Ein Artikel von Lukas Hässig auf dem Finanzportal "Inside Paradeplatz" hat zahlreiche Reaktionen ausgelöst, die zwischen Irritation, Geraune in der Branche und Häme angesiedelt sind. Kein Wunder, Hässig hat in gewohnt schonungsloser (und auch unterhaltsamer) Manier mit dem journalistischen Zweihänder eher kräftig auf die "Handy-Finanzbude" eingedroschen, zum Beispiel damit:
"Thomas Hilgendorff wollte den Old Guys des Finanzplatzes das Fürchten lehren. „Wir fordern das Banking heraus“, so seine Yapeal, eine „volldigitale“ Schweizer Handy-Bank.
Letzte Woche kam eine andere Story zum Vorschein. Kein Erfolg, gigantische Kosten, Not-Zuschuss durch Investor Abacus, ein Softwarehaus. Die Folge: 180-Drehung, statt Retailbank neu Zuliefer-Fintech. Damit ist klar: Yapeal ist gescheitert. Hochkant.
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Mit dem Aus von Yapeal als Retailbank scheitert ein weiteres Swiss Startup im Bankenbereich, das vor allem eines konnte: sich selbst inszenieren.
Nun stutzt Grossaktionärin Abacus die Firma zur Technologie-Lieferantin zurück."
Die ganz Story gibt's hier zu lesen: "Kahlschlag bei der Hipster-Bank Yapeal".
Yapeal kann Technologie, Kommunikation mit Medien eher nicht
Ein Strategiewechsel hat sich längst abgezeichnet – seit Yapeal und Abacus strategisch partnern, hat MoneyToday.ch bereits mehrfach ausführlich zum Thema berichtet. Yapeal hat in Kooperation mit Abacus innerhalb der letzten zwölf Monate allerdings keine strategische Kosmetik gemacht, das FinTech hat einen Pivot im Sinne einer radikalen strategischen Änderung des Geschätsmodells geplant und auch vollzogen.
Wird dieser einschneidende Schritt ausschliesslich gegen innen kommuniziert, fallen für Medien nur gerade Info-Krumen vom Karren. Dass auch aus Krumen grosse und dazu noch schwer verdauliche Brote gebacken werden können, hat die Neo-Bank gestern auf Inside Paradeplatz nachlesen dürfen.
Im kleinen Markt Schweiz steht jede der (momentan) acht Neo-Banken im Fokus der Medien. Aus nachvollziehbaren Gründen, immerhin soll das Banking der Gegenwart zum Finanz-Ökosystem der Zukunft umgebaut werden. Deshalb sicher keine schlechte Idee, interessierte Medien auf diesem Weg mitzunehmen und über relevante Meilensteine zu informieren.
Auch MoneyToday.ch hat die verfügbaren Krumen sortiert und mit verlässlichen Informationen aus verschiedenen Quellen ergänzt – im Folgenden eine Zusammenstellung relevanter Fakten sowie Interpretationen zur Neupositionierung von Yapeal.
Wie sieht die neue Strategie von Yapeal konkret aus?
Yapeal und Abacus haben sich entschieden, in Zukunft ausschliesslich auf das B2B4C-Geschäft zu fokussieren. Das bedeutet im Wesentlichen, dass Yapeal für Firmenkunden und Ökosystempartner digitale Zahlungs- und Finanzlösungen entwickeln wird. Damit stehen Leistungen rund um Embedded Finance und Banking as a Service neu klar im Vordergrund.
Die direkte, aktive Anwerbung von Endkunden wird aufgegeben. Yapeal hat aber weiterhin Endkunden und wird die entsprechenden Funktionalitäten weiter ausbauen, da sie auch für die B2B4C-Strategie essentiell sind. Das heisst, die Technologie-Plattform von Yapeal ist von zentraler Bedeutung und über diese Schiene wird das FinTech auch neue Kunden dazugewinnen – indirekt über Unternehmen, welche die Software und Funktionen nutzen und ihren Kunden zur Verfügung stellen.
Warum vollzieht die Neo-Bank einen markanten Strategiewechsel?
Aus verschiedenen Gründen, im Vordergrund stehen drei Aspekte:
Neukundengewinnung
Die Neukundengewinnung ist auch für Neo-Banken aufwendig und sehr kostenintensiv, zumal heute acht Neo-Banken im kleinen Markt Schweiz um Neukunden kämpfen. Yapeal verlässt diese Arena, verabschiedet sich jedoch nicht vom Retail Banking. Neukunden finden ohne Marketingaufwände über Drittparteien den Weg zur Technologie-Plattform von Yapeal.
Technologie-Vorsprung
In der Schweiz hat Yapeal in Sachen Entwicklung und Technologie die Nase sehr weit vorn. Dadurch entstehen Funktionen, Tools und Software, die in gewisser Weise "zu schade" oder zu wertvoll sind, um nur der eigenen Neo-Bank und ihren Kunden Nutzen zu bringen. Wird diese Technologie Unternehmen und Finanzdienstleistern zur Verfügung gestellt, öffnen sich durch Lizenzen oder Transaktionskosten-Anteile zusätzliche Ertragsquellen. Zudem, je nach beteiligtem Partner, kann das FinTech für die eigene Neo-Bank indirekt neue Retailkunden generieren. Yapeal wechselt folglich das Ertragsmodell und setzt bei der Kundengewinnung für die eigene Plattform auf Multiplikatoren.
