Finanz- und Zahlungsdienstleistungen

Warum Square mit oder ohne den geplanten Afterpay-Deal in Europa Terrain besetzen wird

Zwei junge Frauen im Laden beim Abrechnen
Bild: Square

Die abenteuerliche Summe überrascht: Kann das gutgehen, wenn ein FinTech wie Square für ein FinTech wie Afterpay 29 Milliarden Dollar hinblättert?

Das 2014 gegründete australische FinTech Afterpay gehört zu den Pionieren im BNPL-Geschäft (Buy Now, Pay Later). Ein erfolgreiche Welle, die neben weiteren Anbietern auch grosse FinTechs wie Klarna und PayPal mit "Pay in 4" reiten – und demnächst möglicherweise auch Big Techs, über Apples Pläne mit "Apple Pay Later" hat MoneyToday.ch berichtet. Zudem steht auch Visa in den Startlöchern mit dem Angebot von BNPL-Services über APIs.

Afterpay hat aktuell 16 Millionen Nutzer, wächst stark in den Kernmärkten und hat bereits einen Schuh in Europa. Das FinTech ist in den Märkten Spanien, Italien und Frankreich aktiv und hat als nächstes Ziel offenbar Deutschland auf der Expansions-Landkarte.

Klappt der von Square anvisierte Deal, will das FinTech volle 29 Milliarden US-Dollar für Afterpay hinblättern. Allerdings ohne zu "blättern", Cash gibt's nicht, "nur" eigene Aktien. Die Summe scheint dennoch ziemlich verwegen, immerhin schreibt Afterpay noch keine Gewinne und der von Square angebotene Betrag entspricht dem über 40-fachen des letztjährigen und etwa dem 30-fachen des erwarteten nächstjährigen Umsatzes von Afterpay.

Warum die Übernahme trotzdem eine gute Idee sein könnte

Gründer und CEO von Square, Jack Dorsey, hat eindrücklich gezeigt, wie aus einer interessanten Idee innerhalb von nur gut zehn Jahren ein Unternehmen werden kann, das Gewinne schreibt und heute mit 121 Milliarden US-Dollar an der Börse bewertet ist.

Einige Dinge hat Dorsey, der nebenbei auch noch Twitter leitet, offenbar ziemlich gut und richtig gemacht. Deshalb scheint seine Zuversicht begründet, die er mit folgendem Statement ausdrückt:

Zusammen können wir unsere Cash App- und Verkäufer-Ökosysteme besser miteinander verknüpfen, um Händlern und Verbrauchern noch überzeugendere Produkte und Dienstleistungen zu bieten

Europäische Zahlungsdienstleister sollten aus Dorseys Aussage vor allem das "besser miteinander verknüpfen" im Hinterkopf behalten. Diese Rezeptur hat tatsächliche Brisanz und lässt FinTechs wie Square, Klarna und einige andere sehr schnell und sehr erfolgreich wachsen.

Was Dorsey mit "Cash App" und "Verkäufer-Ökosysteme" meint, ist ein inzwischen unglaublich dichtes Angebot an Hardware, Software und Services, das zwei Kundengruppen bedient. Das sind eben jene, die noch enger miteinander verknüpft werden sollen.

Zum einen sind das Millionen von (kleinen) Händlern, die mit den Zahlungslösungen von Square jede Art von Zahlung in jeder Art von Situation und Umgebung annehmen und abwickeln können. Zudem bietet Square Kleinunternehmen inzwischen Tools, Services und Lösungen, die weit über die reine Zahlungsabwicklung hinausgehen. Dazu gehören zum Beispiel komplette Payroll-Lösungen oder Händlerkredite, Marketingsupport und sehr viel mehr. Alles, was kleinen Unternehmen Probleme löst, fassbaren Nutzen in ihrem Business bringt – und sie deshalb sehr eng an den Nutzenbringer anbindet.

Zum anderen bedient Square um die 70 Millionen privater Nutzerinnen und Nutzer, die über die Cash App Geld schicken, bezahlen, mit Assets und mit Bitcoin handeln und andere Dinge mehr machen können. Im Bereich Kryptowährungen will Dorsey stark zulegen, auf dem geplangen Entwicklungs-Programm stehen dezentrale und Blockchain-basierte Finanzdienstleistungen (DeFi), zudem arbeitet Square an einem Hardware-Wallet zur sicheren Aufbewahrung von Kryptowährungen.

