Der Swiss FinTech Day ist in seiner dritten Ausgabe eine der relevantesten FinTech-Veranstaltungen des Jahres. Zum ersten Mal ist dieser Jahr zudem parallel die erste FinTech-Messe organisiert worden, bei der über 45 Aussteller ihre Unternehmen und ihre Innovationen präsentierten. Das und weitere Besonderheiten machen den Swiss FinTech Day zu einem aussergewöhnlichen Event. Das gilt für die Ausgabe 2018 und mit Sicherheit auch für die Swiss FinTech Days der nächsten Jahre.
Die Veranstalter und der Rahmen
Der halböffentliche Swiss Fntech Day war am Morgen ausschliesslich für VIP-Teilnehmer vorgesehen, das heisst speziell für die Schweizer FinTech Community.
Geschäftsführerin Christina Kehl und Urs Häusler, Vorstandsmitglied der Branchenorganisation Swiss Finance Startups, führten durch den Tag. Das gehört mit zu den Besonderheiten, die Gästen auffallen: es gibt kein lieblos abgespultes Programm. Kehl und Häusler haben beide engagiert und mit Charme die über 200 Gäste unterhalten, Brücken zu den Referenten geschlagen und die Speaker gefordert und auch herausgefordert.
In ihrer Eröffnungsrede hat Christina Kehl auf das fokussiert, was sich Swiss Finance Startups im Allgemeinen auf die Flagge geschrieben hat und was mit diesem Event im Speziellen gefördert werden soll: nämlich ein Ökosystem aufzubauen, bei dem alle voneinander lernen und auch Allianzen entstehen können. Die mittlerweile über 300 Schweizer FinTechs sollen bekannter, "salonfähig" und auch in der breiten Bevölkerung stärker wahrgenommen werden.
Swiss Finance Startups ist nicht nur im FinTech-Umfeld gut vernetzt, sondern pflegt auch Kontakte zu Institutionen und zur Politik. Zu sehen bereits am letztjährigen Swiss FinTech Day 2017, als Bundesrat Johann Schneider-Ammann den Event besuchte und eine Rede hielt.
Am diesjährigen Anlass hat sich der Zürcher Regierungsrat Ernst Stocker (SVP) die Ehre gegeben und seiner Freude Ausdruck verliehen – darüber, wie dynamisch die FinTech-Branche sich im Kanton Zürich entwickeln würde. Vor allem, so Stocker, sei er sehr froh, dass auch in der Schweizer Politik der Stellenwert des freien Unternehmertums sehr hoch sei. Er meinte damit vermutlich, dass man Innovation nicht mit Geld kaufen kann, dass diese vielmehr gedeihen und wachsen kann, wenn die Freiräume dazu geschaffen werden.
Eine Premiere
Eine Premiere war auch die Vorstellung der Swiss Entrepreneurs Foundation (SwissEF), welche unter dem Patronat von Bundesrat Johann Schneider-Ammann operiert:
Startups sind der Treibstoff für unseren Wohlstand. Die SwissEF unterstützt sie, damit Innovation, und Jobs hier in der Schweiz entstehen
Peter Stähli, Geschäftsführer der Stiftung erklärte, dass es eigentlich zwei Vehikel gäbe: Einerseits die Stiftung, welche als eine Art Kontrollgremium wirkt sowie einen Fond, der auch nach Schweizer Recht (FINMA) zugelassen ist.
Ab Januar 2019 soll das Fundraising beginnen, bei dem 500 Millionen Schweizer Franken erwartet werden. Dieses Kapital wird dann "stückweise" investiert. Um das Risiko von Fehlentscheiden zu minimieren, wird das gesamte Kapital in zwei “Töpfe” aufgeteilt. Der eine wird von der UBS verwaltet und investiert ausschliesslich in andere Funds, also ein Fund-of-Fund-Konzept. Der andere Teil wird von Credit Suisse administriert. Dieser Topf investiert direkt in die Schweizer Startups. Und das Ziel ist eben auch, dass diese Investitionen in einem sehr frühen Stadium getätigt werden.
Wenige Unicorns und zahlreiche Working Horses
Lustig ist die Aussage von Stähli, dass er davon ausgehe, dass vermutlich bloss 0,1 Prozent dieser Startups und KMU zum Unicorn werden können. Ein Unicorn, was auf Englisch Einhorn bedeutet, ist im Investoren-Jargon eine junge Firma, welche innerhalb von eher kurzer Zeit die 1-Milliarde-Dollar-Bewertung erreicht.
Es wäre eben klar, so Stähli, dass 99,9 Prozent in “Working Horses” investiert würden und das sei auch gut so.
Die Digital Identity und eine Verordnung
Das eID-Panel, moderiert von Curdin Duschletta, Head Community Affairs bei UBS, hat Einigkeiten und Unterschiede gezeigt. Mit dabei waren Xiaoqun Clever, CTA bei Ringier, Karl Illing, Senior Consultant bei Innopay und Markus Naef, CEO bei SwissSign, jener Firma, welche die Elektronische Identität der Schweiz definieren und überwachen soll.
Dass es eine eID geben soll, darüber sind sich alle einig. Jedoch gibt's technologisch verschiedene Möglichkeiten, wie so etwas umgesetzt werden soll.
In der EU besteht eine entsprechende Verordnung zum Thema, die eIDAS (electronic IDentification, Authentication and trust Services ), meint Illing. Die niederländischen Banken hätten zu den ersten gehört, welche darunter Dienste angeboten hätten. Es sei eine Abmachung unter den Banken, welche den jeweiligen Daten untereinander vertrauen und diese akzeptieren würden, natürlich jeweils immer unter Vorbehalt der Kundenfreigabe.
