Digitale Identität

E-ID Schweiz: Gut Ding will (zu viel) Weile haben bei der digitalen Identität für die Schweizer Bevölkerung

Symbolische Darstellung für die digitale Identität
Bild: hidesy | Getty Images

Von Einigkeit, Harmonie und Tempo war das nationale Projekt der E-ID bisher schon nicht geprägt – der dornenvolle Weg geht weiter.

Zu den Leadern im Bereich der digitalen Identität wird die Schweiz nicht gehören, die bisherigen Irr- und Umwege finden ihre Fortsetzung.

Nationalrat und Ständerat haben sich nach längerem Hin und Her und Gezerre um Zuständigkeiten und Kommissionen geeinigt. Es bleibt bei der Aufgabenteilung von Bund und Privatwirtschaft. Und auch die Schaffung einer Eidgenössischen E-ID-Kommission (Eidcom), welche für die Anerkennung und Beaufsichtigung der Identity Provider (IdP) verantwortlich zeichnet, ist beschlossene Sache.

Die neue Einigkeit in den Räten scheint jedoch nicht über das Parlament hinaus zu greifen, der längst schon angekündigte Widerstand wird konkret. 

Der Zankapfel: Aufgabenteilung zwischen Staat und Wirtschaft

Der Bundesrat hat bei der E-ID, der digitalen Identität für die Schweiz, bereits bei der Ankündigung die Lösung einer Aufgabenteilung zwischen Staat und Privatwirtschaft portiert. Eine Haltung, welche der Bundesrat durch sämtliche bisherigen Phasen des Projekts verteidigt hat. Der Bund soll die Identität einer Person prüfen und bestätigen, die E-ID selbst jedoch soll von privaten Anbietern herausgegeben werden. Lediglich die Bewilligungen für diese Identity Provider und deren Überwachung soll Sache des Bundes bleiben. 

Die Rolle der Politik

Gegen diese Aufgabenteilung hat sich von Anfang an Widerstand geregt. Die Begründung der Gegner: Nur der Staat könne als Herausgeber der E-ID verantwortlich zeichnen, so wie der Staat auch die Hoheit für die Ausstellung von Pass oder Identitätskarte nicht aus der Hand geben würde. 

Der Bundesrat argumentierte sinngemäss aus der Überzeugung heraus, dass der Bund nicht in der Lage wäre, die Technologie für ein solches Projekt zu stemmen, diese Kompetenz liege bei der Wirtschaft. Dies auch vor dem Hintergrund, dass die technologischen Entwicklungen sehr schnell drehen würden, dazu fehlten Know-how und Ressourcen. Mit dem zusätzlichen Hinweis, dass staatliche Identitäts-Lösungen anderer Länder den Durchbruch nicht geschafft hätten, blieb der Bundesrat beim Konzept der Aufgabenteilung.

Diese Entscheidung wird von Nationalrat und Ständerat gestützt, beide Kammern haben dem Konzept der Aufgabenteilung das Ja-Wort gegeben.

Die Rolle der Wirtschaft

Die Privatwirtschaft steht in den Startpflöcken und freut sich aus naheliegenden Gründen. Wer als Herausgeber der E-ID agiert, schafft neue Zugänge zu Zielgruppen, Kunden, Daten und auch zu zusätzlichen Ertragsquellen.

Waren noch vor zwei Jahren mehrere Gruppierungen unterwegs, welche als Identity Provider ein Stück vom E-ID-Kuchen haben wollten, haben Ende 2017 zahlreiche Unternehmen ihre Interessen mit der Gründung der Swiss Sign Group zusammengelegt und quasi zentralisiert. Die folgenden Unternehmen gehören zum Swiss Sign Konsortium, das für die SwissID steht:


Dass neben den grossen staatsnahen Betrieben zahlreiche Banken und Versicherer mit an Bord sind, ist kein Zufall. Sie alle verfügen über grosse Kunden- und Datenstämme. Mit zusätzlichen Services lassen sich Kundenbindung und auch neue Ertragsquellen generieren.

Die Rolle der Wirtschaft ist definiert, die Interessen ebenfalls – und die verschiedenen Exponenten sind auf explizite Einladung von Bundesrat und Parlament im Projekt engagiert.

Die Rolle des Volkes

Das Volk ist die wichtigste Partei im Spiel um die E-ID, weil ohne die Akzeptanz der Schweizer Bevölkerung die nationale digitale Identität weder abheben noch fliegen wird. 

Im September 2017 hat der Branchenverband Swiss FinTech Innovations zusammen mit dem Link Institut eine Studie durchgeführt, um der Befindlichkeit der Schweizer Bevölkerung gegenüber der digitalen Identität auf den Grund zu gehen. Eine Zuammenfassung der Resultate gibt's hier, der Studienbericht mit sämtlichen Details kann hier runtergeladen werden.

Ein Resultat möchten wir hier hervorheben: Auf die Frage, wer die E-ID herausgeben und verantworten soll, haben 74 Prozent der Befragten für die öffentliche Hand, also für den Staat votiert. Dieses Ergebnis ist im Studienbericht mit dem Hinweis relativiert worden, dass sich 87 Prozent der Befragten auch ein privates Unternehmen als E-ID-Anbieter vorstellen könnten.