Square tanzt auf zwei Zielgruppen-Hochzeiten und baut tragfähige Brücken

Square tanzt auf zwei Zielgruppen-Hochzeiten und diese Gruppen haben viel miteinander zu tun und lassen sich deshalb hervorragend verbinden. Ein Konzept, dass auch FinTechs wie Klarna, PayPal und andere Anbieter verfolgen, Afterpay ebenfalls. Ein Feld, das in Europa noch eher dünn bewirtschaftet ist – traditionelle Finanzdienstleister bedienen wohl beide Gruppen, bauen aber selten bis gar nicht tragfähige Brücken zwischen Konsumenten und Händlern. Zumindest nicht auf Dauer und nicht als erklärtes Geschäftsmodell. Eine Lücke, in der inzwischen zahlreiche FinTechs und auch Big Techs erfolgreich operieren.

Mit der Integration von Afterpay in die Cash App von Square hat das Unternehmen die 16 Millionen Afterpay-Kunden mit ihm Boot und bietet seinen bisherigen 70 Millionen Nutzern eine smarte und gefragte Zusatzleistung. Zudem hat Square offenbar grosse Lust, den europäischen Markt zu erobern, mit den bisher schon bewirtschafteten Märkten von Afterpay findet Dorsey ein weit geöffnetes Einfallstor. Mit dem kürzlichen Zukauf des spanischen FinTechs Verse (P2P-Anbieter) ist Square auch Inhaberin einer E-Money-Lizenz in Litauen, welche weitere Möglichkeiten in anderen EU-Ländern schafft.

Square wird auch in Europa Terrain besetzen

Unabhängig davon, ob der Deal mit Afterpay klappt und durchgewunken wird, Square dürfte eher bald in Europa spürbar werden. Zusammen mit Afterpay möglicherweise einfach noch etwas schneller. 16 Millionen eher jüngere Nutzerinnen und Nutzer sowie 100'000 zusätzliche Händler, welche Afterpays "Buy Now, Pay Later"-Option anbieten, teilweise in Europa, können helfen. Keine Frage, dass mit dem Angebot von Square in Europa da und dort auch noch regulatorische Hürden genommen werden müssen. Dennoch und selbst wenn der Deal mit Afterpay platzen sollte, bleibt Square für einen Markteintritt in Europa sehr gut und breit aufgestellt. 

Wie gesagt, es geht um starke Brücken zwischen Konsumenten und Händlern. Square weiss, wie diese gebaut und dauerhalt unterhalten werden. Und das FinTech weiss ebenfalls, wie man Kitt zwischen Kunden und dem eigenen Unternehmen schafft. Ein Unternehmens-Statement von Square unterstreicht eine Strategie, die Gewinner auf mehreren Seiten generieren kann:

"Wir befähigen den Elektriker zum Versenden von Rechnungen, richten den Foodtruck mit Lieferoption ein, helfen der Bekleidungsboutique bei der Bezahlung ihrer Mitarbeiter und geben der Kaffeekette Kapital für einen zweiten, dritten und vierten Standort. Wir sind hier, um Verkäufern jeder Grösse zu helfen, ihr Geschäft zu starten, zu führen und auszubauen – und ihnen zu helfen, ihr Geschäft wachsen zu lassen, ist ein gutes Geschäft für alle."

Niemand behauptet, dass Kundenzentrierung altruistischen Motiven folgen müsste, das ist selbstverständlich nicht der Fall. Diesen Eindruck könnte man allerdings zuweilen gewinnen, wenn Protagonisten aus verschiedenen Lagern diesen anspruchsvollen Umweg zum Erfolg als mühselig, beschwerlich und auch unnötig empfinden, deshalb lieber abkürzen und sinngemäss sagen: "Unsere Kunden sind immer schon gut mit dem zurechtgekommen, was wir ihnen anbieten". Stimmt schon. Und zu lange muss man nicht über den Unterschied von "zurechtkommen", "genügt schon" und ausgebauten, unter die Arme greifenden Verwöhnprogrammen diskutieren.