Neo-Banken

Wie ist die Schweizer Neo-Bank Relio ein Jahr nach Markteintritt unterwegs?

Relio-Gründer Lav Odorovic, Zarko Vukadinovic und Milos Stokic
Relio-Gründer Lav Odorovic, Zarko Vukadinovic und Milos Stokic | Bild: Relio

Das Startup ist seit einem Jahr im Markt, profitiert vom Credit-Suisse-Effekt und hat seine Angebotspalette bereits stark erweitert.

Die Neo-Bank ist vor genau einem Jahr als Vertical gestartet. Relio ist nicht die Neo-Bank für alle, aber immerhin für fast alle, die klein oder gross im Business unterwegs sind: für Firmenkunden. Das FinTech gehört zu den wenigen Unternehmen in der Schweiz, das über eine FinTech-Lizenz der FINMA verfügt.

Das Startup ist die erste Neo-Bank in der Schweiz, die sich mit einem digitalen Geschäftskonto ausschliesslich auf die Anforderungen und Besonderheiten von kleineren und grösseren Unternehmen konzentriert – Startups und Freelancer inklusive.

Finanziert ist das FinTech mit insgesamt 3.7 Millionen Franken aus zwei Finanzierungsrunden, 2021 und 2023, für die TX Ventures (TX Group), SIX Fintech Ventures (SIX Group) und der High-Tech Gründerfonds stehen.

Die Neo-Bank für komplexe Startups und KMU

Als Alleinstellungsmerkmal (USP) unter dem Segel "Compliance without Complications" nimmt Relio für sich in Anspruch, auch die Neo-Bank für spezielle KMU und Startups mit Besonderheiten zu sein. Dazu gehören Unternehmen, die nicht dem gängigen Standard entsprechen und deshalb früher oder später in den Maschen der Compliance klassischer Banken hängenbleiben können. Das "früher" kann mit komplexen Inhaberstrukturen oder innovativen Business-Modellen zusammenhängen, das "später" zum Beispiel mit wechselnden Geldflüssen aus neuen Destinationen.

In dieser Nische positioniert sich Relio mit dem Versprechen: bei uns läuft das grundlegend anders. Die Zürcher Neo-Bank hat ihr Geschäftsmodell mit einem Algorithmus unterlegt, der die Compliance weitgehend automatisiert und intelligent durchprozessiert. Ein Algorithmus, der nach Aussagen des FinTechs alles in den Schatten stellen soll, was bei klassischen und bei Neo-Banken im Einsatz ist. 

Das soll dazu führen, dass auch komplexe KMU sehr viel schneller zu ihrem Konto kommen als bei jeder anderen klassischen Bank oder Neo-Bank. Ein bisschen komplex soll in 24 Stunden zu schaffen sein, ziemlich komplex kann zwei Tage in Anspruch nehmen, sehr komplex soll nicht Wochen und Monate, sondern nur wenige Tage dauern.

Auch nach der Kontoeröffnung sollen festgestellte "Unregelmässigkeiten" oder Abweichungen von der Norm im Geschäftsalltag nicht zu Kontosperrungen führen – die Neo-Bank nimmt für sich in Anspruch, über den Algorithmus hinaus auch bei Checks und Abklärungen in "Handarbeit" schnell und effizient zu agieren.

Erweiterte Services für KMU und Startups

Relio hat seit Markteintritt die Angebotspalette für KMU und Startups um mehrere Services erweitert. Angebote, welche die Neo-Bank im Segment der Firmenkunden klarer positionieren und Unterschiede sichtbar machen sollen.

Geschäftskonten für Web3-Unternehmen
Relio positioniert sich explizit als Crypto-friendly und bietet Web3-Unternehmen Geschäftskonten anBlockchain-Startups haben oftmals Probleme beim Zugang zu Bankdienstleistungen. Traditionelle Banken, teilweise auch Neo-Banken, sind nach wie vor aufgrund mangelnder Web3-Kompetenz oder regulatorischer Bedenken oft nicht bereit, Kunden aus der Krypto-Industrie aufzunehmen.

Einige wenige spezialisierte Privatbanken oder Krypto-Banken bieten sich hier als Alternative an. Das Onboarding kann sich jedoch langwierig gestalten und die Gebühren sind zudem oftmals eher hoch angesiedelt.

Hier will Relio einspringen und positioniert sich als Partner und Neo-Bank für die Web3-Industrie. Auch in diesem Segment mit den Argumenten: Schnell, problemlos und kostengünstig. Mit der selbst geäusserten Absicht, das Crypto Valley im Bereich Bankverbindungen für Startups nicht zur Crypto-Wüste verkommen zu lassen.

