Das Bild der tektonischen Verschiebung und die berechneten Zahlen zum Bild stammen aus der 24. Ausgabe des jährlich erscheinenden Reports "State of the Financial Services Industry", der von der internationalen Strategieberatung Oliver Wyman herausgegeben wird. Der Report 2022 trägt den Titel "The Tectonic Shift between Risk, Data and Technology".
Die Autoren der Studie sind der Ansicht, dass der Grund für die tektonische Verschiebung darin liegt, dass Technologie-Unternehmen zunehmend mit etablierten Finanzdienstleistern um die Pole Position in einem Markt ringen, der schnell in neue Dienstleistungen expandiert. Etablierte Unternehmen, so Oliver Wyman, traditionell in eng regulierten Bereichen tätig, würden nach wie vor wachsen, aber der grösste Teil der zusätzlichen Wertschöpfung ginge auf das Konto von Finanzinfrastruktur-, Daten- und Technologie-Unternehmen.
Die Finanzwelt wird sich in den kommenden Jahren weiter stark verändern
Die Experten von Oliver Wyman beschreiben im Report unter anderem eine Wertverlagerung im Finanzdienstleistungsbereich. Hauptgrund für diese Verschiebung sei das sich verlangsamende Wachstum von relativ kapitalintensiven Finanzprodukten und Finanzdienstleistungen, die in den letzten zehn Jahren um etwa 3 Prozent pro Jahr gewachsen sind. Im gleichen Zeitraum sei das Geschäft mit kapitalärmeren, weniger intensiv regulierten Dienstleistungen von Finanzdatendienstleistern und Technologie-Unternehmen um etwa 10 Prozent pro Jahr gewachsen.
Dementsprechend, so die Studie, sind heute fast ein Drittel der 50 grössten Finanzinstitute der Welt primär Finanzinfrastruktur-, Daten- und Technologiefirmen. Zum Vergleich: vor zehn Jahren waren es noch zwei.
«Das Umfeld des Finanzdienstleistungsbereichs hat sich im letzten Jahrzehnt drastisch verändert und sich zu einer breiter ausgerichteten Branche mit einer grösseren Anzahl an Wettbewerbern entwickelt», sagt Tobias Würgler, Partner bei Oliver Wyman in Zürich und Leiter der Practice Financial Services für die Schweiz.
Angesichts steigender Zinsen und volatiler Märkte gehen die Expterten der Strategieberatung davon aus, dass sich diese Bedingungen in den nächsten Jahren von Grund auf verändern werden.
Banken stehen in direkter Konkurrenz zu neuen Mitbewerbern
Auch an der Schweiz ist diese Entwicklung den Beratern zufolge nicht spurlos vorübergegangen. So stehen Versicherer und Pensionskassen im historisch den Banken vorbehaltenen Hypothekengeschäft in direkter Konkurrenz zu den Platzhirschen. Und auch bei anderen Finanzierungsprodukten stehen Banken zunehmend in direkter Konkurrenz mit Plattformbetreibern wie zum Beispiel Scout24 oder Money Park.
Der aktuelle State of Financial Services Report zeigt, dass sich die Verschiebung in der Wertschöpfung weiter beschleunigen wird. Insbesondere den Big Techs kommen strukturelle Trends wie etwa die nach wie vor zunehmende Bedeutung von Digital Assets und Digital Identification zugute, was sich in starker Nachfrage nach Mobile Wallets und Embedded Finance-Angeboten widerspiegelt, glauben die Experten.
Können etablierte Anbieter Marktanteile zurückerobern?
Ja, sind die Autoren der Studie mit Blick auf das aktuelle Markt- und Wirtschaftsumfeld überzeugt. So etwa dürften steigende Zinsen Banken und Versicherern wieder höhere Zinsmargen bescheren. Hinzu kommt, so die Experten, dass die Geschäftsmodelle einiger Big Techs und Finanzinfrastruktur-, Daten- und Technologie-Unternehmen von den Anlegern inzwischen kritisch hinterfragt werden. Wenn es den etablierten Unternehmen gelingt, sich entschlossen auf neue Wertschöpfungsquellen auszurichten und Erträge mit Bedacht zu investieren, würden sich ihnen enorme Chancen bieten.
Der vollständige Report "State of the Financial Services Industry 2022" von Oliver Wyman steht in englischer Sprache kostenlos zur Verfügung, über den Link gleich unten.