Non-Fungible Tokens

NFTs – gekommen, um zu bleiben?

Eine virtuelle Kunstgalerie mit NFT-Kunstwerken
Bild: gremlin | Getty Images

Johannes Höllerich und Fabian Danko zu NFTs und PFPs und warum der Hype um Non-Fungible Tokens alle Chancen hat, die Kunstszene und andere Märkte zu verändern.

Non-Fungible Tokens (kurz: NFTs) sind im Hype und auch medial breit im Gespräch. Nachdem Christie’s das digitale Werk «Everydays» von Beeple Anfang des Jahres für unglaubliche 69 Millionen Dollar versteigert hat, stehen derzeit sogenannte Profil Pictures NFTs (PFPs) im Mittelpunkt des Hypes, der auch von immer mehr berühmten Persönlichkeiten getragen wird, die ihr Twitter-Profil mit einem solchen Bild schmücken. Ein Eindruck davon, wie gross die NFT-Szene bereits geworden ist, lässt sich derzeit in New York gewinnen, wo die grösste NFT-Konferenz stattfindet.

Die Urgesteine der NFTs: CryptoPunks und Autoglyphs

Bei den bekanntesten und ältesten PFPs handelt es sich um die «CryptoPunks», die 2017 von dem amerikanischen Studio Larva Labs ins Leben gerufen wurden. Die Punks sind 10'000 einzigartige Charaktere mit verschiedenen Eigenschaften (zum Beispiel Kapuzenpullover), die jeweils nur aus wenigen Pixeln bestehen. Je nach Seltenheit der Eigenschaften werden für diese Charaktere derzeit immense Summen bezahlt – der Rekord für einen (!) Punk liegt bei 7.6 Millionen US-Dollar. Bekanntheit erlangte auch die Kollektion «Bored Ape Yacht Club», die erst im April 2021 veröffentlicht wurde und ebenfalls aus 10'000 Charakteren besteht. Der günstigste «Ape» (die Preisuntergrenze wird auch als "Floor" bezeichnet) kostet derzeit 34 Ethereum, was etwa 160'000 US-Dollar entspricht.

Doch warum werden solch immense Summen für diese NFTs bezahlt? Neben der Spekulation auf weitere Kursgewinne stellen PFPs wie zum Beispiel CryptoPunks inzwischen ein Statussymbol dar. Wer auf Twitter einen solchen Punk als Profilbild hat, reiht sich damit ein in eine illustre Reihe von Persönlichkeiten wie Jason Derulo, Snopp Doog oder Jordan Belfort. Jüngst ist auch Rees Witherspoone auf den Zug aufgesprungen – ein NFT aus der Reihe «World of Women» ziert nun ihr Twitter-Profil. Wer in der NFT-Szene ernstgenommen werden will, besitzt meist einen CryptoPunk oder zumindest einen «Ape». Zudem ermöglicht der Besitz eines solchen NFTs den Zugang zu exklusiven Communities oder die Möglichkeit auf den Bezug weiterer NFTs, Merchandise und mehr.

Neben den PFPs gewinnen sogenannte Generative Art NFTs an Bedeutung. Es handelt sich dabei um digitale Kunst, die mittels Algorithmus generiert wurde. Eines der ersten Generative Art-Projekte, das direkt über die Ethereum-Blockchain erstellt wurde, sind die «Autoglyphs», die wie die CryptoPunks von Larva Labs entwickelt wurden. Von dieser Serie gibt es lediglich 512 Kunstwerke, das günstigste derzeit erhältliche Motiv liegt aktuell bei über einer Million US-Dollar. Neben diesen automatisch generierten Serien gibt es sogenannte 1/1-Kollektionen, also exklusive Werke von bekannten und unbekannteren Künstlerinnen und Künstlern.


INFO

Was sind NFTs?

NFTs sind einzigartige Token, die nicht austauschbar (also fungibel) sind. Mit Hilfe der Blockchain wird eine digitale Signatur hinzugefügt, durch die sich die Originalität und Einzigartigkeit erkennen lässt. Bisher konnte digitale Kunst einfach kopiert werden. Dieses Problem können NFTs lösen. Dadurch, dass ein Sammler das Original des digitalen Kunstwerks besitzen kann, erhält dieses auch einen Wert. Dies ist natürlich auch für Künstlerinnen und Künstler interessant, die so höhere Preise erzielen können. Die meisten NFTs basieren auf Ethereum. Im Gegensatz zu NFTs stehen austauschbare, also fungible Token wie zum Beispiel der Bitcoin. Ein Bitcoin ist immer ein Bitcoin – so wie ein Franken immer ein Franken ist.


NFTs als heiliger Gral für Künstlerinnen und Künstler?

Jeder kann heute seine Kunstwerke direkt über Plattformen wie OpenSea oder Rarible zum Verkauf anbieten – ganz ohne Auswahlprozess. