Ob und wie lange Corona-Viren auf Oberflächen haften bleiben und ansteckend wirken können, ist als Erkenntnis noch nicht schlüssig gesichert.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO verweist auf Studien, nach denen sich Corona-Viren zwischen einigen Stunden und mehreren Tagen auf Oberflächen halten können. Damit ist das Risiko einer Ansteckung über Bargeld weder bewiesen noch widerlegt, als Möglichkeit jedoch gegeben.
Diese trüben Aussichten stossen Bargeld in diesen Tagen vom Thron des beliebten Zahlungsmittels. Einerseits forciert durch Händler, welche vermehrt ihre Kunden auffordern, doch bitte mit Karten oder Smartphone zu bezahlen. Auf der anderen Seite durch Kunden selbst, welche dem Rückgeld stark misstrauen, das bereits durch viele Hände gegangen ist.
Mobile Payment erhält einen gewaltigen Schub
Waren kontaktlose Zahlungen mit Karten bisher schon im Aufwind, setzen sie dennoch ein Limit: Übersteigt der Zahlbetrag den Wert von 30 oder 40 Franken, muss am Terminal die persönliche PIN eingegeben werden. Kartenorganisationen haben das Limit im Zuge der Corona-Krise zum Teil heraufgesetzt, aber auch mit neu 50 Euro lässt sich nicht jede Rechnung bezahlen. Zumal aktuell oftmals grösser eingekauft wird.
Ein Stolperstein, wenn Kunden völlig kontakt- und berührungslos bezahlen und alles andere als Tastaturen und Terminals anfassen wollen, die vor ihnen schon tausend andere Kunden berührt haben. Ob und wie lange Viren sich auf Kunststoff halten und ob überhaupt die Gefahr einer Ansteckung besteht, ist bisher ebenfalls nicht schlüssig belegt. Menschen sind inzwischen jedoch zu Recht sensibilisiert und möchten jedes mögliche Risiko vermeiden. Fassen sie deshalb ziemlich konsequent Noten und Münzen nicht an, gibt's keinen Grund, weshalb sie ihre Zurückhaltung bei Kunststoff-Tastaturen über Bord werfen sollten.
Dieses neue Verhalten unter der Glocke der Corona-Krise macht das bisherige Stiefkind der Zahlungsmethoden, Mobile Payments mit Smartphones, von (fast) Null auf Hundert attraktiv. Aus naheliegenden Gründen: Die Karten sind im Smartphone hinterlegt und gibt's was zu verifizieren oder zu autorisieren, dann geschieht das ebenfalls ausschliesslich auf dem eigenen Smartphone. Die Kommunikation zwischen Smartphone und Zahlterminal erfolgt ohne Kontakt und Berührung.
Wer profitiert von dieser Entwicklung?
Neben Kunden und Händlern profitieren alle Anbieter, welche mobile Zahlungen möglich machen. Und Mobile Payment selbst – das Aschenputtel der Zahlungsmethoden ist gewissermassen über Nacht aus der Nische geholt worden und steht aufs Mal im Rampenlicht.
Ein Beispiel aus dem Markt: Die Schweizer Zahlungslösung Twint meldet in diesen Tagen massiv gestiegene Zahlen in jedem Bereich. Haben sich vor der Krise rund 3'000 neue Nutzer registriert, sind es heute über 7'000 pro Tag. Ebenso meldet Twint, dass "Händler aller Art und Grösse" neuerdings dem Dienstleister die Bude einrennen. Dazu gehören physische Läden wie auch Webshops.
Zusätzlich forciert wird der Trend durch Händler, welche von ihrem Laden, seit über zwei Wochen geschlossen, neu auf einen Webshop gewechselt haben und dort auch Twint als Zahlungs-Option anbieten wollen. Mit im Boot: Lebensmittel-Händler und Hofläden von Bauern, welche die Verbindung und den indirekten Kontakt von Lebensmitteln und Bargeld nicht haben wollen.
Ist die Zahl der Transaktionen in Läden, Restaurants oder im Ticketing- und Eventbereich durch den Lockdown stark zurückgegangen, ist eine massive Zunahme der mobilen Zahlungen in anderen Branchen zu verzeichnen. In den Bereichen Elektronik, Freizeit und Sport sowie Garten und Hobby haben sich Transaktionen und Volumen nach Angaben von Twint verdoppelt. Im Hoch sind auch Webshops in den Bereichen Wohnen oder Genussmittel, welche über 60 Prozent zugelegt haben.
Bei den 30 grössten E-Commerce-Händlern haben sich Twint-Zahlungen mindestens verdoppelt, in extremen Fällen sogar versechsfacht. Die höheren Beträge pro Kauf – sie übertreffen derzeit die Spitzenumsätze der Vorweihnachtszeit – erklärt Twint mit der Tendenz der Konsumenten, neue Elektronikgeräte, Möbel, Sport- und Gartenartikel nun bei E-Shops einzukaufen, weil die entsprechenden Fachgeschäfte geschlossen sind.
Twint ist nicht der einzige Dienstleister, der von dieser Bewegung und Welle profitiert, auch andere Anbieter von mobilen Zahlungslösungen sind im Aufwind – aus naheliegenden Gründen: In physischen Läden wollen Kunden und Händler möglichst kein Bargeld anfassen. Haben Konsumenten sich einmal ans mobile Zahlen gewöhnt und kaufen vermehrt auch in Webshops gross ein, erweist sich Mobile Payment auch online als komfortable Art des Bezahlens.
Temporäre Alternative während der Corona-Krise – oder wird das so bleiben?
In Zukunft und nach der Corona-Krise wird nicht die ganze Welt ausschliesslich mobil bezahlen wollen. Auch das Bargeld stirbt nicht aus, Karten werden beliebte Zahlungsmittel bleiben. Der aktuelle Schub könnte jedoch Mobile Payment auf ein anderes Level hieven. Was sonst noch Jahre gebraucht hätte, wird nun sehr viel schneller möglich. Nicht der Ersatz von Cash – Bargeld soll als Alternative und als ein wichtiges Stück Freiheit seinen Platz behalten.
Aber immerhin, zahlreiche Menschen und neue Zielgruppen sind grad dabei, sich an den neuen Komfort zu gewöhnen. Ohne äusseren Druck und deshalb starke Motivation hätten sie den Sprung zum mobilen Bezahlen nicht gemacht, zumindest nicht so schnell und nicht in dieser Masse. Ein wahrscheinlich nicht unbeträchtlicher Teil wird beim mobilen Bezahlen bleiben. Das bekommt dem bisher argwöhnisch beäugten und links liegengelassenen Stiefkind der Zahlungsmethoden sehr gut, weil es auch nach der Krise kein Stiefkind mehr ist.
In diesem Tempo sehr viele neue Freunde zu gewinnen, macht aus Mobile Payment das, was es schon längst sein sollte: Eine praktische, smarte, sichere und komfortable Alternative, wie man unterwegs und zu Hause bezahlen kann. Und vor allem eine sehr viel breiter genutzte Alternative. Ein positiver Nebeneffekt einer Krise, der im Übrigen auch zahlreiche andere Technologien, Tools und Features vorwärtsbringen wird. Durch Verhaltensänderungen im Bereich der Digitalisierung. In einer ersten Phase aufgezwungen durch eine Krise (unschön), in nächsten Phasen geschätzt, weil der konkrete Nutzen und die Erweiterung der persönlichen Möglichkeiten durch eigenes Erleben erkannt wird (grossartig).
Die Digitalisierung macht gerade einen grossen Sprung durch Lerneffekte
In letzten Zeit hört man sehr oft die Bemerkung: "Die Welt wird nach der Corona-Krise nicht mehr so sein, wie sie vorher war". Stimmt, wir schliessen uns an. Ist die Bemerkung jedoch meist negativ konnotiert, legen wir das Gewicht auf zahlreiche positive Aspekte. Keine Frage, die Aufräumarbeiten, die negativen Auswirkungen und der Kraftakt, die Wirtschaft wieder in gewohnte Bahnen zu lenken, wird uns alle beschäftigen.
Allerdings: Die Möglichkeiten der Digitalisierung und die neu entwickelte Nähe einer Vielzahl von Menschen zur Digitalisierung wird uns allen helfen, vieles schneller und besser auf die Reihe zu kriegen. Und diese Möglichkeiten werden bleiben. Insofern kann die Welt nach der Corona-Krise durchaus auch eine bessere sein, wenn die Möglichkeiten klug genutzt werden.