Mit dem volatilen Kursfeuerwerk des Bitcoin der letzten Wochen und Monate ist auch das Interesse von kleinen und grösseren Investoren an Kryptowährungen gewachsen. In der Folge verzeichnen zahlreiche Handelsplattformen einen stark ansteigenden Zustrom an neuen Teilnehmern und Kunden.
Das ist aus naheliegenden Gründen auch beim Schweizer Pionier-Unternehmen Bitcoin Suisse der Fall. Naheliegend deshalb, weil der Spezialist für Krypto-Finanzdienstleistungen seit Jahren schon mit Innovationen glänzt und eine entsprechende Präsenz in den Medien geniesst.
Wartezeiten für Neukunden – mit eingebauter Überholspur
Dass aufgrund des Neukunden-Zustroms ausgerechnet der Pionier Bitcoin Suisse die Wartezeiten für Kontoeröffnungen auf vier bis sechs Wochen hochgesetzt hat, ist erstaunlich. Ganz überraschend und unerwartet war und ist die steigende Zahl von Neukunden ja nun nicht gerade. Vor allem nicht für ein Unternehmen, das seit Jahren Kryptowährungen popularisiert und medial ins Bewusstsein breiter Bevölkerungskreise bringt.
Begründet wurde die Wartezeit in den letzten Wochen mit komplexen Onboarding- und KYC-Prozessen. Ob da nun IT-Systeme oder bisher schon längst eingespielte KYC-Prozesse bei erhöhtem Kundenansturm plötzlich ins Flattern geraten, entzieht sich unserer Kenntnis. Aber gut, neu also vier bis sechs Wochen im Wartesaal. Allerdings mit offenem Notausgang für ungeduldige Neukunden mit gezücktem Checkbuch.
Bitcoin Suisse hatte angeboten, gegen eine zusätzliche Gebühr von CHF 250 den Prozess zu beschleunigen. Gewissermassen also VIP- oder Vorzugskarten, wer abdrückt darf die Warteschlange links und rechts überholen. Verkaufsfördernd wurde das mit "Fast-Track-Option" umschrieben.
Im gleichen Zuge wurde ein Mindestbetrag festgelegt, den Neukunden anlegen müssen: nämlich 15’000 Franken für Privatpersonen, 150’000 Franken für Unternehmen.
Die neuen Regeln, insbesondere die eingerichtete Überholspur, dürfte Bitcoin Suisse nicht allzu viele Sympathiepunkte eingebracht haben. Die Maluspunkte in Sachen Gespür für Kunden, Marketing und Kommunikation lassen sich allerdings noch erweitern.
Die Hürden für einstiegswillige Kunden werden kurzerhand höhergesetzt
Die Wartezeiten, um ein Konto bei Bitcoin Suisse eröffnen zu dürfen, bleiben aktuell bei vier bis sechs Wochen. Man hat sich jedoch etwas neues einfallen lassen, um die Reihen der einstiegswilligen Kunden zu lichten. Die Kleinen in der Warteschlange fliegen raus, mittlere und grössere Neukunden müssen erheblich mehr ranklotzen.
Der Ersteinzahlungsbetrag für Privatpersonen ist am 5. März 2021 um mehr als das Sechsfache auf neu CHF 100'000 erhöht worden, für Unternehmen läuft nichts unter CHF 500'000. Die brachiale Türsteher-Hürde dürfte Wirkung zeigen, ein beträchtlicher Teil der Privatpersonen wird sicherlich nicht mit hunderttausend Franken ins Abenteuer Kryptowährungen einsteigen wollen. Oder auch schlicht nicht können.
Die neuen Kleinkunden-Abwehrmassnahmen werden als "vorübergehend" deklariert und damit begründet, dass eine "beispiellose Kundennachfrage" eben besondere Massnahmen rechtfertigen würde. Als Notwendigkeit, wie sich das Unternehmen erklärt, um für Kunden einen qualitativ hochwertigen Service in Technologie, Abwicklung und Support sicherstellen zu können. Davon dürfen allerdings nur jene Kunden profitieren, die nach dem Durchfegen durch die Reihen der Warteschlange noch übrigbleiben.
Fazit
Löbliche Absichten, durch und durch. Der vermutete Hauch von Ironie täuscht, es sind offensichtlich tatsächlich vitale Probleme in IT, Onboarding oder KYC aufgetaucht, welche das Unternehmen aktuell an den Anschlag bringen.
Nur: Bitcoin Suisse ist Opfer der Auswirkungen eines selbst produzierten und deshalb auch durchaus vorhersehbaren Erfolges. Eigentlich eine traumhafte Ausgangslage. Diesen Erfolg hat man jetzt aber nicht kommen sehen, ist deshalb überrascht, überfordert und auf der Flucht vor einem ausgesperrten Kundensegement – die kleineren Kunden eben. Das sind jene, die nicht ganz unwichtig sind, um Bitcoin und Kryptowährungen in der Gesellschaft und in den Märkten in die Breite zu bringen.
Wie wortreich und beschwichtigend die gewählten Massnahmen auch begründet werden, hier zu lesen, sie hinterlassen bei Kunden, die über massiv hochgeschraubte Mindesteinlagen abgewiesen werden, kein gutes Gefühl, weil sie den Kryptomarkt in eine Zweiklassen-Gesellschaft aufteilen. Ausgerechnet von einem Flaggschiff der Kryptobranche, das auf seinen selbst produzierten Erfolg nicht vorbereitet ist.
Als Meisterleistung in Sachen Sensibilität, Kundennähe, Marketing und Kommunikation wird das Beispiel wahrscheinlich nicht in die Geschichte eingehen.