Pitches, Vorträge und eine Ausstellung
Vor und nach dem Mittagessen fanden Pitches statt. Insgesamt zehn kurze Vorstellungen von FinTechs über ihre Gegenwart und ihre Zukunftspläne, was einen realen Einblick in die höchst dynamische Branche verschafft.
Viel Betrieb am Nachmittag. Einerseits die erste FinTech-Messe, welche mit 45 nationalen und internationalen Ausstellern breit besetzt war und andererseits gab es weiterhin Vorträge im Auditorium des UBS Grünenhof Zürich.
Im Fokus standen zum Beispiel Themen aus der Regulation wie zum Beispiel: Crypto & ICO Regulation mit Stephan Meyer von MME/Digital, Arbeitsbewilligungen für ausländische Arbeitnehmer im Kanton Zürich mit Sascha Emmenegger vom Amt für Wirtschaft und Arbeit Kanton Zürich sowie Staatliche Souveranität und Vertrauen in den Finanzplatz Schweiz von Adolf Dörig vom SATW (Schweizerische Akademie der Technischen Wissenschaften).
Zum Thema Internationalisierung Einblicke von Alexandra Schaer-Schiller von S-GE Swiss Global Enterprise, wie man eine “lean & agile”-Vorgehensweise wählen kann, um im Ausland erfolgreich zu punkten.
Zusätzliche Farbe kam von einer kleinen Delegation aus Singapur, die speziell zum Swiss FinTech Day angereist war. Die Gäste sind konkret geworden: Zwei FinTechs haben ihr Zeitfenster für einen Pitch genutzt und Jonathan Tan von Asia Practice Network hat gezeigt, wie Singapur das Eintrittstor nach Asien sein kann für Startups.
Ein Vortrag und ein Panel
Interessante Referate und spannende Panels gab's mehrere. Ein Vortrag und ein Panel sind speziell zu erwähnen.
Zuerst der Vortrag
Der Vortrag von Manuel Nappo, Direktor am Institut für Digital Business an der HWZ, stellt eine interessante These auf:
Die Schweiz hatte ihren Elon Musk bereits vor 150 Jahren
Gemeint ist Alfred Escher, dem kein Hindernis zu gross war, um es nicht mit Fantasie, Willen und Tatkraft überwinden zu können. Der Titel von Nappos Vortrag, "Be more Alfred…”, ist denn auch die Aufforderung an Startups, an Hürden nicht zu verzweifeln, sondern vielmehr Wege zu finden, diese zu überspringen. Die Gedanken von Manuel Nappo sind hier nachzulesen.
Dann das Panel
Das Panel, dessen kontroverse Diskussionen noch bis in die Räume der Messe hallten, stellte das Thema "Open-API – Chance oder Risiko für die Schweiz?" ins Zentrum.
Alles begann harmlos. Man ging davon aus, dass beim Panel, an dem bekanntermassen alle Teilnehmer, inklusive dem Moderator Gian Reto á Porta von Contovista, pro Open Banking eingestellt sind, man sich gegenseitig auf die Schultern klopfen sowie ein bisschen gegen die Grossbanken wettern würde.
Falsch gedacht, die Diskussion bekam Dynamik und gewann Breite und Tiefe. In der ersten Runde erzählte jeder Teilnehmer etwas aus dem persönlichen Nähkästchen. Also darüber, welche Aktivitäten im eigenen Unternehmen gerade am Laufen sind zu diesem Thema.
Dejan Juric von SIX Group lieferte den Stand der Dinge, wo das Projekt Corporate API steht. Dabei ist die Idee, dass SIX die Schnittstelle zu den FinTechs ist und auf der anderen Seite die Verbindung zu den Banken sicherstellt. Im Kern also ein Marktplatz. Die FinTechs binden sich einmal an und haben damit die Verbindung zu allen teilnehmenden Banken. Auf der anderen Seite können sich die Banken jene FinTechs heraussuchen und ansteuern, welche ihnen gerade am besten ins Konzept passen. An dieser Stelle soll auch einmal ein Lob an die Banken platziert werden, die sich auf ein gemeinsames Projekt einlassen, ohne dass der Regulator eingreifen muss, wie in Europa mit der PSD2.
Stefan Hilfiker vom Bankensoftware-Anbieter Finnova sprach darüber, dass Finnova ihre eigenen Schnittstellen und sogenannte Integration Layer anbietet, was die technische Voraussetzung ist für ein funktionierendes Open Banking. Und dass Open Banking gar keine grosse Sache wäre, es sei ja bloss eine technische Umsetzung.
Heftiger Widerspruch von Patrick Hunger, CEO von Saxo Bank, einer reinen Online Trading Bank. Denn so einfach sei es nun sicher nicht. Natürlich brauche es Schnittstellen, aber vor allem seien bei Open Banking die Menschen gefragt. Einerseits die Banker, welche das Konzept verstehen und akzeptieren müssten und andererseits die Kunden, welche ja einen Zugriff auf ihre Daten an Drittparteien gewähren.
Wie gesagt, nicht nur Einigkeit und Schulterklopfen, vielmehr engagierte Diskussionen zum wichtigen und zukunftsorientierten Thema.
Fazit
Was den Swiss FinTech Day zu einem besonderen Event macht, ist seine "bunte" Rezeptur, ohne Gefahr zu laufen, zu einem "Gemischtwarenladen" zu werden. Die Mischung ist interessant, lebendig und kommt beim Publikum an. VIP- und öffentliche Bereiche, Referate und Panels, Pitches und zum ersten Mal eine Ausstellung.
Die Rezeptur und das Konzept machen nicht atemlos, zwingen aber schon, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein – um all das mitzubekommen, was den Swiss FinTech Day und die Swiss FinTech Fair zu einem aussergewöhnlichen Tag machen.