Mit agilen Impulsen aus der Covid-Krise

Agile Banker unterwegs
Bild: metamorworks | Getty Images

Was Banken aus unbürokratischen und effizienten Covid-Kreditvergaben lernen.

Autorinnen: Dr. Bettina Eva Stumpp und Michaela Tanner
Institut für Wealth & Asset Management der ZHAW School of Management and Law

Die Covid-19-Krise hat vielerorts als Beschleuniger innovativer Entwicklungen gewirkt.

Beeindruckendes Beispiel ist die Corona-Kredit-Aktion, welche die Schweizer Banken mit dem Bund zwischen März und Juli 2020 lanciert haben. Die Überbrückungskredite sind in puncto Umfang, Umsetzungszeit und Kredithöhe eine Initiative der Superlative. 

Quasi über Nacht haben alle Akteure dynamisch und flexibel auf die Krisensituation reagiert, um den Kunden die Kredite zu verschaffen. Dynamik und Flexibilität stehen für eine agile Unternehmenskultur und eine solche kann die Handlungsfähigkeit – nicht nur von Banken – beschleunigen, um rasch auf (unvorhersehbare) Veränderungen zu reagieren. 

In einer aktuellen Umfrage bei zehn Angehörigen des Managements verschiedener Banken – meist Leiter der Kreditbereiche – hat das Institut für Wealth & Asset Management der ZHAW untersucht, wie neun unterschiedliche Finanzinstitute, sonst traditionell eher träge, derart schnell reagieren konnten und wieviel Potential an Agilität in den Organisationen schlummert. Banken und Kunden könnten nämlich erheblich profitieren, wenn zumindest einige der Veränderungen, die sich in der Kreditvergabe manifestiert haben, beibehalten würden. 

Drei Befunde waren prominent: Erstens – die immense Solidarität unter den Mitarbeitenden und mit den Betroffenen ragt heraus. Der Stolz, in kürzester Zeit gemeinsam eine ausserordentliche Aufgabe gemeistert zu haben, war während sämtlicher Interviews deutlich spürbar. Möglich wurde dies, indem alle verfügbaren Ressourcen auf das Ziel der Kreditvergabe ausgerichtet waren, und nicht zuletzt, weil die Banken über herausragende Fachspezialisten verfügen, die ihr Handwerk verstehen. Die für agile Arbeitskontexte angestrebte Identifikation mit der Aufgabe («Purpose») und die Orientierung am Kunden stellte sich quasi von selbst ein. Unternehmerischer Geist und eine Can-Do-Mentalität florierten. Doch die Vergabe der Covid-Kredite löste bei einigen wenigen Verunsicherung aus; befürchtet wurde, man könne im Vergleich mit anderen Banken bei dieser Aufgabe den Benchmark nicht erreichen.

Zweitens haben die Interviews exemplarisch gezeigt, dass Bankmitarbeitende und Führungskräfte den Willen und die Fähigkeiten besitzen, in heterogenen und interdisziplinären Teams mit eigener Entscheidungskompetenz zusammen zu arbeiten. Das iterative Vorgehen in – allerdings extrem – kurzen Zyklen für die Lösungsfindung und schnelle Abstimmung wurde als grosser Gewinn gewertet; musste doch eine Abwicklung bereitgestellt werden, mit der Anträge innerhalb weniger Tage unbürokratisch erledigt werden konnten. Fazit: eine engere zeitliche Taktung auch für andere Projekte würden sich künftig viele wünschen.

Dennoch wurde – drittens – das Kreditprogramm fast überall durch eine Task Force, eine durchaus bekannte Grösse im Projektmanagement der Finanzindustrie, abgewickelt. Dass diese Task Force von agilen Elementen durchsetzt war, ist kein Widerspruch, mussten Entscheidungen doch extrem schnell getroffen werden.

Die insgesamt positive Bilanz soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass Banken hinsichtlich agiler Führungs- und Organisationskultur, schlanker Strukturen, digitaler Prozesse sowie flexibler IT-Systeme viel Luft nach oben haben. So war zum Beispiel nur eine einzige Bank bereits vor der Covid-Kreditvergabe in diesem Bereich agil aufgestellt. Auch musste die Mehrheit mit bestehenden IT-Systemen improvisieren und manuelle Workarounds bereitstellen; einige schafften es aber, in kürzester Zeit sogenannte «Roboter» zu entwickeln. Zudem stellte man, unüblich in der Bankenwelt, im agilen Geist die funktionierende Lösung vor die Dokumentation. Rund ein Drittel der Befragten erwähnte den Digitalisierungsschub positiv, einschliesslich der Digitalisierung aller Kreditunterlagen.

Beibehalten aus dieser Aktion möchten die Befragten den klaren Fokus auf eine Aufgabe, die exklusiv für eine Aufgabe eingesetzten Ressourcen, keine Wartezeit für Entscheide («man konnte die Geschäftsleitungsmitglieder ad hoc in Sitzungen einbinden»), Start-Up-Mentalität sowie fachlich übergreifende Kooperationen. Erkenntnisse lauten etwa:

Weniger Personen schaffen in sehr kurzer Zeit sehr gute Lösungen

Oder:

Hätten wir mehr Zeit gehabt, hätten wir mehr diskutiert, aber besser wäre es nicht geworden

Beide weisen über die bekannten «Agility»-Schlagworte hinaus und füllen die Methode mit Leben.

Man staunt über das eindrückliche Potential der Banken im agilen Arbeiten. Denn die heutigen Organisationen scheinen nur dann elastisch, wenn genug Zug oder Druck auf sie einwirkt. Lässt dieser nach, verpufft der Effekt. Eine Interviewpartnerin resümierte:

Tendenziell schwindet der Spirit wieder, um schnell und agil zu sein, man muss ihn immer wieder entfachen

Dazu braucht es aber eine Kultur des lernenden Unternehmens, das neue Erfahrungen macht und mit entsprechenden Anpassungen reagiert. Dieser Lernfähigkeit sind wir in unseren Interviews zwar mehrfach begegnet, aber nur eine einzige Bank hat einen systematischen Ansatz gewählt und selektiert, welche der gemachten Erfahrungen sie konkret für Innovation nutzen möchte. 


Die Autorinnen

Dr. Bettina Eva Stumpp ist Dozentin am Institut für Wealth and Asset Management an der ZHAW School of Management and Law.

Ihr Arbeitsschwerpunkt in Lehre und Forschung sind innovative Methoden für die digitale Transformation der Schweizer Finanzwelt.

Davor war sie 17 Jahre als Senior Project Managerin und in Führungsfunktionen in diversen Bereichen beider Schweizer Grossbanken tätig und danach Consultant für strategische Innovation im Banking.


Michaela Tanner ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Wealth und Asset Management an der ZHAW School of Management and Law.

Ihre Lehr- und Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Agilität, Innovationsmethoden, Customer Experience Management und der Messung von Kundenpräferenzen.  

Davor arbeitete sie über 17 Jahren bei der UBS in diversen, teils leitenden Funktionen innerhalb des Wealth Management, Investment Banking und Asset Management.