Neo-Banken

N26: 900 Millionen Dollar frisches Kapital und in Europa nur noch Wachstum auf Bewährung

Eine weibliche Hand präsentiert eine Debitkarte der Neo-Bank N26
Bild: N26

Das bereits seit einiger Zeit herumgebotene "verifizierte Gerücht" ist von N26 bestätigt worden – und: die BaFin baut bei der Neo-Bank eine Wachstumsbremse ein.

Die Berliner Neo-Bank N26 hat den Abschluss ihrer jüngsten Finanzierungsrunde (Series E) bestätigt. Die Investoren Third Point Ventures, Coatue Management sowie die Dragoneer Investment Group und existierende Investoren haben für das Unternehmen mehr als 900 Millionen US-Dollar locker gemacht. N26 hat sich bei der aktuellen Finanzierungsrunde durch Goldman Sachs Bank Europe beraten lassen.

Ein Blick auf die Finanzierungsrunden zwischen Seed und Series E zeigt eine bemerkswerte Entwicklung und die Bereitschaft der Investoren, FinTechs mit sehr hohen Summen finanziell zu begleiten.

Die Finanzierungsrunden mit Riesensummen ist man sich inzwischen gewohnt. War vor nicht allzu langer Zeit eine Finanzspritze von hundert Millionen aufsehenerregend, lockt das heute kaum einen Journalisten in den Newsroom. Kein Wunder, im laufenden Jahr gab's 1 Milliarde und kurz danach nochmals 639 Millionen US-Dollar für das FinTech Klarna, 650 Millionen für Wefox, 900 Millionen für Trade Republic und 800 Millionen für die Challenger-Bank Revolut, um nur einige Beispiele zu nennen.

Im Falle von N26 mit 900 Millionen US-Dollar bewerten die Investoren ihren bald schon börsenreifen Schützling mit aktuell 9 Milliarden US-Dollar. Wie wiederum diese fantastischen Bewertungen bewertet und eingeordnert werden können, hat MoneyToday.ch bereits mehrmals thematisiert, letztmals hier. Sichtbare Tatsachen sind: das Geld ist vorhanden, sitzt locker und die wagnisbereiten Investoren verkürzen mit den Riesensummen die Zeitspanne bis zum Datum ihres eigenen Zahltags – der findet spätestens mit dem Börsengang des Unternehmens statt.

Die Pläne von N26

Mit zusätzlichen 900 Millionen lässt sich viel bewegen. Das übergeordnete Ziel formuliert Valentin Stalf, CEO und Mitgründer von N26, mit der folgenden Vision:

Die Finanzierungsrunde zeigt, wie stark sich Retailbanking in den letzten Jahren verändert hat und bringt uns in eine ausgezeichnete Position, in den nächsten Jahren eine der grössten Retailbanken Europas zu werden - komplett digital und ohne Filialen

N26 will mit dem frischen Kapital das Angebot in der digitalen Banking-App weiter ausbauen und die globalen Teams zusätzlich vergrössern. Auf der Seite der App geht N26, genauso wie Konkurrent Revolut, den Weg eines Finanz-Marktplatzes. Unter dem Segel von Ökosystemen und Open Finance ist einiges zu erwarten. Zudem wird die Neo-Bank Antworten auf den bisher verpassten Trading-Hype liefern, Funktionen für Aktien- und Kryptohandel sollen in Vorbereitung sein. N26 will auch personell wachsen, die Crew der heute 1'500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter soll in den nächsten Jahren auf mehr als 2'500 vergrössert werden. Bei den Funktionen soll ein verstärkter Fokus auf Technologie, Produktmanagement und digitaler Sicherheit liegen.

BaFin tritt bei N26 auf die Wachstumbremse

Das Verhältnis der Neo-Bank zur BaFin, der Finanzdienstleistungsaufsicht, ist seit längerer Zeit angespannt. Aufgrund von festgestellten Mängeln ist N26 von der BaFin hat im Mai angewiesen worden, Massnahmen und Sicherheitsvorkehrungen zur Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu ergreifen. Gleichzeitig wurde "zur Überwachung der Abarbeitung der Anordnung sowie des Standes der Behebung weiterer festgestellter Mängel ein Sonderbeauftragter bestellt".

Zudem hat die Finanzaufsicht die Neo-Bank N26 im September zur Zahlung einer Busse in Höhe von 4.25 Millionen Euro verdonnert, MoneyToday.ch hat berichtet.

