Die aktuelle Studie von Bain & Company zur Kundenloyalität basiert auf der Befragung von weltweit 133'000 Bankkunden in 22 Ländern, davon knapp 1'900 in der Schweiz.
Mit den Resultaten bestätigt das Beratungsunternehmen im Kern die Erkenntnisse der PwC-Bankenstudie zur Kundentreue, welche wir gestern vorgestellt und kommentiert haben. Unterschiede gibt's allerdings auch, die Differenzierungen im Überblick.
Schweizer Bankkunden gehen fremd – und die Tech-Giganten locken
Auch Bain & Company zieht das Fazit, dass den Hausbanken in der Schweiz die Gefahr droht, in die undankbare Rolle der "Grundversorger" zu geraten. Während sie Basisdienste bereitstellen, konkurrieren sie mit digitalen Branchenvorreitern und neuen Anbietern um markenstarke Produkte. Das Ausmass dieser Bedrohung, national und international, zeigt die Studie "Evolving the Customer Experience in Banking".
In der Schweiz nutzt rund die Hälfte der Retail-Bankkunden bereits heute, neben der Hausbank, Angebote von Mitbewerbern. Davon profitieren andere Banken wie auch Drittanbieter. Bain & Company sieht bei dieser "stillen Abwanderung" einen möglichen Trendwechsel. Die Gefahr könnte in Zukunft weniger bei konkurrierenden Banken und FinTechs liegen, Tech-Konzerne stehen in der Gunst der Schweizer Bankkunden sehr hoch:
Die Grafik oben zeigt, dass jeder dritte Schweizer bereit ist, ein Finanzprodukt von einem Tech-Konzern zu kaufen. Dass jüngere Altersgruppen eine höhere Bereitschaft dazu zeigen, zum Beispiel 46 Prozent der 18- bis 24-Jährigen, überrascht nicht unbedingt. Erstaunlich jedoch, dass sich nahezu ein Viertel der 65+-Generation ebenfalls Finanzgeschäfte mit einem Digitalkonzern vorstellen kann.
Etablierte Tech-Konzerne schneiden in der Befragung aller Altersgruppen durchwegs besser ab als FinTechs oder Startups. Bain sieht in Digitalkonzernen wie Amazon, Apple oder Google die gefährlichsten möglichen Angreifer der Zukunft.
Bereitschaft von Kunden trifft auf Know-how und eingespielte Prozesse von Digitalkonzernen
Die Studie beleuchtet die Dynamik von Technologieunternehmen (zum Beispiel Amazon, Alibaba oder Rakuten), welche bereits heute in Asien und in den USA Finanzprodukte und Finanzdienstleistungen anbieten. Bain-Partner Dr. Dirk Vater verweist auf die Vorstösse von Tech-Konzernen bei Kreditkarten oder Ratenzahlungen in Europa – und sieht deren Einstieg ins Retail Banking als denkbaren nächsten Schritt:
«Die Voraussetzungen für grosse Tech-Konzerne sind günstig. Sie verfügen über eingespielte digitale Prozesse sowie etablierte Marken – und schon heute vertrauen ihnen Kunden auch persönliche Daten an.» Bisher wenden sich nur wenige Kunden komplett von ihrer Hausbank ab, das könnte sich jedoch mit dem Markteintritt neuer Player ändern, deshalb: «Gerade die Filialbanken müssen alles daransetzen, ihre Kunden stärker als bisher über alle Kanäle hinweg zu begeistern.»
Omnikanal-Banking: Auf allen Kanälen überzeugen
Zwei Drittel der jüngeren Schweizer nutzen Mobile Banking. Eine Erkenntnis, welche die zentrale Position dieses Kanals unterstreicht. Allerdings kommen die Bain-Experten zum Schluss, dass ein einseitiger Ausbau von mobilen Kanälen der falsche Weg wäre. Die Zukunft sehen sie darin, Kunden über mehrere Kanäle zu begleiten, die Kundenreise durchgängig und kundenorientiert zu gestalten, kanalübergreifende Anreiz- und Steuerungsmechanismen zu schaffen – und deshalb als klare Empfehlung: Transformation zur Omnikanal-Bank.
«Wer den Omnikanal-Gedanken nicht lebt, öffnet Tür und Tor für Wettbewerber innerhalb und ausserhalb der Branche», betont Dirk Vater. Beispiele und Argumente für kanalübergreifende Angebote aus einem Guss werden im Studienbericht ausführlich thematisiert und mit Fakten untermauert. Bain & Company sieht in der Omnikanal-Strategie den erfolgversprechenden Weg für Banken, die Kundenloyalität langfristig zu erhöhen und die eigene Position wirkungsvoll zu stärken. Ein Transformationsprozess, der zahlreiche Finanzinstitute vor grosse Herausforderungen stellt, über den jedoch aktuelle Defizite überwunden werden können.
«Die Zeiten ausschliesslich analoger und digitaler Banken gehen zu Ende», ist Bain-Partner und Bankenexperte Matthias Memminger überzeugt, «die Zukunft gehört dem Omnikanal.» Dirk Vater doppelt nach: «Die Retail-Banken haben den Schlüssel für ihren künftigen Erfolg selbst in der Hand.»
Und: Wer hat die loyalsten Kunden im ganzen Land?
Bain & Company erhebt und misst weltweit auch die Loyalität der Kunden zu ihren Banken. Die höchsten Loyalitätswerte bei Schweizer Kunden erreicht derzeit die Raiffeisenbank.
Die Studie zum Runterladen und die Autoren
Die umfangreiche internationale Studie bringt aktuelle Resultate und teilweise neue Betrachtungen zur Zufriedenheit und zum Verhalten von Bankkunden – international und auch mit Fokus auf die Schweiz. Mit dabei: die Risiken und Gefahren der "digitalen Verzögerung", denen Banken ausgesetzt sind sowie bedenkenswerte Strategie-Empfehlungen für Finanzinstitute.
Über Bain & Company
Das internationale Beratungsunternehmen mit Hauptsitz in Boston beschäftigt über 7'000 Mitarbeiter im globalen Netzwerk von 55 Niederlassungen in 36 Ländern. Im deutschsprachigen Raum ist Bain & Company mit 800 Mitarbeitern in München, Düsseldorf, Frankfurt und Zürich vertreten.