Embedded Finance Services und Banking as a Service
Mit Embedded Finance Services und Banking as a Service fährt Yapeal neu auf einer interessanten Schiene mit Zukunft. Bereiche, die auch von klassischen Banken belegt werden könnten und sollten, was bisher allerdings erst als Ausnahmeerscheinung sichtbar ist. Umgekehrt funktioniert jedoch auch: Werden Banken selbst in diesen Bereichen nicht aktiv, kommen ebendiese Banken als Kunden für solche Leistungen infrage.
Dienen Retailkunden neu als Teststrecke für neue Funktionen?
Das war bisher schon der Fall und gilt für alle Neo-Banken. Yapeal verabschiedet sich nicht vom Retail Banking, nur von der direkten Neukundengewinnung. Funktionen im Retail Banking bleiben wichtig für die verschiedenen Kundensegmente im B2B-Bereich – und der Einsatz zentraler Funktionen auf der eigenen Plattform betrifft nicht nur bestehenden Nutzerinnen und Nutzer, sondern auch neue Kunden, die indirekt über B2B-Partner den Weg zur Neo-Bank finden. Insofern gehört diese Gruppe zu den Erstnutzern neuer und interessanter Funktionen, was Beta- und Testphasen mit einschliessen wird. Ein fairer Deal, beide Parteien haben etwas davon.
Welche Rolle spielt der Software-Hersteller Abacus?
Yapeal hat bereits seit Mitte Januar 2021 eine zusätzliche Farbe auf der Unternehmensflagge. Vor einem Jahr hat sich Abacus mit mehreren Millionen an der Neo-Bank beteiligt – nicht bloss als Investor, vielmehr als strategischer Partner. Aktuell hat Abacus ihre Anteile an Yapeal signifikant erhöht und wird damit zum grössten Aktionär der Neo-Bank. In welcher Höhe die Transaktion über die Bühne gegangen ist, wird nicht kommuniziert, es dürfte sich jedoch um eine zweistelligen Millionenbetrag handeln, der nicht an der untersten Kante von zweistellig angesiedelt ist.
Das Potenzial dieser Verbindung ist brisant. Software-Hersteller und FinTech Abacus verfolgt grosse Pläne mit der Deep Box und allen damit verbundenen Möglichkeiten. Die Neo-Bank Yapeal verfolgt ebenso grosse Pläne mit Applikationen, Tools und Software, die Unternehmen und Anwendern die eigenen Spielräume massiv erweitern sollen.
Dass der Einfluss von Abacus in diesem neu zusammengestellten Orchester zunehmen wird, liegt auf der Hand. Insbesondere Abacus-CEO Claudio Hintermann dürfte als visionärer Macher verstärkt spürbar werden, in Strategie, Technologie und auch im Verwaltungsrat. Ob die aktuelle Demission von Hans Kuhn als Verwaltungsratspräsident bereits in diesem Licht zu sehen ist, wird sich erst an der ausserordentlichen Generalversammlung Mitte März zeigen.
Wie sehen die Zukunftsaussichten aus?
Hier legen zwei Unternehmen Know-how, Technologie und Innovationskraft zusammen und entwickeln gemeinsam Lösungen, die in verschiedenen Branchen, Sparten und Bereichen neue Standards setzen können. Für Yapeal und für Abacus erweitern sich dadurch Möglichkeiten und Märkte.
Zudem, aus der Sicht von Yapeal: im Bereich B2C steht die Neo-Bank in Konkurrenz zu sieben anderen Neo-Banken, die in der Schweiz aktiv sind. Das wird auch so bleiben, mit dem Unterschied, dass die hohen Kosten für die direkte Neukundengewinnung auf Null zurückgehen. Im Bereich B2B und damit auch B2B4C hat Yapeal eine Alleinstellung, zumindest im Moment.
Was nun: Gescheitert oder am Durchstarten?
Zurück auf Anfang: "Damit ist klar: Yapeal ist gescheitert. Hochkant." Scheitern fühlt sich anders an und sieht auch anders aus. Yapeal hat sich neu positioniert und holt kräftig Anlauf, mit Verstärkung von Strategiepartnerin Abacus.
Man soll den Embedded Finance-Tag nicht vor dem Banking as a Service-Abend loben, nur: wer mit dieser exzellenten Ausgangslage plus Alleinstellungsmerkmalen den Karren in den Sand setzt, wäre ein erbärmlicher Pilot, der Nachts ohne Scheinwerfer unterwegs ist. Die Chancen stehen gut, dass die ausgebaute Beleuchtungsanlage unter Volllast gemeinsame Ziele sichtbar und auch erreichbar macht.
Zugegebenermassen eine Frage der Betrachtung, die zu unterschiedlichen Schlüssen führen kann, deshalb: die Zukunft wird zeigen, ob die Reise von Yapeal auf den Gipfel oder in den Abgrund führt, über das eine oder das andere werden wir berichten.