Deutschlands Konsumenten haben schon zahlreiche Mobile Payment-Lösungen kommen und gehen sehen. Einige sind auch geblieben. Den Sprung zur führenden App mit aufsehenerregenden Userzahlen hat noch kein Anbieter geschafft.
Keine der bisherigen Lösungen zieht Massen von zufriedenen Konsumenten an, welche mobiles Bezahlen als willkommene Alternative zum Bargeld und zu Karten betrachten. Woran liegt's?
Fragmentierung – vom einen zu viel, vom anderen zu wenig
Das Zuviel liegt in einer Überforderung. Auf Konsumenten prasseln, nicht nur in Deutschland, zu viele Lösungen ein, die im Kern und vereinfacht gesagt alle dasselbe können: Bezahlen. Viel mehr meistens nicht. Auch das blosse Bezahlen können aber nicht alle Lösungen gleich gut und vor allem nicht überall. Unterschiede bei Standards, Anwendbarkeit und Komfort führen zu einem Flickenteppich von Lösungen, den kein Konsument entwirren will, der mit Bargeld und Karten seit längerem eigentlich ganz gut bedient ist.
Das Zuwenig ist bereits durch das Zuviel mit Defiziten erklärt – und damit lässt sich der Wunschzettel der Konsumenten schreiben. Ebenfalls vereinfacht gesagt: Bitte eine Lösung, die komfortabel und wunderbar einfach funktioniert, überall eingesetzt werden kann, unterschiedliche Standards nicht zu meinem Problem macht, eine Lösung, die selbstverständlich bezahlen kann und darüber hinaus zahlreiche Dinge für mich tut, löst und organisiert, welche mein Leben einfach machen.
Mehrere Studien belegen, dass Konsumenten und Kunden gerne eine (eine einzige, höchstens zwei) universelle Apps für alles hätten, das überrascht aus Sicht von Kunden nicht. Ebenso wenig erstaunt, dass der aktuelle Flickenteppich mit x Teillösungen wenig dazu beitragen kann, Konsumenten fürs mobile Bezahlen übers Smartphone zu begeistern. Einige werden das tun, eine Massenbewegung sieht anders aus.
Mobile Payment: Die Lösung der Sparkassen-Gruppe
Die gemeinsame Lösung der Sparkassen ist am 2. Juli 2018 für die ersten acht Institute gestartet, ab 30. Juli kommen weitere 300 dazu und bis Ende 2018 sollen praktisch alle Sparkassen das Bezahlen mit dem Smartphone in ihrem Portfolio führen. Die App kann das, was man von einer mobilen Bezahl-Lösung in der Pflicht erwartet: Bezahlen. Das tut sie mit Android Smartphones und über NFC. Die Kür steht noch aus, Ausbaupläne sind bisher nicht bekannt.
Im Gegensatz zu anderen Lösungen führt die Sparkassen-Variante allerdings einen klaren Vorteil mit im Gepäck: die App funktioniert nicht nur über hinterlegte Kreditkarten, Sparkasse-Kunden können ihre Girocard hinterlegen – dadurch werden Smartphone-Zahlungen direkt vom Konto des Kunden abgebucht. Das ist ein klarer Pluspunkt, ändert jedoch nichts an der Ausgangslage, dass die App nur bezahlen kann und auch das "nur" für Sparkassen-Kunden. Davon gibt es allerdings sehr viele.
Rund 45 Millionen Sparkassen-Kunden
Bieten bis Ende 2018 alle Sparkassen die App an, könnten grundsätzlich rund 45 Millionen Sparkassen-Kunden den Service nutzen. Ob sie das tun werden und in welchen Grössenordnungen, wird sich zeigen. In Kombination mit dem Argument der Girocard besteht in der Kommunikation sicher ein Kanal zu einer Masse von Kunden, die möglicherweise einen Schritt näher ans mobile Bezahlen herangeführt werden kann.
Wie nahe genau, wird sich in späteren Schritten wahrscheinlich nicht über den Vergleich von reinen Bezahl-Lösungen entscheiden, Konsumenten wünschen sich mehr. Wer dieses Mehr bringt, dürfte sehr klar im Vorteil sein.
Was kommt noch?
So sehr sich nationale Anbieter beeilen, mit Google Pay oder Apple Pay (in der Schweiz seit Juli 2016 im Markt, in Deutschland noch nicht aktiv) gleichzuziehen und damit auch weiteren Big Techs zuvorzukommen, so sehr üben sich Konsumenten in Geduld. Bisher haben sie noch jeder Lösung, was die wirklich grossen Zahlen und Durchsetzung auf breiter Front angeht, die kalte Schulter gezeigt.
Das ist insofern nachvollziehbar, also sie ja haben, was sie wollen, wenn es "nur" ums Bezahlen geht. Der Unterschied zwischen Karte und Smartphone mit hinterlegter Karte scheint zu gering und taugt nicht als Lockstoff, so lange die oben formulierten Ansprüche an Vielseitigkeit, Einfachheit und Komfort mit dramatisch ausgebauten Leistungspaketen nicht erfüllt werden.
Irgendwann werden sie aber erfüllt, die Frage ist nur, durch wen? Google Pay (seit Juni 2018 in Deutschland im Markt, in der Schweiz noch nicht aktiv) leistet das aktuell auch nicht, wobei man Google eine Strategie unterstellen darf, die deutlich über das momentane Angebot hinausgeht. Alipay hat aktuell 20 europäische Länder auf der Expansions-Landkarte – wer dabei nur an die Zielgruppe der chinesischen Touristen denkt, könnte eine Überraschung erleben. Wechat Pay ist ebenfalls in Europa aktiv, Apple Pay verfolgt auch Pläne, die über das aktuelle Angebot hinausgehen und das gesamte Ökosystem einbeziehen dürften, Facebook testet über Messenger Apps und WhatsApp Bezahl-Funktionen und Amazon wird kaum abseits stehen.
Welche Rollen werden dabei die nationalen mobilen Bezahl-Lösungen in verschiedenen europäischen Ländern spielen? Auch diese Rollen werden sich erst im Gesamtkonzert der verschiedenen Anbieter schlüssig definieren, je nach Strategie und Ausrichtung. Inseldenken und eng gefasste Funktionen werden jedoch aller Voraussicht nach nicht zu Lösungen führen, welche längerfristig Geschichte schreiben.
Bemerkenswerte Aussage
Alibaba-Gründer Jack Ma hat letzte Woche zum Start der internationalen Zahlungen auf Blockchain-Basis von Alipay eine bemerkenswerte Aussage gegenüber Bloomberg gemacht. Ein Statement, das über Mobile Payments hinausgeht, die 80-zu-20-Regel in einen neuen Zusammenhang stellt – ein Prinzip, das Alipay offensichtlich strategisch in der Umsetzung verfolgt:
Traditionelle Finanzinstitute bedienen 20 Prozent der Menschen und erwirtschaften 80 Prozent der Gewinne, neue Finanzinstitute sollten 80 Prozent der Menschen bedienen und 20 Prozent des Gewinns machen
Die Aussage kommt zu leichtfüssig daher, um als Kampfansage verstanden zu werden – weniger Kritik, mehr Haltung und Absichtserklärung. Das Statement unterstreicht ein Selbstverständnis, das zu kennen lohnt, wenn man mit Big Techs wie Alibaba, Amazon, Apple, Google und anderen im Wettbewerb steht.