Dennoch schleckt keine Geiss weg, dass sich zu diesem Zeitpunkt rund drei Viertel der Schweizer Bevölkerung den Staat als Herausgeber ihrer E-ID gewünscht haben.

Kann es sein, dass die Meinung des Volkes untergewichtet worden und etwas "verloren gegangen" ist, weil man vom Wunsch beseelt war, das aufgestellte Konzept der Aufgabenteilung zwischen Staat und Privatwirtschaft durchzudrücken?
 

Der "Umweg" übers Volk hätte Klarheit geschaffen

Möglicherweise wäre es dem Projekt der E-ID zuträglich gewesen, das Volk mit einzubeziehen und von neutraler Seite nochmals zu befragen. Soll der Staat für die E-ID stehen? Oder ist die Bevölkerung bereit, auch auf private Herausgeber zu vertrauen? Mit den Antworten wäre der eingeschlagene Weg bestätigt oder auch widerlegt worden. Im einen wie im anderen Fall allerdings noch rechtzeitig, um die Weichen für eine erfolgreiche E-ID-Zukunft zu stellen.

Mit einer soliden Abklärung hätte man sicherstellen können, dass nicht noch einmal eine E-ID am Volk vorbeiproduziert wird. Das hat man vorher schon mit der SuissID zustande gebracht, die 2010 mit beträchtlichen Aufwand gestartet ist. Die SuisseID hat nur deshalb keine Bauchlandung hingelegt, weil sie niemals gehen lernte, deshalb nicht fallen konnte und als unbekannte Grösse bereits in den Startpflöcken in Vergessenheit geraten ist.

Sieben Jahre war die SuisseID im Markt und ist dennoch ein kostspieliger Ladenhüter geblieben. Zu umständlich, zu teuer und in der Kommunikation ohne jede Brücke zur Schweizer Bevölkerung. Niemand wusste, dass es eine SuisseID gibt und wozu man die brauchen könnte.

Das Thema der E-ID, der digitalen Identität für die Schweizer Bevölkerung, ist schlicht zu wichtig, um durch Versäumnisse das Risiko in Kauf zu nehmen, niemals richtig abheben zu können. 

Die E-ID und die beteiligten Partner können nicht verordnet werden. Macht das Schweizer Volk nicht sehr gut informiert, involviert und aus Überzeugung mit, dann steht die Schweiz im Zeitalter der Digitalisierung in einem zentralen Bereich noch längere Zeit ziemlich undigital da. 

Die Rolle der Gegner

War die Aufgabenteilung zwischen Staat und Wirtschaft bereits seit längerem und von verschiedenen Seiten als Zankapfel in der Diskussion, gewinnt die Kritik jetzt an Kraft und an Dynamik.

Ein Bündnis um die Digitale Gesellschaft bezeichnet das Gesetz und das Vorgehen als "Kniefall vor den Interessen der Wirtschaft", der Bund verabschiede sich mit der Privatisierung der E-ID von "einer staatlichen Kernaufgabe – auf Kosten der Demokratie und der Bevölkerung".

Zum Bündnis gehören die Digitale Gesellschaft, die Plattform We Collect sowie die Organisationen Grundrechte.ch und Public Beta. Die gemeinsame Forderung: Auch der "digitale Pass" soll in Zukunft vom Staat ausgestellt werden.

Die Gruppierung stützt sich bei ihrer Forderung auf eine repräsentative Umfrage von Demoscope (Mai 2019), die zu deutlich "schärferen" Resultaten kommt als die oben zitierte Studie:

"Eine klare Mehrheit von 87% der Befragten will, dass der Staat ihr die E-ID ausstellt. Nur gerade 2% hingegen möchten die geplante E-ID von privaten Unternehmen ausgestellt erhalten."

Eine Zusammenfassung der Studienresultate gibt's hier, der Gesamtbericht kann hier runtergeladen werden . 

Es ist angerichtet

Das Bündnis um die Digitale Gesellschaft will das Referendum ergreifen, die Unterschriftensammlung soll am 8. Oktober beginnen. Kommen die notwendigen 50'000 Unterschriften innerhalb von 100 Tagen zusammen, liegt das letzte Wort zur E-ID beim Schweizer Volk.

Dass das Volk über die Ausgestaltung der digitalen Identität entscheidet, ist richtig und sinnvoll. Ärgerlich ist, dass der Fahrplan der E-ID ausgebremst wird und und die Schweiz noch sehr viel länger auf die digitale Identität warten kann. Das liegt dann allerding weder an den Initianten noch am Volk.

Die Umwege wären vermeidbar gewesen, hätte man im Vorfeld des E-ID-Gesetzes etwas sensibler auf Kritik und erste Signale aus der Bevölkerung reagiert. Eine E-ID kommt nur dann zum Fliegen, wenn man die Nutzer, die Schweizer Bevölkerung, mit im Boot hat. Man hätte sie einfach fragen können.