Neo-Banken

Bekommt die Neo-Bank N26 bald Konkurrenz durch N27?

Alexander Weber, Chief Growth Officer bei N26
Alexander Weber, Chief Growth Officer bei N26, auf dem Absprung (Bild: N26)

Eine Neo-Bank in einer schwierigen Kurve, eine bemerkenswerte Personalie und etwas Gossip aus der deutschen Neo-Banken-Szene.

Die Berliner Neo-Bank N26 hat seit Ende 2021 keinen besonders glücklichen Lauf.  International aktive Neos können ihr Geschäftsmodell nur dann zum Fliegen bringen, wenn sie alle Möglichkeiten zum Skalieren nutzen. Genau das kann N26 nun schon seit über eineinhalb Jahren nicht mehr, weil die BaFin der Neo-Bank eine Wachstumsbremse verordnet hat: die Neukundengewinnung darf 50'000 Zugänge pro Monat nicht überschreiten. 

Damit ist N26 verdammt zur Stagnation, was sich im Vergleich zu Erz-Rivale Revolut darstellen lässt. Waren N26 und Revolut vor Jahren auf Augenhöhe unterwegs, ist Revolut längst davongezogen: N26 bedient heute 8 Millionen Kunden, Revolut 30 Millionen. Nach eigenen Angaben generiert Revolut aktuell pro Monat nahezu eine Million neuer Kundinnen und Kunden, N26 bleibt weiterhin auf 50'000 limitiert.

Kein gutes Umfeld für einen Chief Growth Officer

Ob der durch die BaFin ausgetrocknete Boden der Grund für Alexander Webers Kündigung ist, bleibt offen. Eine Wachstumsbremse dieser Art bedeutet jedoch sicher Kargland für einen Chief Growth Officer. Weber ist bei N26 ein Mann der ersten Stunde, er hat die Neo-Bank seit 2014 mit aufgebaut. N26 würdigt die Verdienste des Chief Growth Officer auf dem Absprung mit folgenden Worten:

"Alexander hat als wichtige treibende Kraft zu vielen Meilensteinen des Unternehmens massgeblich beigetragen. Dazu gehören die Einführung der vollständig digitalen Konten von N26 im Jahr 2015, der Erhalt der deutschen Vollbanklizenz im Jahr 2016 sowie die Expansion in 24 Märkte weltweit. Er leitete darüber hinaus die Marketingaktivitäten der Marke N26 und trug so dazu bei, über 8 Millionen Kundinnen und Kunden weltweit zu gewinnen."

Mit anderen Worten: Weber weiss, wie eine Neo-Bank gebaut werden muss und was es braucht, um sie auf solide Beine zu stellen. Dass er N26 nach der aktuellen Ankündigung bereits Ende Juni verlässt, wirkt etwas spontan – auch und gerade im Kontext der Passage in der Medienmitteilung, dass Weber "seine Rolle Ende Juni aufgeben werde, um eigene unternehmerische Wege zu gehen".

Unternehmerische Ambitionen im Kernbereich?

Wer über neun Jahre als Pionier mitgeholfen hat, eine Neo-Bank aufzubauen, kann Lust auf etwas ganz anderes haben und zum Beispiel eine Vermittlungsplattform für Skipper und Segeltörns gründen. Oder man das Know-how nutzen, die Erfahrung gemachter Fehler ebenfalls und in der neuen Autonomie das tun, was man am besten kann: eine Neo-Bank auf die Beine stellen.

Deshalb haben wir bei N26 nachgefragt, ob der etwas übereilt scheidende und hochqualifizierte Chief Growth Officer nun eine Neo-Bank, zum Beispiel N27, oder etwas ganz anderes gründen werde. Eine Sprecherin des Unternehmens hat uns erklärt, dass N26 als gründergeführtes Unternehmen stolz darauf sei, dass sich zahlreiche ehemalige Mitarbeitende nach ihrer Zeit bei N26 für die Gründung eigener Unternehmen entschieden hätten. Einige dieser Startups hätten die N26-Gründer selbst durch Pre-Seed Investments unterstützt. Und dann noch vom Allgemeinen zu Weber:

"Alexander Weber legt seine Funktion bei N26 nieder, um sich selbstständig zu machen. Zu seinen weiteren Plänen können wir uns aktuell leider nicht äussern."

Personalien, Fluktuation und massive Kritik an N26-Gründern

Wäre Webers Abgang eine "normale" Personalie, wären wir nicht auf die Idee mit der Gegenbewegung N27 gekommen. N26 hatte in den letzten Monaten allerdings gleich mehrere prominente Abgänge zu verzeichnen. Diese Abgänge können im Zusammenhang mit einer Mail stehen, welche sechs besorgte Manager aus dem Führungsteam von N26 im Februar 2022 an die beiden Gründer Valentin Stalf und Max Tayenthal geschickt hatten.

