Waren Kryptowährungen vor einigen Jahren noch das Experimentierfeld für Nerds und Neo-Freaks, spielen die ernstzunehmenden Kryptowährungen heute ganz anderswo.
Die Geschichte kennen alle, die besagt, dass der Bitcoin-Pionier Laszlo Hanyecz 2010 zwei leckere Pizzen für 10'000 Bitcoins gekauft hat.
Der damalige Gegenwert von rund 40 US-Dollar (es waren extragrosse Pizzen) würde heute über 100 Millionen Dollar betragen. So grosse Pizzen kann keiner backen.
Zehn Jahre, drei Bitcoin Halvings und viele Unkenrufe später hat's den Bitcoin nicht vom Feld geblasen, wie zahlreiche Kritiker permanent prognostiziert haben, es gibt ihn noch. Und mit ihm weitere Kryptowährungen und Altcoins, die seiner Fährte folgen.
Was trennt den Bitcoin heute noch von seiner Position als Alltagswährung?
Nicht mehr sehr viel und deshalb wird's ziemlich sicher keine weiteren zehn Jahre dauern, bis der Bitcoin Teil des Alltags sein wird. Die aktuell weiterhin hohe Volatilität dürfte sich im Laufe der Zeit legen, für die heute noch eingeschränkte Tauglichkeit als universelles Zahlungsmittel im Alltag finden sich Lösungen.
Was noch fehlt, ist die Selbstverständlichkeit oder der gewohnte und selbstverständliche Umgang der breiten Bevölkerung mit Kryptowährungen im Alltag. Die Distanz zur Alltagstauglichkeit hat sich inzwischen allerdings deutlich verkürzt. Warum und an was lässt sich diese Behauptung festmachen? Einige Beispiele:
Raum und Dauerpräsenz in den Medien
Zur neuen Selbstverständlichkeit tragen Medien bei, die das Thema Kryptowährungen laufend von verschiedenen Seiten beleuchten und in die Breite tragen. Was man jeden Tag hört und liest, erobert Platz im Alltag, im Bewusstsein und wird normal.
Apps für breite Bevölkerungsgruppen
Plattformen wie Revolut, Bison oder auch Swissquote haben mit ihren Apps schon früh den Handel mit Kryptowährungen geöffnet und für ihre Kunden das Kaufen, Halten und Verkaufen von Bitcoin und weiteren Altcoins sehr einfach gemacht.
Klassische Banken mit digitaler DNA
Digital ausgerichtete Banken wie die Hypothekarbank Lenzburg oder die Bank Cler ziehen nach und bieten ihren Kunden vergleichbare Services, wie sie bereits die Vorreiter mit ihren Apps im Programm haben.
Klassische Banken mit traditioneller DNA
Etwas weniger offensiv operierende Banken bieten in wachsender Zahl ihren Kunden und Anlegern verschiedene Anlageformen und Instrumente, die auf Kryptowährungen basieren.
Kryptobanken
Kryptobanken mit Spezialisierung auf Tokenisierung und digitale Assets bringen laufend zusätzliche Services und öffnen Zugänge, auch zu Kryptowährungen, zum Beispiel die Sygnum Bank oder Seba.
Investoren
Institutionelle oder private Investoren und Family Offices diversifizieren ihre Portfolios zunehmend mit Positionen aus Bitcoins oder mit Anlage-Instrumenten, die auf Kryptowährungen basieren.
Welche Entwicklungen Kryptowährungen den Weg in den Alltag ebnen
Eine inzwischen grosse Industrie entwickelt laufend Technologien, Instrumente und Services, um Bitcoin und andere populäre Kryptowährungen in den ganz normalen Finanz-Alltag zu bringen.
