Libra

Schubumkehr: Bundespräsident Ueli Maurer gibt dem Libra-Projekt aktuell keine Chance

Bundespräsident Ueli Maurer
Bundespräsident Ueli Maurer (Bild: EFD)

Die Schweiz wird Libra in der vorliegenden Form nicht bewilligen, die Begründung hinterlässt einen schalen Nachgeschmack – und neue Widersprüchlichkeiten zum Jahresende gibt's ebenfalls.

Bekanntlich steht das Libra-Projekt international schon seit der Lancierung im Gegenwind. Die USA versuchen mit allen Mitteln das Projekt zu verhindern. Frankreich und Deutschland haben sich ebenfalls gegen das Libra-Projekt ausgesprochen und letzten November haben sich auch die EU-Finanzminister vorbehalten, den Libra zu verhindern. 

Je nach Gruppe und Zusammensetzung sind die Argumente unterschiedlich. Die einen sehen Libra generell als Bedrohung für das Finanzsystem und lehnen das Projekt kategorisch ab. Andere reklamieren, allerdings schon seit Monaten, dass noch "keine ausreichenden Informationen" zu Libra vorliegen würden, bezeichnen die Informationslage als "schwammig" und wollen das Projekt blockieren, solange keine neue Klarheit geschaffen worden ist. Diese Klarheit soll von der Libra Association kommen, welche, ebenfalls schon seit Monaten, zu jedem Hearing vor jedem Gremium antritt und sich laufend erklärt.

Ins Feld geführt wird auch die Befürchtung, der Libra könnte mit "unvertretbaren oder übermässigen Risiken" verbunden sein. Man sieht sich aktuell allerdings ausserstande, diese möglichen Risiken und Auswirkungen abzuschätzen und will den Libra deshalb verhindern. Zumindest so lange, bis alle Fakten zum Thema auf dem Tisch liegen. Woher diese Fakten kommen sollen, bleibt unklar.

Hat der Libra auch Freunde?

Glühende und hörbare Befürworter nicht unbedingt. Zahlreiche Exponenten, ebenfalls aus verschiedenen Lagern, haben sich jedoch neugierig, interessiert oder vorsichtig positiv zum Libra-Projekt positioniert, wir haben mehrfach berichtet. Diese unaufgeregten Statements gehen jedoch im Strudel der harschen Kritik und geballten Ablehnung nahezu unter.

Die Schweiz als Gastgeberland der Libra Association hat bisher einen liberalen und pragmatischen Kurs gefahren. Das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD), FINMA-Chef Mark Branson und weitere Kreise haben sich auch erfreut gezeigt über die Standortwahl der Libra Association und darin Chancen erkannt. Dieser Optimismus und die grundsätzlich positive Haltung scheinen nun allerdings nicht stark genug, um dem internationalen Druck standzuhalten.

Schubumkehr beim EFD

An seiner Jahresend-Medienkonferenz hat Bundespräsident und Finanzminister Ueli Maurer letzte Woche die Schubumkehr gegenüber SRF News mit folgenden Worten eingeläutet:

Libra ist in dieser Form eigentlich gescheitert

Dieses Scheitern begründet der Bundespräsident mit dem Hinweis, dass "der Währungskorb, der dieser Währung hinterlegt wird, so durch die Nationalbanken nicht akzeptiert wird".

Innerhalb der Jahresend-Medienkonferenz ist Maurer dann absolut konkret geworden und hat nach einem Bericht der NZZ die Position der Schweiz unmissverständlich auf den Punkt gebracht:

Die Schweiz kann Libra in der vorliegenden Form nicht bewilligen

Die Begründung dazu: "Die hiesigen Behörden seien an mehreren Treffen mit internationalen Vertretern vor diesem Schritt gewarnt worden".

Maurers Hoffnungen und seine gedämpften Erwartungen

Widersprüchliche Signale aus der Medienkonferenz von Bundespräsident Mauer sind im Artikel der NZZ insbesondere aus zwei Statements herauszulesen. Demnach geht Maurer davon aus, dass die Libra Association ihr ursprüngliches Konzept aufgrund der "lauten Kritik" überprüft, zudem würden "in den nächsten Monaten neue Projekte lanciert, welche die Vorbehalte gegen Libra berücksichtigten".

Maurer hofft, "dass sich solche neuen Kryptowährungen oder digitalen Bezahlsysteme in der Schweiz niederlassen werden", weil die Schweiz in diesem Bereich zur Weltspitze gehören würde.

