Steuersystem Schweiz

Soll eine Mikrosteuer auf dem Zahlungsverkehr alle bisherigen Steuern ersetzen?

Rosa Sparschwein mit Brille
Bild: AndreyPopov | Getty Images

Diese Frage soll durch das Schweizer Volk beantwortet werden – der Text für die Volksinitiative steht und die Idee einer bemerkenswerten Steuerreform würde das Steuersystem auf völlig neue Beine stellen.

Der Begriff "Steuerreform" greift für die revolutionäre Idee zu kurz, der Vorschlag der Initiatoren will das komplizierte Steuersystem der Schweiz komplett ablösen und durch einen Automatismus ersetzen.

Nach dem Konzept der Initiatoren könnten Einkommenssteuer, Mehrwertsteuer und andere Steuerformen gestrichen werden – und damit auch die enormen Aufwände für Erhebung, Beratung, Abrechnung, Kontrollen und Abwicklung. Anstelle des bisherigen Steuersystems tritt eine Mikrosteuer, welche auf dem bargeldlosen Zahlungsverkehr erhoben und automatisiert eingezogen wird.

Konkret würde jede bargeldlose Zahlungstransaktion, Belastung oder Gutschrift, direkt mit der Steuer belastet, zum Beispiel mit 1 Promille Mikrosteuer. Damit wäre der gesamte Finanzbedarf von Bund, Kantonen und Gemeinden zu decken, öffentliche Sozialversicherungen inklusive.

Das Steuersystem neu erfinden

Unter dem Titel "Reinvent the System" stellen die Autoren ihr Konzept im Detail vor. Als kurze Zusammenfassung hier ein Auszug aus dem Summary:

"Seit 2 Jahrzehnten macht sich eine massive Finanzialisierung der Wirtschaft breit, die ein enormes Steuersubstrat anbietet. Das vorliegende Konzept verschiebt die Steueroptik. Anstatt Bürger und Unternehmen direkt und indirekt mit insgesamt 30 Prozent Steuern und Abgaben zu belasten, genügt bei CHF 100‘000 Milliarden Zahlungsverkehr rund 1 Promille Mikrosteuer pro Belastung und pro Gutschrift, um den Finanzbedarf der öffentlichen Haushalte von Bund, Kantonen, Gemeinden und öffentlichen Sozialversicherungen abzudecken (aktuell insgesamt CHF 230 Milliarden).
Die automatische Mikrosteuer ist einfach zu verstehen, einfach zu erheben, und ergiebig."

Das Konzept geht dann tiefer, erklärt die Idee im Detail und liefert auch Berechnungsbeispiele. Die Autoren sind seit 2013 am Thema dran, die Initiative rückt mit dem aktuell vorgestellten Initiativtext in den Vordergrund.

Die Idee hat Reiz und wirkt aus verschiedenen Gründen verlockend. So oder so wird das Thema zu Reden geben und zu engagierten bis hitzigen Diskussionen führen.

Wer steht hinter der Initiative?

Das Konzept der automatischen Mikrosteuer kommt nicht aus der Küche weltfremder Fantasten, vielmehr aus der Feder von Fachleuten und kreativen Köpfen, welche über die Vor- und Nachteile verschiedener Steuersysteme nachgedacht haben.

Die Idee wird portiert von vier bekannten Gesichtern, welche auch gleich den Vorstand des Vereins Mikrosteuer bilden:

Felix Bolliger, lic. oec. HSG 

Inhaber der Felix Bolliger AG für Vermögensverwaltung 1987 bis 2017.

Prof. Dr. Marc Chesney 

Marc Chesney ist Finanzprofessor an der Universität Zürich und Autor des Buches: Die permanente Krise, Versus Verlag, Zürich, März 2019.

marcchesney.com

Prof. Dr. Anton Gunzinger 

Prof. Dr. ETH, Inhaber der Super Computing Systems (SCS) AG, Zürich.

Oswald Sigg

* 1944 in Zürich, Journalist, arbeitete bei SDA und SRG und in der Bundesverwaltung, 2005 bis 2009 Bundesratssprecher und Vizekanzler der Eidgenossenschaft.

Die Idee der automatischen Mikrosteuer im Streitgespräch

Unter dem Titel "Alle Steuern abschaffen?" liefern sich Prof. Dr. Marc Chesney und Lucas Chancel auf Arte ein Streitgespräch. Aus unterschiedlichen Positionen werden die bisherigen klassischen Steuersysteme gegen die Mikrosteuer aufgewogen, Auswirkungen auf Big Techs sind Thema, wer die Mikrosteuer einziehen soll und warum dieser Service für Banken zum neuen Ertragsmodell werden könnte.