Grosse Deals und Mergers gibt's immer wieder, das Virus der Übernahme-Lust scheint sich aktuell allerdings besonders aktiv zu verbreiten.
SIX kauft zu
Wer zur Grösse verdammt ist, kauft zu. SIX plündert ihr prall gefülltes Sparschwein und will für 2,8 Milliarden Euro von Bolsas y Mercados Españoles (BME) die Madrider Börse kaufen, wir haben berichtet. SIX CEO Jos Dijsselhof ist zuversichtlich, dass er eingefädelte Deal klappen wird und sieht SIX in der Pole Position für die Übernahme.
Mit der Madrider Börse unter der Flagge der SIX würde die Gruppe ihre Position in Europa stärken und wäre zudem gewissermassen auch eine EU-Börse.
Worldline will Ingenico übernehmen
Die Aktien von Ingenico sind der französischen Worldline 7,8 Milliarden Euro wert. Geht der Deal über die Bühne, wäre mit der Fusion der weltweit viertgrösste Zahlungsdienstleister mit rund 20'000 Mitarbeitern in 50 Ländern am Start. Über die Beteiligung von 27 Prozent an Worldline aus dem Verkauf der SIX Payment Services sitzt SIX auch bei dieser Übernahme mit im Boot. Dass SIX den geplanten Zukauf "vollumfänglich unterstützt", ist nicht erstaunlich – mit einer Beteiligung von rund 17 Prozent an der kombinierten Gruppe und einem zusätzlichen VR-Sitz würde SIX zum bedeutendsten Anteilseigner des fusionierten Unternehmens.
Bei den deutschen Sparkassen dürfte sich die Freude am Zuammenschluss eher in Grenzen halten. Die Verantwortlichen geben wohl tapfer zu Protokoll, dass sie im Handel zahlreiche Vorteile erkennen würden, Zweifel bleiben angebracht. Die Sparkassen hatten ihr eigenes Zahlungsverkehrsgeschäft Mitte 2019 in einem Joint Venture zusammen mit Ingenico in das Gemeinschaftsunternehmen Payone eingebracht.
Durch den aktuellen Deal dürfte das Gewicht der deutschen Sparkassen bei Payone kleiner werden. Bisher mit 48 Prozent beteiligt, haben die Sparkassen nun einen neuen 52-Prozent-Partner im Haus, dem sie nicht selbst die Türe geöffnet haben, er hat sie mit 7,8 Milliarden Euro aufgestemmt. Eine gewisse Ernüchterung wäre verständlich, wenn nach nur gerade einem halben Jahr Joint Venture-Ehe mit Wunschpartner plötzlich neue Gesichter einen anderen Wind durch die Payone-Hallen wehen lassen.
Versicherer Mobiliar steigt bei Ringier ein
Und das in bemerkswertem Umfang: Mobiliar übernimmt 25 Prozent der Firmenanteile. Damit wird die Mobiliar synergetisch auch zum Medienhaus und zur digitalen Plattformbetreiberin und Ringier wird zum Versicherer. Beide Unternehmen verfolgen eine stringente Digitalisierungs-Strategie und kennen sich "von früher". Das Gemeinschaftsunternehmen Scout24 Schweiz scheint über den Verkauf von Autos, Motorrädern, Immobilien, Krediten, Hypotheken und Versicherungen den Kitt und die Gewissheit geliefert zu haben, dass da noch sehr viel mehr zu machen ist, wenn man zusätzliche Ressourcen zusammenlegt.
Nach Aussagen beider Partner werden Chancen in den Bereichen Digitalisierung, Entwicklung neuer Geschäftsmodelle, Vertrieb und Internationalisierung erkannt und mit Sicherheit auch am Schopf gepackt. Spannend ist vor allem auch, welche gemeinsamen Pläne in den Bereichen Versicherungen und Finance reifen werden. Die Verbindung einer starken Mediengruppe mit einem Versicherer eröffnet interessante Möglichkeiten.
Migros verkauft Globus
Der orange Riese ist schon länger dabei, sich zu verschlanken und will verstärkt auf das eigentliche Kerngeschäft fokussieren. Mit dem Verkauf der Warenhauskette, inklusive Immobilien an Top-Lagen plus ein Hotel in Bern, bekommt Globus mit der Central Goup und Signa neue Besitzer. Der Deal mit den Luxuswarenhaus-Profis, welche unter anderem auch die KaDeWe-Gruppe managen, soll der Migros über eine Milliarde Schweizer Franken in die Kasse spülen.
Nach eigenen Angaben will die Migros mit dem fetten Batzen Dienstleistungen weiter ausbauen – in strategisch wichtigen Geschäftsfeldern wie zum Beispiel in digitalen Vertriebskanälen, Convenience sowie auch in Angeboten rund um die Gesundheit.
Das Jahr ist noch jung, weitere Überraschungen bleiben möglich
Die einzelnen Zukäufe, Verkäufe und Fusionen sind nicht direkt vergleichbar – und dennoch lassen sich Gemeinsamkeiten erkennen. Getrieben durch Big Techs zeigt sich eine generelle Tendenz zur neuen Grösse. Einstige Grösse misst sich an veränderten Skalen, auch ein Grosser kann im Vergleich zu einem Giganten wie ein Zwerg wirken. Die andere erkennbare Tendenz liegt in der Konzentration, das gilt für zahlreiche Branchen. Ein Gemischtwarenladen mit Verzettelungserscheinungen kann im Kampf gegen Spezialisten mit klarem Fokus auf Kernkompetenzen ins Hintertreffen geraten.
Zukäufe, Verkäufe und Fusionen sind strategische Antworten auf diese Entwicklungen. Ob sich diese Tendenzen weiter verstärken, werden wir sehen. Ziemlich sicher werden auch die nächsten Monate Überraschungen bringen.