Mobiles Bezahlen

Mobile Payment: Führt Markus Kilb Twint nach Europa?

Markus Kilb, CEO von Twint
Bild: Markus Kilb, CEO Twint

Nach der Kooperation mit Worldline verstärkt die Ernennung von Markus Kilb zum neuen Twint-CEO die Vermutung, dass sich Twint fit für Europa machen will.

Nach dem Verkauf der SIX Payment Services und im Umfeld der strategischen Partnerschaft von SIX und der französischen Worldline, haben wir bereits Mitte Mai über logische und mögliche europäische Expansionspläne für Twint berichtet.

Unsere begründete Vermutung hat sich unter anderem auch darauf gestützt, dass die Beteiligung von Worldline an Twint mit 20 Prozent überraschend hoch ausgefallen ist. Das darf als Bekenntnis verstanden werden, zumal der Deal und die neu geschmiedete strategische Partnerschaft im Kartengeschäft auch ohne eine Teilhaberschaft an Twint möglich gewesen wären.

Die Ernennung von Markus Kilb als CEO von Twint und Nachfolger von Thierry Kneissler ist ein weiterer Wegweiser, der in Richtung Europa zeigt.

Warum der Twint-Wegweiser Richtung Europa zeigt

SIX und die französische Worldline verfügen über die Kraft, die internationale Verankerung und Vernetzung, um Twint Europa- und Welt-tauglich zu machen. Markus Kilb als neuer CEO verfügt über die breite und notwendige Erfahrung in Digitalisierung, Vertrieb, Marketing, Kartengeschäft und FinTech, um Twint auf europäisches Level zu hieven.

Kilb leitet seit 9 Jahren als General Manager die Unicredit Family Financing Bank in München, war zuvor bereits als Marketing-Direktor mit an Bord und kennt Kundensicht und Innensicht der Banken aus Engagements bei der Citibank in Düsseldorf, der Advance Bank in München sowie aus seiner Zeit bei BMW Financial Services. Seine Erfahrung und Affinität in den Bereichen Digitalisierung und FinTech passen sehr gut zu einem Produkt, das Ambitionen hat, neue Märkte zu erobern.
 

Thierry Kneissler, bisheriger Twint-CEO, zum Führungswechsel:

Ich habe diese Startup-Phase mit viel Begeisterung begleitet, für die Weiterentwicklung braucht es andere Kompetenzen


Markus Kilb, designierter Twint-CEO, zu seiner neuen Aufgabe:

Ich freue mich, ein Unternehmen mit einer derart spannenden Position in die Zukunft führen zu können – eine wichtige Aufgabe wird sein, die Vorteile für den Nutzer aufzeigen und weiter ausbauen zu können

Twint in der Schweiz

Die Schweizer Bezahl-App hat aktuell 850'000 registrierte Nutzer. Twint erwartet weiteres Wachstum und rechnet damit, die Million noch in diesem Jahr voll machen zu können.

Warum nationale Lösungen an Grenzen stossen und Nutzer selten bis nie zu Begeisterungsstürmen hinreissen, haben wir bereits mehrfach ausgeführt. Aus aktuellem Anlass und erst vor wenigen Tagen auch im Zusammenhang mit der neuen Sparkassen-Lösung.

Das heisst nicht, dass Twint längerfristig mit der Beschränkung auf die Schweiz chancenlos wäre. Sofern Twint sich strategisch als das zweite Produkt dazu, also als die Schweizer Ergänzung zu internationalen Apps (Lifestyle Apps wie Alipay) positioniert, bleiben die Chancen intakt. Dann, wenn Twint auf Schweizer Ebene Dinge kann, die andere internationale Apps nicht können oder für ein einziges Land nicht können wollen. Gewissermassen Digitalisierung mit Heimataspekt und Lokalkolorit. Dennoch bleibt die Selbstbeschränkung auf die Schweiz mit Risiken behaftet.

Risiken und Fragezeichen

Mit zu diesen Risiken gehört, dass seit Start von Twint die Schweizer Banken ihre eigene Lösung supporten und anderen Lösungen, zum Beispiel Apple Pay, die kalte Schulter zeigen und nicht unterstützen. Diese Abwehr-Allianz kann irgendwann bröckeln und sich eines Tages auflösen. Spätestens dann, wenn der Druck vom Markt stärker wird und Kunden im Vergleich zu heute markant ausgebaute Komfort- und Lifestyle-Lösungen nutzen wollen und werden.

Apple Pay ist da und wird ziemlich sicher keine reine Bezahl-Lösung bleiben. Alipay holt Anlauf, besetzt 2018 in 20 europäischen Ländern Terrain und hat schon alles an Bord, was eine Bezahl-App zu einer Lifestyle App macht. SIX öffnet Alipay die Türen in Europa, eine gute Voraussetzung, um über chinesischen und Schweizer Tellerrand hinaus Strategien zu entwickeln. Fragezeichen bei Google Pay, Amazon, Samsung Pay und anderen Anbietern – ins Zeug legen werden sie sich alle. Und betrachtet man die bestehenden Ökosysteme der Big Techs, werden die Anstrengungen nicht wirkungslos verpuffen. 

Die Ruhe vor dem internationalen Sturm schafft noch etwas Raum, um neue Strategien in die Tat umzusetzen.

Was für Twint Europa spricht

Die Frage stellt sich generell, warum eine Bezahl-App, die seit ihrem Start gute Fortschritte gemacht hat, sich auf eine Nische beschränken und nur für Schweizer in der Schweiz funktionieren sollte? Zumal SIX, Worldline und Markus Kilb wissen, was Konsumenten und Kunden, über reine Bezahl-Funktionen hinaus, wirklich begeistern und von den Sesseln reissen kann. Und: Dem neuen CEO Markus Kilb stehen durch SIX und Worldline alle Mittel und Instrumente zur Verfügung sowie alle Märkte offen, um Twint aus der Nische zu holen und zu einem internationalen Player zu machen.