Der von der BaFin aktuell und neu verhängte Massnahme dürfte N26 wesentlich härter treffen als das bereits bezahlte Bussgeld. Die Regulierungsbehörde deckelt den möglichen Erfolg und verordnet der Neo-Bank ein geordnetes Wachstum in Europa – gewissermassen die Deckelung und Limitierung des Wachstums innerhalb einer Bewährungszeit. N26 kommuniziert diesen regulatorischen Hammer mit folgenden Worten:

"Um das zukünftige Wachstum mit entsprechend hohem N26 Standard und Qualität weiterhin fortzusetzen, hat sich N26 mit dem deutschen Regulator zudem darauf verständigt, über die nächsten Monate in Europa mit maximal 50'000 - 70'000 Neukunden pro Monat zu wachsen. N26 erwartet die Veröffentlichung einer entsprechenden Anordnung. Aufgrund der europaweit hohen Nachfrage nach N26 Bankprodukten kann es deshalb in einigen europäischen Märkten zu einer zeitlich befristeten Warteliste für Neukunden kommen."

Mögliche Konsequenzen dieser Wachstumbremse

Das Verdikt der BaFin trifft N26 insofern knüppelhart, als es der von Valentin Stalf im Dezember 2020 formulierten Neu-Strategie komplett zuwiderläuft:

Wir haben heute eine ganz klare Strategie, wir konzentrieren uns auf unsere Kernmärkt in Europa

Das von der BaFin gedeckelte Wachstum für "die nächsten Monate in Europa" auf maximal 50'000 bis 70'000 Neukunden pro Monat klingt nach viel, ist es aber nicht. N26 bewirtschaftet aktuell 25 Märkte in Europa plus die USA. Die Kernmärkte in Europa dürften klar den Löwenanteil beim Zuwachs der Neukunden ausmachen.

Die Neo-Bank hat nach eigenen Angaben im Jahr 2020 die Kundenzahl mit 5 Millionen beziffert, ein Jahr später lag die Zahl bereits bei 7 Millionen. Verläuft die Wachstumskurve weiterhin steil und schöpft N26 den oberen Bereich des BaFin-Verdikts mit 70'000 "erlaubten" Kunden aus, darf die Neo-Bank noch nicht mal die Hälfte der möglichen Neukunden an Bord nehmen. Entschlossene Neukunden haben in der Regeln wenig Lust auf Wartelisten und monatelange Wartezeiten, sie haben sich für eine App entschieden, die sie sofort nutzen möchten.

Ergo liegt die Freiheit des unbeschränkten Kundenwachstums für N26 in den USA, nur sind dort zahlreiche Challenger-Banken, auch europäische, ebenfalls aktiv. Allen voran der einheimische Platzhirsch Chime, der sich erst im August auch mit frischem Kapital in der Höhe von 750 Millionen US-Dollar neu finanziert hat, MoneyToday.ch hat berichtet. Auch finanziell verfügt Chime deshalb mit Sicherheit über genügend Spielraum, dem europäischen Herausforderer das Leben in den USA schwer und die Kundengewinnung teuer zu machen.

Eine weitere Option liegt für N26 im schon mehrmals verschobenen, dann zurückgestellten und doch mit einem Hauch von Hoffnung am Leben erhaltenen Marktstart in Brasilien. Was nun wirklich gilt, weiss niemand. Die Bewilligungen sind vorhanden, Brasilien mag jedoch nicht so recht zur neuen Strategie der Konzentration auf die Kernmärkte in Europa passen.

Revolut und andere Challenger-Banken werden die Gunst der Stunde nutzen

Die bitterste Pille dürfte für N26 im Seitenblick auf den Erzrivalen Revolut liegen. Die ohnehin deutlich aggressivere Challenger-Bank mit 15 Millionen Kunden in 35 Ländern wird in den nächsten Monaten alles daran setzen, den durch N26 nicht bedienbaren Kundinnen und Kunden in Europa eine andere Heimat zu geben. Revolut ist mit der Finanzspritze vom Juli in Höhe von 800 Millionen US-Dollar gut aufgestellt. Zudem hat die britische Challenger-Bank in Sachen Funktionen im Vergleich zu N26 die Nase vorn, insbesondere auch in den Bereichen Aktien- und Kryptohandel.

Was die BaFin unter "die nächsten Monate" genau versteht, wird sich erst zeigen. Hat N26 Glück, läuft die Bewährungszeit in wenigen Monaten aus. Solange die Neo-Bank jedoch nicht mit voller Kraft die europäischen Märkte bearbeiten kann, werden Revolut und anderen Konkurrenten das Vakuum füllen und auch N26-affine Neukunden auf ihre Seite ziehen.