versetzt, Marktanteile zu erobern, während sie gleichzeitig den Wettbewerb in der Branche anheizen und den Druck auf die etablierten Banken erhöhen. 25 Prozent der globalen Verbraucher, die auf der Suche nach schnellerem Zugang, personalisierten Dienstleistungen und Bequemlichkeit sind, geben an, dass sie Bankprodukte von sogenannten New-Age-Unternehmen ausprobieren würden.
Traditionelle Banken – sie profitieren (noch) vom Vertrauensvorschuss
Obwohl die Verbraucher FinTechs zunehmend akzeptieren, vertrauen sie weiterhin den traditionellen Banken. 68 Prozent sagen, dass sie ein rein digitales Angebot ihrer Hausbank ausprobieren würden.
Allerdings, so der Report, stellen die jahrzehntelang betriebene technische Flickschusterei und verflochtene Legacy-Technologien die etablierten Banken vor grosse Herausforderungen bei der Transformation. Darüber hinaus zeigen die Nachbeben von COVID-19, dass ein Aufschieben von Massnahmen keine Option mehr ist.
Klaus-Georg Meyer, Leiter Business and Technology Innovation für Financial Services bei Capgemini in Deutschland, ist der Ansicht, dass FinTech-inspirierte digitale Journeys für Banken auf breiter Front zum Weg in die Zukunft werden müssen. Allerdings, so Meyer, müssten die Akteure gezielt vorgehen, zumal es keinen One-Size-Fits-All-Ansatz geben würde. Deshalb könnten Banken nicht alle digitalen Tochtergesellschaften nach demselben Schnittmuster gestalten. Meyer fasst mit einem Blick in die Zukunft die Aussichten für Banken und für FinTechs zusammen:
Die Akteure, die heute in der Lage sind, langfristiges Wachstum und Profitabilität zu erzielen, werden die Erfolgsgeschichten der FinTech-Ära von morgen schreiben
Der Weg zu nahtlos digitalen Erlebnissen mit Hindernissen
Etablierte Banken wollen ihre Stärken (globale Reichweite und hohes Kundenvertrauen) nutzen und gleichzeitig ihre Schwächen (veraltete IT und schlechtes Kundenerlebnis) beheben, um zukünftig relevant zu bleiben. Im Mittelpunkt steht das Kundenerlebnis und die Banken erkennen nun das Potenzial von nahtlosen digitalen Interaktionen.
So gaben von den befragten Bankmanagern 63 Prozent an, dass eine rein digitale Tochtergesellschaft ein allgegenwärtiges Banking ermöglichen würde. Die Hälfte (50 Prozent) sagt, dass sie über diese Einheiten neue Produkte schneller auf den Markt bringen könnten. Und 52 Prozent glauben, dass dadurch die Zusammenarbeit mit dem Ökosystem dank Plug-and-Play-Funktionalität erleichtert wird.
Der Report skizziert für etablierte Banken, die eine reine Digital-Tochtergesellschaft gründen wollen, drei Ansätze:
Von Grund auf neu (Greenfield), basierend auf teilweise vorhandenen Strukturen (Brownfield) oder im Mix von existierenden und neuen Systemen (Bluefield). Für alle drei Ansätze wird eine "Right-Field-Methode" empfohlen, mit der eine Vision definiert, eine solide Grundlage entwickelt und das langfristige Wachstum durch eine fördernde Kultur vorangetrieben wird.
Allerdings behindern veraltete Denkweisen und Geschäftsmodelle bei den etablierten Banken den Weg zu einer reinen Digital-Bank. So gaben die befragten Führungskräfte an, dass die Muttergesellschaft nicht langfristig genug Unterstützung bietet (47 Prozent) oder dass eine kurzfristige strategische Kannibalisierung des Kundenstamms der Muttergesellschaft nicht akzeptiert wird (43 Prozent). Im Weiteren gab mehr als die Hälfte der Befragten (55 Prozent) an, dass sie nur schwer mit unzureichenden reinen Digital-Angeboten umgehen können.
Da FinTechs weiter Einfluss und Marktanteile gewinnen, so der Report, müssen traditionelle Banken ein hybrides Modell entwickeln, in dem sie ihre Middle- und Back-Office-Abläufe hinter den Kulissen modernisieren und gleichzeitig mehrere reine Digital-Einheiten schaffen, um einzelne Kundensegmente zu bedienen.
Efma-CEO John Berry formuliert eine Empfehlung und eine Warnung:
Die Pandemie hat das traditionelle Retail-Banking-Umfeld noch anspruchsvoller gemacht – wenn etablierte Banken relevant bleiben wollen, ist es jetzt an der Zeit, das Finanzwesen in den Lebensstil der Kunden einzubetten und plattformbasierte Modelle zu übernehmen – aufschieben ist keine Option mehr
Banken auf dem Weg zum grünen Banking?
Neben dem Wettbewerbsdruck am Markt sehen sich die etablierten Banken auch einem wachsenden gesellschaftlichen und regulatorischen Druck in Richtung grüner und nachhaltiger Angebote ausgesetzt.
Laut der "Global Retail Banking Voice of the Customer"-Umfrage 2021 wünschen sich 65 Prozent der Verbraucher weltweit, dass Banken ihren ökologischen Fussabdruck durch papierlose Prozesse, den Verbrauch erneuerbarer Energien und das Angebot biologisch abbaubarer Karten reduzieren.
Gute Nachricht und schlechte Nachricht gleichzeitig: Fast ein Drittel der Verbraucher würde für umweltfreundliche Produkte und Dienstleistungen einen Aufpreis zahlen – oder dann für umwelt- und sozialverträgliche Produkte zu einem anderen Anbieter wechseln.
Ausschliesslich digitale Banken sind von Natur aus gut aufgestellt, um nachhaltige Finanzen zu unterstützen – mit papierlosen Prozessen und ohne Filialnetz.