Die letzten zwei Jahre waren für die einstmals erfolgsverwöhnte Neo-Bank N26 kein Sparziergang, vielmehr ein kostentreibender und nervenaufreibender Hürdenlauf. Das Management musste seinen Laden – unter Aufsicht von Sonderbeauftragten – in Organisation und Prozessen auf die Höhe der Anforderungen der deutschen Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) bringen. Zudem durfte die Neo-Bank seit November 2021 praktisch nicht mehr wachsen, N26 musste sich mit der verordneten Höchstgrenze von 50'000 Neukunden pro Monat zufriedengeben.
Diese Wachstumsbremse ist kürzlich von der BaFin leicht gelockert worden, neu darf die Neo-Bank 60'000 Neukunden pro Monat mit an Bord nehmen.
Wie viele Kundinnen und Kunden hat die Neo-Bank N26 heute?
Mit der Präsentation ihrer 2022er-Zahlen gibt die Berliner Neo-Bank einen Einblick in ihre aktuelle Verfassung – und wirft auch einen Blick in die nahe Zukunft.
Vor dem Hintergrund der seit Ende 2021 bestehenden Wachstumsbeschränkung steigerten die Berliner die Zahl ihrer ertragsrelevanten Kundinnen und Kunden im Geschäftsjahr 2022 um 300'000 auf 4 Millionen. Das entspricht einem Plus um 8 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Damit hat N26 ziemlich genau die 600'000 erlaubten Kunden pro Jahr an Bord geholt. Aber mit 300'000 sind nur die Hälfte davon aktive Kunden oder solche, die zumindest die Registrierung bis und mit KYC-Prozess abgeschlossen haben. Diese Unterscheidung scheint auch bei der ausgewiesenen Gesamtkundenzahl von 8 Millionen zu gelten. N26 bezeichnet mit 4 Millionen nur die Hälfte davon als "ertragsrelevant".
Dieses Verhältnis ist insofern interessant, als nach dieser Betrachtung jeder zweite Kunde faktisch ein Interessent bleibt, weil er den Registrierungsprozess nicht abschliesst, in den Netzen der KYC-Prozederes hängenbleibt oder auf andere Weise keine aktive Regung zeigt, welche die Erträge positiv beeinflussen könnte.
Ist dieses Verhältnis von ausgewiesenen und ertragsrelevanten Kunden auch bei anderen Neo-Banken die Regel?
Neo-Banken geizen oftmals mit konkreten Zahlen und mit Transparenz. Ganz wenige weisen aktive Kundinnen und Kunden offen aus, die meisten beschränken sich jedoch auf die Nennung globaler Kundenzahlen, ohne einen Unterschied zwischen aktiv und damit ertragsrelevant oder gestrandeten Karteileichen zu machen.
Erzrivale Revolut zum Beispiel hat den seit zwei Jahren anhaltenden Aufenthalt von N26 im erzwungenen Trockendock der BaFin genutzt, produziert heute nach eigenen Angaben monatlich nahezu eine Million Neukunden und weist ein globales Total von mehr 35 Millionen Kunden aus.
Sollte die N26-Regel auch für Revolut gelten, wäre die Challenger-Bank mit monatlich höchstens 500'000 Neuzugängen und insgesamt knapp 18 Millionen "ertragsrelevanten" Kunden im Spiel. Das ist immer noch eine ganze Menge, aber eben nur die Hälfte.
Dass kommunizierte Kundenzahlen immer mit etwas Vorsicht zu geniessen sind, ist nicht neu. Müssen die genannten Zahlen jedoch jeweils gleich halbiert werden, wäre etwas zusätzliche Transparenz nicht falsch. Die neue Offenheit von N26 in diesem Zusammenhang kommt jedenfalls gut an – sie ersetzt Vermutungen und Spekulationen durch Fakten.
Wie hat N26 im Jahr 2022 geschäftet?
Sparmassnahmen und Straffungen scheinen Wirkung zu zeigen. Die Neo-Bank hat ihre Bruttoerträge 2022 auf 236 Millionen Euro gesteigert, das entspricht einem Plus um 24 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Aufgrund von deutlichen Steigerungen in der Kontonutzung und mit einem weiteren Ausbau der Neukunden prognostiziert das Unternehmen seine Bruttoerträge für das laufende Jahr bei über 300 Millionen Euro, was ein Plus von gut 27 Prozent bedeuten würde.
