Auch wenn der Bitcoin-Kurs im Jahresvergleich noch immer mehr als 50 Prozent (!) im Plus liegt, von den kurz vor Weihnachten erklommenen Höchstständen sind wir ziemlich weit entfernt. Mittlerweile hat sich die im Zuge dieses Gold- bzw. Coinrush’ entstandene Euphorie bei den auch hierzulande zahlreich lancierten Initial Coin Offerings (ICOs) etwas abgekühlt.
Nicht zuletzt, weil eben nicht nur (Jung-)Unternehmen mit ausgereiften Konzepten auf diese aufstrebende Art der Wachstumsfinanzierung gesetzt haben. Gerade die schwarzen oder zumindest dunkel angegrauten Schafe mit meist nur schwach getarnten Scams oder Ponzi-Schemes haben beim einen oder anderen (erfahrenen) Investoren für Stirnrunzeln gesorgt und wohl auch zu Zurückhaltung gegenüber dem überhitzten Markt geführt.
Das bedeutet aber weder etwas grundlegend Schlechtes noch das mancherorts herbeigeschriebene Ende dieser oft smarten digitalen Interpretation des im Portfolio der Finanzindustrie schon länger etablierten Partizipationsscheins, neu angereichert mit hippen Crowdfunding-Elementen.
Ein Hoch auf Roy Amara (selig)!
Wir leben in einer Epoche, wo sich digitale Technologien und Konzepte mit den prominentesten Platz in der wirtschaftlichen Wertschöpfung erarbeitet haben. Dezentrale Architekturen wie Crypto Assets auf Basis der Blockchain-Lösungen versprechen da und dort sogar nicht weniger als die nächste Stufe dieser digitalen Revolution.
Das nach dem bekannten amerikanischen Forscher und Futuristen Roy Amara benannte Gesetz, wonach wir dazu tendieren, die Auswirkung neuer Technologien kurzfristig zu überschätzen, langfristig aber zu unterschätzen, gilt ganz besonders hier.
Aktuelle Transaktionsraten von Bitcoin oder Ethereum, den beiden grössten Crypto-Plattformen, sind aktuell so tief, dass die Skalierung für Mainstream-Anwendungen wie Zahlungsverkehr, automatisierten Internet of Things (IoT) oder Smart Contract-Prozessen nicht ansatzweise realistisch scheint. Das nun gedimmte ICO-Scheinwerferlicht gibt dem Crypto Valley bzw. der von Bundesrat Johann Schneider-Ammann propagierten Blockchain Nation Switzerland auch Raum, sich der Weiterentwicklung nutzenstiftender Anwendungen zu widmen. Insbesondere die vor allem medial gern und oft ins Feld geführten Defizite wie Kapazitätslimiten, hoher Energieverbrauch und mangelhafte Skalierbarkeit rücken dabei verstärkt in den Fokus.
Vielversprechende Initiativen auf Basis von Off-Chain und Distributed Hash Table-Konzepten
Eine Bitcoin-Transaktion verbraucht die gleiche Menge Strom wie zwei Schweizer Haushalte pro Tag. Ferner ist die Kapazität mit gerade mal sieben Transaktionen pro Sekunde zu gering. Und schliesslich dauert die Bestätigungszeit einer Überweisung bis zu zehn Minuten. Technische Entwicklungen wie das Lightning Network schaffen hier Abhilfe.
«Die Kapazitätsgrenzen von Bitcoin wurden bisher zwar noch nicht erreicht, dem Anspruch als Zahlungssystem zur Verarbeitung von Milliarden Transaktionen genügt das Bitcoin-Netzwerk aber nicht ansatzweise», sagt Dani Fricker von der Zürcher Crypto Advisory Group.
Verhindert wird eine umfängliche Skalierung der Bitcoin-Blockchain durch zwei grundsätzliche Probleme: Erstens wird jede einzelne Bitcoin-Transaktion im Hauptbuch – der Blockchain – verbucht, und zweitens müssen alle Zahlungen vom gesamten Netzwerk geprüft werden. Dies bringt zwar hohe Transparenz und Sicherheit mit sich, beeinträchtigt aber die Leistungsfähigkeit der Blockchain.«Das ist ungefähr so, als ob jede E-Mail an sämtliche Mailboxen im Internet verteilt würde, und der Empfänger muss die an ihn gerichteten Mails erst herausklauben», erklärt Fricker.
Dies sei äusserst ineffizient und verhindere den Einsatz von Bitcoin als massentaugliches Zahlungssystem. Dem steht auch die Volatilität der Transaktionsgebühren im Weg. Das Design der Bitcoin-Blockchain führte unlängst dazu, dass Transaktionsgebühren und Ausführungszeiten in die Höhe schossen. Zum Höhepunkt Ende Dezember 2017 konnte eine Zahlung auch mal 30 USD an Gebühren kosten und einige Stunden oder Tage in Anspruch nehmen. Da diese Kosten nicht proportional, sondern per Transaktion anfallen, wurde eine Zahlung mit Bitcoins für kleine Beträge plötzlich uninteressant. Bitcoin-Anhänger setzten daher auf eine technologische Weiterentwicklung abseits der Haupt-Blockchain. Mit der Einführung des sogenannten Lightning-Netzwerkes (LN) in der Offchain wird insbesondere die Nutzbarkeit als Zahlungsmittel im Alltag erhöht.
An ihrem September Meetup hat sich auch die Bitcoin Association Switzerland unter ihren umtriebigen Vorstandsmitgliedern Lucas Betschart und Roger Darin des Themas angenommen.