Zudem: Jede publikumswirksame Nachricht hilft mit, das Tempo zu beschleunigen. Dazu gehört aktuell zum Beispiel die Ankündigung der Krankenkasse und Gesundheitsversicherung Atupri, Zahlungen ihrer Kunden ab sofort in Bitcoin oder Ether zu akzeptieren. Oder auch die Entscheidung des Kantons Zug, dass Steuerzahler ab Februar 2021 ihre Steuerrechnung mit Bitcoin oder Ether begleichen zu können.
Ob Kunden der Atupri oder Steuerzahler im Kanton Zug ihr Zahlungsverhalten nun tatsächlich ändern oder nicht, ist nicht der springende Punkt – die Haltung der Bevölkerung gegenüber Kryptowährungen verändert sich durch die Metabotschaft: Bitcoin und Ether sind ganz normale alternative Währungen, die sogar von der Krankenkasse oder vom Steueramt akzeptiert werden.
Diese und zahlreiche weitere Nachrichten schaffen Interesse und Bewusstsein, öffnen für breite Bevölkerungsgruppen den Zugang zu Kryptowährungen und damit für Bitcoin und Co. die Türen zum Alltag.
Deshalb: Die Frage stellt sich längst nicht mehr, ob Bitcoin, Ether und einige andere Altcoins überleben werden – sie haben überlebt und werden in Zukunft gestärkt zusätzlichen Raum beanspruchen. Die Frage ist vielmehr, wann diese Kryptowährungen zum ganz normalen Finanz- und Zahlungsalltag gehören und als komfortable alternative Währungen von allen eingesetzt werden können. So gut wie sicher ist, weitere zehn Jahre wird es nicht dauern.
Wie lässt sich diese Entwicklung erklären?
Vor einigen Wochen und zum Anlass des dritten Halvings haben wir am Beispiel des Bitcoin aus unserer Sicht erklärt, was für die Kryptowährung spricht und aus welchen Gründen der Bitcoin sich als Breitenbewegung durchsetzen kann. Wir zitieren uns selbst und bringen unsere Betrachtungen vom Mai 2020 im Folgenden nochmals in der Zusammenfassung.
Pragmatische Betrachtungen zum Bitcoin (Auszug aus unserem Artikel vom 14. Mai 2020)
Aus aktuellem Anlass heute deshalb keine technische Betrachtung und auch keine kluge Analyse mit unterstützenden Zahlen und Fakten. Im Folgenden schlicht einige Beobachtungen, welche den Unterschied zwischen einem Phänomen für Nerds und Spezialisten (früher) und einer erkennbaren Breitenbewegung (aktuell auf dem Weg) ausmachen. Diese Beobachtungen zeigen, was der Bitcoin bereits geschafft hat und weshalb die Kryptowährung heute an einem ganz anderen Punkt steht, als noch von ein paar Jahren.
Die Bitcoin-Menge ist limitiert
Sind 21 Millionen Bitcoins geschöpft und auf dem Markt, ist Schluss. Die durch die Halvings langsamer wachsende "Geld"-Menge wird ihren Endpunkt 2040 erreicht haben, danach gibt's keine neuen Bitcoins mehr. Die bestehenden jedoch bleiben da. Im Gegensatz zu Fiatgeld und traditionellen Währungen, deren Menge durch die Zentralbanken jederzeit beliebig verändert werden kann (und auch verändert wird), kann die Zahl der Bitcoins im Umlauf nach 2040 weder vergrössert noch künstlich aufgeblasen werden.
Das beeinflusst den Wert des Bitcoin. So wie Gold nicht endlos geschürft werden kann, was Gold zum "sicheren Hafen" macht, so verhält es sich auch mit dem Bitcoin. Im Gegensatz zu Gold allerdings sogar deutlich konsequenter. Neue Goldvorkommen werden noch gefördert werden können, wenn der Bitcoin sich schon längst mit limitierten 21 Millionen Einheiten bescheidet. Heute steht der Bitcoin bei gut 18 Millionen Einheiten, das heisst 85 Prozent der Gesamtmenge an Bitcoins ist bereits im Umlauf – in den nächsten Jahren werden also nur noch rund 3 Millionen neue Einheiten dazukommen.
