Warum junge Menschen auf einen Erbvorbezug hoffen

Drei Generationen einer Familie auf dem Sofa

Für die Generationen Y und Z ist ein Erbvorbezug oftmals die einzige Möglichkeit, den Traum vom eigenen Haus zu verwirklichen.

Eine Umfrage von Raiffeisen und der ZHAW zum Tabuthema Erbschaft zeigt als Resultat in der kürzesten Form: Wenig wissen, langes Zaudern.

Klare Vorstellung ohne klare Regelungen

Drei Viertel der Befragten, die Vermögen weitergeben möchten, haben klare Vorstellungen, was mit ihrem Erbe geschehen soll – insbesondere, wenn es um Wohneigentum geht.

33 Prozent der Befragten möchten die Nachkommen finanziell beim Eigenheimkauf unterstützen, 24 Prozent möchten ihr Wohneigentum weitergeben, solange sie noch leben. Zwischen Wunsch und Realität bestehen hier allerdings Unterschiede.

«Weil die Menschen immer älter werden, ist das Erbe in der Regel ein später Geldsegen. Das dürfte ein Grund sein, weshalb 34 Prozent bereits die übernächste Generation – in der Regel die Enkelkinder – begünstigen möchten», sagt Tashi Gumbatshang, Leiter Kompetenzzentrum Vermögens- und Vorsorgeberatung bei Raiffeisen Schweiz.

Dokumente wie ein Erbvertrag oder Testament werden in der Regel erst nach dem 50. Lebensjahr erstellt. Die Umfrage zeigt, dass dennoch nur 46 Prozent der 51- bis 79-Jährigen ihren Nachlass geregelt haben.

Erbvorbezug bleibt für viele ein Wunschtraum

35 Prozent der Befragten gehen davon aus, in Zukunft eine Erbschaft oder einen Erbvorbezug zu erhalten. Von den 18- bis 30-Jährigen würde etwas mehr als ein Drittel (35%) einen Erbvorbezug favorisieren und 14 Prozent sogar erwarten.

Je jünger die Befragten, desto wichtiger sind die immobilienbezogenen Motive: 49 Prozent der 18- bis 30-Jährigen würden den Erbvorbezug für die Finanzierung einer eigenen Wohnung oder eines Hauses nutzen und 18 Prozent für die Übernahme des Elternhauses. Bei den 31- bis 50-Jährigen sind dies mit 36 beziehungsweise 15 Prozent bereits weniger.

Frank Frey, Co-Leiter Fachzentrum Erbschaftsberatung bei Raiffeisen Schweiz, zu dieser Erkenntnis: «Ein Eigenheim können sich heute viele junge Personen nur noch dank der finanziellen Unterstützung der Eltern leisten. Vermögen weitergeben, damit die Kinder in eigenen vier Wänden leben können, ist auch die Absicht vieler Eltern.»

Dem Wunsch der Nachkommen, die finanziellen Mittel dann zu erhalten, wenn sie diese effektiv benötigen, kommen hingegen nur wenige nach. Die grosse Mehrheit der Erblassenden möchte das Vermögen erst nach dem Tod weitergeben. Lediglich 17 Prozent der Befragten planen einen Erbvorbezug oder eine Schenkung zu machen.

Die Umfrage zeigt weiter, dass die Absicht, Vermögen frühzeitig zu vererben, stark von der Anzahl Kinder abhängt. Mehr als ein Viertel der Befragten mit zwei oder mehr Kindern sagen, dass sie schon vor dem Tod einen Teil des Erbes weitergeben möchten. Bei Personen mit einem Kind sind es 17 Prozent und bei kinderlosen Personen gar nur sieben Prozent.

Wissenslücken bergen Risiken, besonders für Konkubinats-Paare

Die Befragung zeigt, dass mit zunehmendem Alter das Wissen über das Thema Erbschaft steigt. So weiss beispielsweise die grosse Mehrheit der über 50-Jährigen, dass es bei der Erbschaftssteuer kantonale Unterschiede gibt und die Steuer sowohl vom Verwandtschaftsgrad als auch von der Höhe des vererbten Vermögens abhängt.

Grosse Wissenslücken gibt es beim Konkubinat. Nur knapp die Hälfte (47%) der Personen über 50 Jahren weiss, dass Konkubinats-Partnerinnen und -Partner in vielen Kantonen dem höchsten Erbschaftssteuersatz unterliegen. Bei der jüngsten Alterskategorie der 18- bis 30-Jährigen ist dies lediglich einem Drittel bekannt.

Auch wissen 35 Prozent der 18- bis 30-Jährigen und ein Viertel der 31- bis 50-Jährigen nicht, dass sich Konkubinats-Paare im Testament oder Erbvertrag gegenseitig begünstigen müssen, um überhaupt erbberechtigt zu sein. Ohne gegenseitige Absicherung geht der überlebende Partner leer aus.

Bei den über 50-Jährigen ist dies für deutlich weniger als 20 Prozent ein Fragezeichen. «Fehlendes Wissen birgt in solchen Lebenskonstellationen ganz klar grosse Risiken, da nicht rechtzeitig entsprechende Vorkehrungen getroffen werden», sagt Dr. Jürg Portmann, Co-Leiter Institut für Risk & Insurance an der ZHAW School of Management and Law.

Fazit

Das Thema Erben ist mit der Realität des eigenen Todes verbunden. Deshalb wird das Thema oftmals nicht "angefasst" oder weit vor sich hergeschoben. Das ist verständlich.

Dennoch: Ältere Menschen können in Ruhe noch älter werden, wenn ihr Nachlass so geregelt ist, wie sie sich das wünschen. Für jüngere Menschen rückt der Traum vom Eigenheim näher, wenn sie zu Lebzeiten der Eltern einen Erbvorbezug erhalten. Und für Konkubinats-Paare sind rechtzeitige Vorkehrungen besonders wichtig, um den überlebenden Partner abzusichern.