Dass die Corona-Pandemie das Zahlungsverhalten verändert, ist hinlänglich bekannt, erstaunliche Details sind weniger bekannt. Eine neue Studie weiss mehr.
Der "Swiss Payment Monitor" ist eine gemeinsame Studie der ZHAW (Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften) und der Universität St. Gallen. Seit 2018 erscheint die Studie jährlich, aktuell zum ersten Mal in der halbjährlichen Ausgabe. Die umwälzenden Entwicklungen an der Zahlungsfront scheinen einen Halbjahres-Intervall zu rechtfertigen.
Durch die Kombination von Onlinebefragung und Tagebucherhebung sowie durch die Verknüpfung mit öffentlichen Daten der Schweizerischen Nationalbank (SNB) kann der tägliche Einsatz der Zahlungsmittel realitätsgetreu abgebildet werden. Insgesamt wurden von Ende November bis Mitte Dezember 2020 über 1'400 Personen im Alter zwischen 18 und 75 Jahren aus allen drei Landesteilen repräsentativ befragt.
Neu und überraschend: Kreditkarten stehen beim Umsatz an der Spitze
Die Kreditkarte ist neu das umsatzstärkste Zahlungsmittel in der Schweiz. Mit ihr geben die Menschen am meisten Geld aus, nämlich 24 Prozent ihrer Ausgaben.
Im Vergleich zum Vorjahr hat die Kreditkarte damit die Debitkarte von der Spitzenposition verdrängt. ZHAW-Zahlungsmittelexperte Marcel Stadelmann hat dafür eine logische Erklärung:
Dies geht vor allem auf die Zunahme von Online-Käufen seit Ausbruch der Corona-Pandemie zurück
Das heisst: die Kreditkarte wird nicht am häufigsten verwendet, sie produziert jedoch die grössten Umsätze.
Ebenfalls gemessen am Umsatz folgen nach Spitzenreiter Kreditkarte die Rechnung mit 22 Prozent, die Debitkarte mit 21 Prozent und Bargeld mit 13 Prozent.
Am häufigsten wird nach wie vor mit Bargeld bezahlt
Gemessen an der Anzahl Transaktionen ist Bargeld immer noch das am häufigsten genutzte Zahlungsmittel mit einem Anteil von 32 Prozent, knapp vor der Debitkarte mit 31 Prozent.
Der Bargeldgebrauch ging allerdings in Bezug auf den Umsatz rund 10 Prozentpunkte zurück und hat gegenüber dem Vorjahr auch bei der Anzahl der Transaktionen rund 13 Prozentpunkte nachgegeben.
Diese Entwicklung zeigt, dass auch kleinere Beträge immer öfter bargeldlos beglichen werden. Das hat zusätzlich Auswirkungen auf die Ausstattung des Portemonnaies: im Durchschnitt trägt jede Schweizerin und jeder Schweizer nur noch rund 50 Franken Bargeld auf sich, das ist ein sattes Minus von -29 Prozent.
Inzwischen läuft jede zehnte Zahlung über ein mobiles Gerät
Das klingt noch nicht nach berauschend viel, steht jedoch für eine starke Zuwachsrate. Zahlungen mit mobilen Geräten wie vor allem dem Smartphone haben sich innerhalb eines Jahres bezogen auf den Umsatzanteil mehr als verdoppelt – und auch die Anzahl der Transaktionen hat um mehr als die Hälfte zugenommen.
«Fast 10 Prozent aller Transaktionen werden mittlerweile unabhängig von der Betragshöhe mit einem mobilen Gerät abgewickelt», sagt Tobias Trütsch, Zahlungsökonom der Universität St. Gallen. «Insbesondere bei Kleinstbeträgen und Onlinezahlungen war das Wachstum enorm.»
Im Distanzgeschäft macht mobiles Bezahlen mit knapp 30 Prozent der Transaktionen sogar den grössten Anteil aus, gefolgt von der Rechnung mit 29 Prozent und der Kreditkarte mit 22 Prozent.
Was lange Jahre nahezu regungslos vor sich hingedümpelt ist, hat zwangsläufig viel Potenzial nach oben und steigert sich durch den Auslöser der Corona-Pandemie in Richtung von wahrnehmbaren Dimensionen. Das späte Erwachen aus dem Dornröschenschlag und die Änderung von Gewohnheiten kann Mobile Payments auch in Zukunft Auftrieb verschaffen.
Apps mit integrierter Bezahlfunktion werden genutzt
Am häufigsten mobil bezahlt wird über Apps mit integrierter Bezahlfunktion (21 Prozent der Transaktionen über mobile Geräte). Ein Beispiel dafür ist der Ticketkauf in Apps von ÖV-Unternehmen. Daneben nutzen viele Menschen das Smartphone zum Zahlen in Ladengeschäften via QR-Code (20 Prozent) und via kontaktlose Datenübertragung (NFC) mit 13 Prozent.