Die Geschichte einer internen Palastrevolution und einer geleakten Mail wurde vom Manager Magazin und von der Financial Times im März 2023 öffentlich gemacht.

Die Vorwürfe in dieser Brand-Mail waren happig. Von einer "Kultur der Angst und Schuldzuweisungen" bei der Neo-Bank war die Rede. Angesprochen wurde die "gestörte" Beziehung der Gründer zum übrigen Führungsteam. Der Kommunikationsstil der Gründer wurde angeprangert, der als aggressiv und respektlos empfunden wurde. Ein zu viel an Kontrolle führe zu "Verwirrung und langsameren Prozessen". Den Gründern wurde vorgeworfen, sie seien unfähig, Konflikte zu lösen.

Zusammenfassend äusserten die sechs Spitzenmanager von N26 die Befürchtung: „Wir machen uns Sorgen, dass diese Probleme – wenn sie ungelöst bleiben – die Firma in eine Abwärtsspirale führen“.

Die formulierten Probleme und Kritikpunkte sollen wohl diskutiert worden sein, weiss das Manager Magazin zu berichten. Offenbar ist es den sechs Führungskräften aber nicht gelungen, zusammen mit den Gründern Verbindungspunkte zu einer neuen und lebbaren Führungskultur auf Dauer zu finden.

Drei von sechs Unterzeichnern der Mail haben das Unternehmen inzwischen verlassen: Personalchefin Eva Glanzer, CFO Jan Kemper sowie Risiko- und Compliance-Chef Thomas Grosse sind weg. Mit Chief Growth Officer Alexander Weber verlässt nun Ende Juni der vierte Unterzeichner nach neun Jahren die Neo-Bank N26, um eigene unternehmerische Wege zu gehen.

N26 in einer schwierigen Kurve

Webers Abgang erscheint nicht als "normale" Personalie, sondern als das Ergebnis Nummer vier einer Entwicklung und einer offenbar problematischen Unternehmenskultur, welche bei N26 herrschen soll. Es ist nicht das einzige Problem, das die beiden Gründer aktuell umtreibt. Möglicherweise aber das wichtigste, um die anderen anstehenden Probleme lösen zu können.

Die Auflagen der BaFin mit Sonderbeauftragen bei N26 und die nun bereits sehr lange anhaltende Wachstumsbegrenzung stellen das Unternehmen vor grosse Probleme. Verdammtsein zum Nicht-Skalieren kann an der existenziellen Grundlage einer Neo-Bank rütteln.

Wie lange das Investorenkapital aus der letzten Finanzierungsrunde vom Oktober 2021 reicht, bleibt unklar. 900 Millionen Dollar sind eine Menge Geld – bei einem Unternehmen, das nicht skalieren darf, bleiben jedoch auch die Einkünfte auf eher tiefem Level.

Der Einstieg in den Krypto- und Aktienhandel ist eine gute Entscheidung, um zusätzliche Umsätze mit der bestehenden Kundenbasis generieren zu können. Mit der späten Lancierung Ende 2022 hat sich N26 jedoch sehr viel Zeit gelassen, diese Ertragskanäle zu aktivieren. 

Dass nach einem Bericht der Financial Times der langjährige Investor Allianz X aussteigen will und seine Anteile mit einem satten Abschlag anbieten soll, kann als Hinweis auf einen möglichen Vertrauensverlust gewertet werden. Kein gutes Signal gegen innen und gegen aussen.

N26 glaubt, die von den Investoren geforderte Profitabilität 2024 erreichen zu können. Ob das eher Zweckoptimismus ist oder die Annahme auf einer soliden Grundlage basiert, wird sich erst zeigen.

Fluktuation und Abgänge bei zentralen Positionen werfen ebenfalls Sand ins Getriebe eines Unternehmens, das im Moment alle Kräfte braucht, um die zahlreichen Herausforderungen und anstehenden Probleme meistern zu können.

Zurück auf Anfang

Dass Alexander Weber sich nun aufmacht, um N27 zu gründen, ist nicht zu erwarten und darf unter Gossip abgehakt werden. Aber immerhin, der Mann ist als "Entrepreneur in Residence" vor neun Jahren bei N26 eingestiegen, als noch nichts da war, weder Neo-Bank noch Kunden. Er hat die Basis der Neo-Bank mit aufgebaut, N26 zu Grösse verholfen, die Internationalisierung vorangetrieben und sämtliche Phasen von einem kleinen Startup zu einer Neo-Bank mit 8 Millionen Kundinnen und Kunden mitgeprägt. 

Mit so viel Know-how, Erfahrung und Hintergrund lässt sich schon was anfangen. Was genau, wird Weber nach einer Auszeit auf die eine oder andere Weise im Markt sichtbar machen.