Von der Exoten-Währung zum akzeptierten Asset
Pochte das "Experiment Bitcoin" vor Jahren vergeblich an die Türen von traditionellen Banken, sind heute die meisten oder zumindest zahlreiche klassische Banken mit im Bitcoin-Boot – auf die eine oder andere Weise. Ob Bitcoin und Kryptowährungen direkt gekauft und gehalten werden können oder ob verschiedene Anlage-Instrumente angeboten werden, spielt erstmal keine Rolle. Wichtig ist, eine Bank ohne Bitcoin- oder Krypto-Assets hinterlässt enttäuschte Kunden, welche Zugang haben wollen. Deshalb ist der Bitcoin auch für klassische Banken zum Thema geworden.
Anleger und Investoren
Wurde Bitcoin vor einigen Jahren noch als digitales Abenteuer betrachtet, das gerade noch als Spielplatz für Spinner und Hasardeure tauglich ist, sind heute Privatanleger, Family Offices und Institutionelle mit im Spiel. Aufgrund der (auch heute noch) hohen Volatiltität vor einiger Zeit noch primär als handelbares Kurzfrist-Instrument betrachtet, um schnell hohe Gewinne oder hohe Verluste einzufahren, ist der Fokus heute zunehmend auf längerfristige Anlagen ausgerichtet. Dem Bitcoin und einigen anderen Kryptowährungen traut man inzwischen zu, dass sie mittelfristig Kurse und Werte erreichen, die für Überraschungen sorgen können.
Die Prognostiker
Die Kursprognosen im "normalen" Bereich reichen von Null bis 20'000 US-Dollar pro Bitcoin in den nächsten Jahren. Euphorische Marktteilnehmer sehen eine Spanne zwischen 50'000 und 500'000 Dollar als durchaus realistisch. Die Winklevoss-Brüder haben kürzlich aufgrund der aktuellen Devisen- und Inflations-Gemengelage einen Kurs von 600'000 Dollar als möglich bezeichnet. Andere Euphoriker (zum Teil auch knallharte Rechner) toppen diese Prognose, allerdings mit einem längeren Zeithorizont.
Ob der Kurs in einigen Jahren bei Null oder bei 600'000 Dollar liegen wird, steht in den Sternen und ist in unserer pragmatischen Betrachtung ohne Glaskugel nicht der Punkt. Wichtig ist, dass durch diese und weitere publizierte Prognosen die Fantasien beflügelt werden. Beflügelte Fantasien motivieren weitere Investoren, über den Bitcoin nachzudenken. Die wachsende Zahl von Investoren schafft Vertrauen, allerdings noch auf sehr dünnem Eis. Sollte sich eine der realistischen Prognosen erfüllen, wird das Eis dicker. Und dickeres Eis macht den Bitcoin tatsächlich stärker im Markt, zieht neue Investoren an und baut das noch fragile Vertrauen weiter aus.
Jede Währung, ob digital oder traditionell, lebt letzenendes vom Vertrauen. Gelingt es dem Bitcoin, den fehlenden Staat oder besser die fehlende Zentralbank im Hintergrund durch andere vertrauensbildende Faktoren zu ersetzen, wird sich eine Währung etablieren, die gewaltig an Stärke gewinnen kann. Gelingt das nicht, war Bitcoin ein spannendes Experiment, das Wege zu anderen Experimenten öffnet.
Das mediale Umfeld
Vor einigen Jahren noch in einer Mischung aus interessiert und argwöhnisch beäugt, gehört die Berichterstattung über Bitcoin und Kryptos heute zum Alltag der Medien. Der Bitcoin wird seit einiger Zeit von zahlreichen Medien auch auf der täglichen Übersichts-Liste der wichtigsten Assets geführt, neben Indices, Fiat-Währungen, Öl und Gold.