Die Zahl der Kundentransaktionen ist 2022 auf über 97 Milliarden Euro gewachsen, für das Jahr 2023 prognostiziert N26 weiteres Wachstum im Transaktionsvolumen auf mehr als 110 Milliarden Euro.
2022 hat die Neo-Bank Kundeneinlagen in der Höhe von 7.2 Milliarden Euro verwaltet (plus 11 Prozent gegenüber Vorjahr), Ende 2023 wird N26 nach eigenen Angaben voraussichtlich rund 8 Millarden an Kundengeldern verwalten. Diese Kennziffer ist seit der Zinswende zentral – im Geschäftsjahr 2023 werden Zinserträge rund 40 Prozent der Gesamterträge des Unternehmens ausmachen, 2022 lag dieser Anteil noch bei 30 Prozent.
Neben dieser wichtigen Zinsen-Ertragsquelle verdient N26 vor allem Geld mit kostenpflichtigen Premiumkonten und mit Provisionen.
Der Fehlbetrag der mobilen Neo-Bank erhöhte sich als Folge der Investitionen in ihre Infrastruktur im Geschäftsjahr 2022 um 24 Prozent auf 213.4 Millionen Euro (Geschäftsjahr 2021: 172.4 Millionen Euro). Aufgrund von operativen Effizienzgewinnen rechnet N26 für 2023 mit einem mehr als halbierten Fehlbetrag von rund 100 Millionen Euro.
Was hat N26 gebremst und Geld gekostet?
Die von N26 vorgestellten Zahlen sind nicht berauschend, in Anbetracht der ausgesprochenen BaFin-Auflagen und der Wachstumsbeschränkung aber dennoch deutlich besser als sie sein könnten.
Die Neo-Bank ist seit zwei Jahren mit angezogener Handbremse unterwegs und war gezwungen, kräftig in die eigene Organisation, in KYC, Betrugserkennung und Massnahmen zur Verhinderung von Geldwäscherei zu investieren.
Das Unternehmen gibt an, allein im Geschäftsjahr 2022 mehr als 80 Millionen Euro in modernste Technologie, in seine Teams sowie in externe Expertise investiert zu haben. Als direkte Folge, so N26, machte das Unternehmen deutliche Fortschritte bei der Verhinderung, Identifizierung und Bearbeitung von Betrugs- und Geldwäscheaktivitäten.
Möglichkeiten zu Einsparungen gab's auch, N26 senkte vor dem Hintergrund der anhaltenden Wachstumsbeschränkung seine Ausgaben für Marketing im Geschäftsjahr 2022 auf den niedrigsten Stand seit 2017. Diese Sparmassnahme leuchtet bei höchstens 50'000 Neukunden pro Monat ein, bleibt allerdings zweischneidig. Sobald N26 wieder frei operieren darf, könnte sich ein Nachholbedarf einstellen, um in Sachen Sichtbarkeit und Bekanntheit wieder aufschliessen zu können.
Wann wird N26 profitabel arbeiten?
Die Neo-Bank hat schon vor längerer Zeit angekündigt, dass sie 2024 Profitabilität erreichen will. An diesem stolzen Ziel hält N26 weiterhin fest, mit einer Einschränkung. Das Unternehmen relativiert und gibt bekannt:
"Durch beschleunigtes Kundenwachstum bei verbesserter Kundenrentabilität erwartet das Unternehmen, in der zweiten Jahreshälfte 2024 auf monatlicher Basis profitabel zu werden."
Die Idee der Profitabilität auf Monatsbasis haben auch schon andere Neo-Banken vorweggenommen, um sich auf dem Weg zur umfassenden Profitabilität etwas Raum und Puffer zu schaffen. Zwei Jahre im BaFin-Trockendock, mit verordneter Wachstumsbeschränkung und zahlreichen Auflagen haben N26 in der Entwicklung massiv ausgebremst. Sollte die Berliner Neo-Bank den Weg zur Profitabilität in nun eher kurzer Zeit schaffen, aller (selbstverschuldeter) Widrigkeiten zum Trotz, wäre das eine bemerkenswerte Leistung.