FinTechs & Marketing

Eine Million Interessenten vs. Ärger mit dem Verbraucherschutz

Die gespiegelte Visakarte und ein Smartphone
Bild: Trade Republic

Die gehypte Mirror-Debitkarte des Neo-Brokers Trade Republic schlägt im Markt voll ein, beim Verbraucherschutz ebenfalls.

Die Idee der Mirror-Debitkarte von Trade Republic dürfte in die Geschichte der erfolgreichsten Marketing-Kampagnen von FinTechs eingehen. Über die Einführung der Karte hat MoneyToday.ch ausführlich berichtet, hier.

Über eine Million Menschen wollen die neue Karte haben

Die Debitkarte in Metall, die auch das Potenzial zum Schminkspiegel hat, sieht gut aus, kommt ohne Monatsgebühren, ist auch in der Nutzung kostenlos und bringt 1 Prozent Saveback (Cashback) auf Kartenumsätzen für das automatische Sparen. Zudem bietet der Neo-Broker mit Banklizenz 4 Prozent Zinsen auf Cash-Einlagen. So weit, so interessant.

Mit diesen Punkten hängt der Hype zusammen, den die neue Karte ausgelöst hat. Die Warteliste für die Karte ist nach der Einführung sprunghaft angewachsen und hat sogar die Millionenmarke längst übertroffen. Das ist bemerkenswert. Aber auch erstaunlich. Immerhin handelt es sich im Kern doch nur um eine neue Karte mit einigen Zusatzleistungen. Auch Letztere sind nicht wirklich neu, die gibt es bereits da und dort, sie sind einfach neu komponiert und zusammen mit der schönen Mirror-Karte sehr gut verpackt worden.

Der Neo-Broker, der keine Neo-Bank sein will, beherrscht Marketing

Der erfolgreiche Neo-Broker hat bisher 4 Millionen Kundinnen und Kunden in 17 Ländern dazu gebracht, ihr Geld bei ihm anzulegen. Trade Republic ist als Broker und Handelsplattform sehr weit entfernt vom Image der Zockerbude. Das Mantra des Sparens und des Vermögensaufbaus ist allgegenwärtig und wird als Marketingschiene im Taktfahrplan bedient. Mit Erfolg, Sparpläne werden stark genutzt und die Kombination von Anlegen und Sparen kommt bei wachsenden Kundengruppen offenbar gut an.

Nach eigenen Aussagen will Trade Republic nicht zur Neo-Bank werden, ist jedoch auf dem besten Weg dazu. Mit der neuen Mirror-Karte ist ein sichtbarer Anfang gemacht, weitere Bank-Angebote werden folgen. Zumal der Neo-Broker Ende 2023 die Vollbanklizenz erhalten hat und die damit verbundenen Möglichkeiten nutzen wird. Dem Vernehmen nach stehen als Nächstes Kredite für hinterlegte Investments auf dem Programm, die Anlegerinnen und Anlegern zusätzlichen Spielraum verschaffen sollen.

Ob Neo-Broker, Neo-Bank oder beides, mit der Mirror-Karte hat Trade Republic einen Marketing-Coup gelandet. Über eine Million Menschen, die das Produkt haben wollen, in der Warteschlange – davon können andere FinTechs nur träumen.

Das sieht der Verbraucherschutz ganz anders

Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg wirft Trade Republic irreführende Werbung vor und hält den Marketing-Coup für "wettbewerbswidrig". Die Verbraucherzentrale will rechtlich gegen das FinTech vorgehen und hat Trade Republic im ersten Go eine Abmahnung ins Haus geschickt. Die Verbraucherzentrale macht ihre harsch vorgebrachte Kritik vor allem an drei Punkten fest:

Zum einen gibt's die Savebacks, also die Vergütungen von 1 Prozent auf Kartenumsätze auf das Sparkonto, nur bis zum Höchstbetrag von 15 Euro pro Monat. Das entspricht einem Kartenumsatz von 1'500 Euro.

Zum anderen wären die Bedingungen für Savebacks erst dann erfüllt, wenn ein Sparplan über minimal 50 Euro eingerichtet worden sei.

Und zum Dritten würden Kundinnen und Kunden die 4 Prozent Zinsen auf Cash-Einlagen nicht automatisch erhalten, diese Funktion müsste online erst aktiviert werden.

Aus diesen Gründen, so die Verbraucherzentrale, handle es sich beim Angebot des FinTechs um irreführende und klassisches Lockvogelwerbung.

Was ist von den Vorwürfen zu halten?

Sollte die Verbraucherzentrale am Ball bleiben, wird die finale Anwort von einem Gericht kommen. Es scheint jedoch, dass die Verbraucherschützer im Falle von Trade Republic knallhart urteilen und etwas grosse Kanonen aufstellen, um den Spatz vom Dach zu holen.

Die monatliche Limite für die Savebacks findet tatsächlich nicht in der Headline und auch nicht im grossgedruckten Angebotstext statt, erst im Kleingedruckten. Dasselbe gilt für die Notwendigkeit eines eingerichteten Sparplans mit minimal 50 Euro, um Savebacks zu erhalten. Hier hat die Verbraucherzentrale insofern einen Punkt, als FinTechs und Neo-Banken nicht die breit angewendete Unsitte übernehmen sollten, Detailbedingungen im Kleingedruckten zu verstecken.

Das ist auch gar nicht nötig – das Angebot bleibt interessant. Zumal die meisten Kundinnen und Kunden von Trade Republic die Limite von 1'500 Euro Kartenumsatz pro Monate kaum erreichen dürften. 

Beim dritten Punkt haben wir von der Redaktion im Gegensatz zur Verbraucherzentrale ein deutlich höheres Vertrauen in die kognitiven Fähigkeiten durchschnittlicher Konsumenten. Die Kundinnen und Kunden von Trade Republic werden es schaffen, den richtigen Button in der App zu finden, um die regelmässige Zinsgutschrift von 4 Prozent auf Cash-Einlagen zu beantragen und zu aktivieren.

Dass Verbraucherschützer Neo-Brokern und FinTechs auf die Finger schauen, ist völlig in Ordnung. Es darf allerdings erwartet werden, das Kritik nach einheitlichen Massstäben angebracht wird, die gleichermassen für alle gelten. Diesen Eindruck hat man im vorliegenden Fall nicht unbedingt. Es existieren tausende von Seiten und AGBs, verfasst von Banken, Versicherern und anderen Unternehmen, die Detailbedingungen im Kleingedruckten unterbringen. Wie gesagt, das ist eine weit verbreitete Unsitte, die jedoch in der Regel das Blut der Verbraucherschützer nicht in Wallungen bringt.

Der Hype hält ungebrochen an

Es bleibt ein Marketing-Coup, der es geschafft hat, extrem viel Wirbel um eine neue Debitkarte zu machen und eine gewaltige Nachfrage zu erzeugen. Der Hype hält ungebrochen an. Haben Kundinnen und Kunden vor einigen Tagen noch vor allem ihren Rang auf der Warteliste in den Social Media-Plattformen gepostet, sind aktuell Posts von erfreuten Usern zu sehen, welche im Bild die gespiegelte Karte oder erste gutgeschriebene Savebacks zeigen. 

Ironischerweise dürften die Vorwürfe der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg und die breite mediale Unterstützung des Themas mit dazu beigetragen haben, die Warteliste der Besteller über die Millionengrenze hinaus anwachsen zu lassen.