Dieser Umgang zeigt die Entwicklung und den Unterschied zwischen 2009 und heute. Der Bitcoin ist zum selbstverständlichen Asset geworden – noch etwas exotischer als andere, aber eben dennoch bereits gewohnt und selbstverständlich.
Der Siegeszug in die Breite
Diese mediale Breite hat auch zu einer Breitenentwicklung beim Publikum geführt. War der Bitcoin vor einigen Jahren das Spekulations-Objekt von Wenigen, ist der Bitcoin heute bereits die alternative Anlage von Vielen. Stark dazu beigetragen haben Banken wie Swissquote in der Schweiz, die Börse Stuttgart mit der Krypto-App Bison oder auch FinTechs und Neo-Banken wie Revolut, um nur einige Beispiele zu nennen.
Sie alle haben dafür gesorgt, dass Bitcoin und andere Kryptos von ganz normalen Menschen sehr einfach gekauft, gehalten und verkauft werden können. Ohne grosse Hürden und ohne Rätsel um verschiedene Arten von Wallets oder Private Keys lösen zu müssen, welche Normalbürger sehr schnell überfordern. Die verschiedenen Apps mit konsequenter Ausrichtung auf komfortabel, schnell, einfach und sicher haben den Bitcoin und Kryptowährungen zum Thema für breite Bevölkerungsgruppen gemacht. Diese Entwicklung hat bereits eine gewisse Breite erreicht, welche sich eher schnell noch deutlich vergrössern wird.
Im Fokus der Zentralbanken
Nicht der Bitcoin im Besonderen, aber Kryptowährungen generell haben bei Politik und Zentralbanken neue Überlegungen angestossen, die vor 2009 kein Thema waren. Abgeleitet von Kryptowährungen denken Zentralbanken über nationale digitale Währungen nach und experimentieren gedanklich oder real mit CBDCs (Central Bank Digital Currency). Sehr stark zusätzlich auch inspiriert, um nicht zu sagen aufgescheucht, durch das Libra-Projekt.
Auch diese Aktivitäten, welche in Medien beobachtet und kommentiert werden, befeuern den Bitcoin. CBDSs sind keine Kryptowährungen im klassischen Sinne, aber die blosse Verwandschaft wirft eben auch einen hellen Schein auf den Bitcoin und verschafft ihm zusätzliche Aufmerksamkeit.
Die vehementesten Kritiker sind leise bis still geworden
Medien, Blogs und Social Medias waren lange Zeit voll mit Artikeln von vehementen Krypto-Gegnern, welche in Ton und Tenor zwischen warnen, verteufeln oder heftig verdammen angesiedelt waren. Unabhängig vom Temperament waren sich alle diese zahlreichen Schreiber in einem Punkt einig: die Idee und das Konstrukt des Bitcoin kann und wird nicht überleben, der baldige Tod steht bevor. Die Frage war nur: langsames Sterben oder Exitus mit Knall, Getöse und einem Heer von Verlierern.
Um diese Fraktion, sie war gross und sehr hörbar, ist es erstaunlich ruhig geworden. Wie ruhig? Das Branchenportal Kryptoszene hat kürzlich rapportiert, dass die Anzahl der Berichte über das baldige Sterben der Digitalwährung Bitcoin sich um "98 Prozent" verringert hätten. Ob die schweigenden Autoren inzwischen zu Bitcoin-Investoren geworden sind oder in Anbetracht der gesamten Krypto-Entwicklung schlicht kapituliert haben, wusste die Kryptoszene nicht zu berichten.
Fakt jedoch bleibt: Das Ausbleiben des Abgesangs und der oftmals hämischen Artikel über den kurz bevorstehenden Tod von Kryptowährungen hat medialen Raum geschaffen, der mit sachlichen und informativen Stories zu Bitcoin und Kryptos gefüllt wird. Mit Geschichten und Details zur erstaunlichen Entwicklung, ohne Begleiterscheinungen wie Volatilität, Risiken und andere Faktoren auszublenden.