Gleichzeitig dämpfte Maurer die Erwartungen für die Zukunft, weil "die Entwicklungen im Bereich Kryptowährungen in einem unglaublich hohen Tempo ablaufen würden – vielleicht zu hoch für die Schweiz". Maurers Fazit zum Thema:

Wir werden Mühe haben, Schritt zu halten

Wie sind diese Widersprüchlichkeiten einzuordnen?

Die Hoffnungen mögen nicht so recht zu den gedämpfen Erwartungen passen. Gerade deshalb, weil der Bundesrat selbst die Schweiz richtigerweise als Teil der Weltspitze im Kryptobereich bezeichnet. Weshalb denn die Befürchtung, das "unglaublich hohe Tempo" könnte zu hoch sein für die Schweiz?

Gehört die Schweiz zu den führenden Nationen, hat sie auch die Rolle des Treibers und bestimmt das Tempo mit, an vorderster Front. Weshalb sollte die Schweiz Mühe haben, mit ihrem eigenen Tempo Schritt zu halten?

Zielen die von Bundespräsident geäusserten Befürchtungen und Bedenken auf die Entwickler, Macher und Krypto-Unternehmen? Oder stehen dabei die Regulatoren, nationale und internationale, im Vordergrund? Oder der Druck von aussen, dem die Schweiz erfahrungsgemäss eher schnell nachgibt?

Und nochmals ein Blick auf Libra und auf die Rolle der Schweiz

Der Sommer-Besuch der US-Delegation mit sechs Abgeordneten des US-Repräsentantenhauses, angeführt von der Demokratin Maxine Waters, war kein Höflichkeitsbesuch. Das Ziel der Delegation, die Schweiz auf Ablehnungskurs zu bringen, schien damals allerdings noch nicht erreicht. Zumal der Bundesrat zwei Tage vor dem Besuch der US-Delegation mit der Beantwortung einer Anfrage (Interpellation 19.3852) der SP-Nationalrätin Prisca Birrer-Heimo zur "Kryptowährung Libra" seine offene Haltung bestätigt hat:

((Frage von Prisca Birrer-Heimo))
5. Wie beurteilt der Bundesrat ein allfälliges Reputationsrisiko für die Schweiz, und welche Chancen sieht er bei der Standortwahl Genf durch die Libra-Drehscheibe? Was sieht er vor, um politische Risiken, bedingt durch diese neue "Schweizer"-Firma zu kontrollieren?

((Antwort des Bundesrates))
5. Die Sitzwahl der Libra-Verwaltungsorganisation in Genf ist grundsätzlich ein positives Zeichen für den Wirtschaftsstandort und den Finanzplatz Schweiz. Sie dürfte das Image der Schweiz als innovativen und offenen Standort stärken. Wie jedes grosse Projekt ist aber auch dieses mit Herausforderungen verbunden. Der Bundesrat verfolgt die Entwicklung aufmerksam. Die zuständigen Aufsichtsbehörden stehen in Kontakt mit den Projektverantwortlichen. Der Bundesrat will auch künftig für exemplarische Rahmenbedingungen sorgen, die Innovation ermöglichen und Missbrauch verhindern.

Sämtliche Fragen und Antworten der Interpellation können hier nachgelesen werden.

Vier Monate später sind andere Fakten geschaffen worden, das Libra-Projekt bekommt erstmal keine Chance. Fallen solche Entscheidungen aufgrund von gesetzlichen oder regulatorischen Hürden, sind die neuen Fakten selbstverständlich zu akzeptieren.

Die Begründung, dass "die hiesigen Behörden an mehreren Treffen mit internationalen Vertretern vor diesem Schritt gewarnt worden seien", ist allerdings eher schwer verdaulich. Genügt es, die Schweiz zu warnen und wir gehen stramm auf den gewünschten Kurs?

Oder könnten genau diese Warnungen, die keinesfalls ignoriert werden sollten, auch als Chance wahrgenommen werden? Zum Beispiel, indem die Schweiz als Gastgeberland der Libra Association den Lead übernimmt, die internationalen Partner an einen Tisch bringt, zusammen mit der Libra Association, um tragfähige Bedingungen auszuhandeln und diese Verhandlungen zu moderieren? 

Unabhängig vom Ausgang der Verhandlungen könnte die Schweiz mit dieser aktiven und starken Rolle international in Sachen Reputation und Respekt nur gewinnen.