In-App-Zahlungen sind auch die mobile Bezahlform, die den Menschen am besten gefällt, gefolgt von Überweisungen an Privatpersonen via Bezahl-Apps wie Twint sowie dem Bezahlen im Internet mit QR-Code und mit hinterlegten Bezahldaten.
Pandemie macht kontaktloses Zahlen zum neuen Standard
Nicht nur mit dem Smartphone, auch mit Bezahlkarten ist kontaktloses Bezahlen der neue Standard. Rund drei Fünftel aller Transaktionen und die Hälfte des Umsatzes mit Bezahlkarten werden inzwischen kontaktlos abgewickelt. Seit Ausbruch der Pandemie sind die entsprechenden Anteile je um rund 10 Prozentpunkte gestiegen.
Tobias Trütsch weiss, was mit zu dieser Entwicklung beigetragen hat:
Insbesondere die Anhebung der Limite für kontaktlose Zahlungen ohne PIN auf 80 Franken und die Aufforderung seitens der Händler waren dabei ausschlaggebend
Die Grafik zeigt, wie sich das Bezahlverhalten durch die Corona-Pandemie generell verändert hat:
Wie profitieren Neo-Banken von diesen Entwicklungen?
Ein Fünftel der Schweizerinnen und Schweizer hat schon mindestens einmal neue Online-Banklösungen der Neo-Banken genutzt. Die Leistungen der digitalen Player werden besonders von Männern in der deutschsprachigen Schweiz genutzt.
Überraschendes Ergebnis beim Bekanntheitsgrad Insgesamt kennen rund zwei Drittel der Personen hierzulande mindestens einen der gängigsten Neo-Banken und App-Anbieter.
Am bekanntesten sind CSX der Credit Suisse (40 Prozent Bekanntheitsanteil), Revolut (37 Prozent) und Zak (29 Prozent).
Erstaunlich ist das Ergebnis deshalb, weil Bekanntheits-Spitzenreiter CSX erst gerade seit einem halben Jahr aktiv im Markt operiert. Die geballte Marketing- und Werbepower der Credit Suisse scheint zu wirken.
Ein anderes Bild bei der konkreten Nutzung Der britische Anbieter Revolut wird am häufigsten genutzt (10 Prozent der Befragten), gefolgt vom ebenfalls britischen Wise und dem Schweizer Anbieter Neon (je 6 Prozent der Befragten).
Erstaunliches auch bei den Motiven Die Hauptgründe für die Nutzung von Neo-Banken sind die einfache und praktische Handhabung sowie die rasche Überweisung und die ständige Verfügbarkeit. Das allein ist noch nicht überraschend, diese Treiber liegen auf der Hand.
Über einen bemerkenswerten Wandel der Motive weiss hingegen Marcel Stadelmann zu berichten:
Interessanterweise sind die vorteilhafte Gebührenstruktur und insbesondere die günstigen Wechselkurse nicht mehr gleich ausschlaggebend wie in den Vorjahren
Auf den ersten Blick ist dieser Wandel erstaunlich, auf den zweiten Blick allerdings auch erklärbar. Neo-Banken schrauben seit bereits seit einiger Zeit an ihren Gebührenstrukturen und machen zudem die Kostenlos-Konten tendenziell unattraktiver. Dazu kommt, dass traditionelle Banken mit ihren Apps versuchen, auch im Pricing wie smarte Neo-Banken aufzutreten, das verringert zusätzlich die Distanzen.
Die günstigen Wechselkurse verlieren zumindest zum Teil an Bedeutung, wenn Ausland-, Ferien- und Reisepläne in Corona-Zeiten stark in den Hintergrund rücken. Die Wechselkurse und die Gebühren drumherum werden wieder wichtiger, sobald die Welt sich für Reisen öffnen darf.
Die Wechselbereitschaft scheint massiv zu steigen Drei Fünftel der Nutzerinnen und Nutzer von Neo-Banken verwenden deren Online-Bankservices ergänzend zu den herkömmlichen Anbietern.
Rund 10 Prozent haben aufgrund der neuen Online-Bankservices Leistungen eines herkömmlichen Anbieters gekündigt und beachtliche 30 Prozent beabsichtigen, dies in Zukunft zu tun.
Bleibt's bei den 30 Prozent nicht bei der blossen Absichtserklärungen und lässt fast jeder Dritte der Absicht auch konkrete Taten folgen, stehen Neo-Banken erfreuliche Zeiten bevor. Traditionellen Banken allerdings auch, sofern sie die Zeichen der Zeit erkennen und mit starken Apps ebenfalls zu Neo-Banken werden.
Swiss Payment Monitor 2021: Mehr und Details
Den Swiss Payment Monitor 2021 gibt's als Kurzbericht, der alles Wesentliche auf 23 prallen Seiten zusammenfasst – das PDF kann kostenlos hier runtergeladen werden.
Wer's lieber auf dem Monitor mag: Die Präsentation der Highlights zum Swiss Payment Monitor 2021 ist hier zu finden.
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