Digitales Kapitaleinzahlungskonto für Firmengründungen
Relio hat bei Firmengründungen im digitalen Workflow eine Lücke ausgemacht und bietet seit August digitale Kapitaleinzahlungskonten an, die Geschäftskunden online eröffnen können. Auch komplexere Business Cases oder Gesellschaften mit ausländischen wirtschaftlich Berechtigten und internationalen Geschäftsführern können dieses Angebot nutzen.

Diese Gruppe wurde nach Ansicht von Relio bisher von vielen Banken vernachlässigt, da diese den Mehraufwand in der Compliance scheuen. Mit der selbst entwickelten Compliance-Technologie will die Neo-Bank auch dieses Segment optimal abdecken.

Bereits während der Pilotphase haben rund 50 Startups diesen Service genutzt, der nun weiter ausgebaut werden soll. Relio will demnächst die Möglichkeit bieten, die Kapitaleinzahlungsbestätigung mit einer qualifizierten elektronischen Signatur (QES) vollständig digital auszustellen. Ebenso sollen Kundinnen und Kunden in Kürze eine Nachliberierung oder eine Kapitalerhöhung mit dem gleichen Service durchführen können.

Internationale Transaktionen, Fremdwährungen und Multi-Währungs-Konten
Schweizer IBANs und CHF-Konten für Inlandszahlungen waren bereits zum Start im Programm. Nun erweitert Relio seine Funktionen mit internationalen Zahlungen, Fremdwährungen und Multi-Währungs-Konten. Zum Start unterstützt der Service CHF, EUR sowie GBP und ermöglicht Transaktionen in über 40 Länder. Weitere Währungen und Länder sollen demnächst folgen.

Auch im Bereich der internationalen Transaktionen setzt Relio mit dem spezifischen Algorithmus auf automatisierte maximale Compliance und minimale Reibung. Nach eigenen Aussagen will die Neo-Bank mit ihrer selbst entwickelten Technologie die Compliance im internationalen Zahlungsverkehr neu definieren.

Grenzüberschreitende Transaktionen sind oft mit komplexen regulatorischen Anforderungen verbunden, die von den Finanzinstituten verlangen, die Rechtmässigkeit der Geldflüsse zu überprüfen, die Herkunft der Gelder zu dokumentieren und den Zweck der Transaktionen nachzuvollziehen. Deshalb werden Unternehmen bei internationalen Zahlungen zuweilen mit Verzögerungen und Unterbrechungen konfrontiert, die auf regulatorische Herausforderungen und falsch-positive Compliance-Warnungen zurückzuführen sind.

Das automatisierte Compliance-System von Relio nutzt die bei der Kontoeröffnung gesammelten Daten für die Transaktionsüberwachung, um dem individuellen Geschäftsprofil eines jeden Kunden gerecht zu werden. Dieser datengesteuerte Ansatz soll die Erkennung verdächtiger Aktivitäten bei gleichzeitiger Minimierung von falsch-positiven Meldungen verbessern und für eine reibungslose, schnelle und zuverlässige Abwicklung sorgen. Im Ergebnis, so Relio, reduzieren sich für Kunden wie auch für die Neo-Bank Ressourcen, die für die Einhaltung der Vorschriften im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr eingesetzt werden müssen. 

Relio ein Jahr nach Markeintritt

Zahlen zu Kunden gibt's ein kurzes Jahr nach Markteintritt noch keine, die Neo-Bank scheint sich jedoch gut und nach Plan zu entwickeln. Relio erweitert die Leistungen für das Segment der Firmenkunden laufend, was die Position der Neo-Bank in ihrer gewählten Nische stärkt.

Relio hat nach eigenen Aussagen stark vom Credit-Suisse-Effekt profitiert. Das heisst konkret: heimatlos gewordene Firmenkunden, die sich bei Grossbanken oder klassischen Banken nicht besonders willkommen fühlen, starten einen Neuanfang bei Neo-Banken.

Die bewirtschaftete Nische schafft für das Vertical eine gute Ausgangslage. Innerhalb der Schweizer Neo-Banken ist Relio durch die exklusive Ausrichtung auf Firmenkunden im Vorteil und kann seine Stärken in diesem Segment ausspielen. Der USP, dass Relio auch mit komplexen oder speziellen Unternehmen umgehen kann und will, dürfte weitere Türen öffnen.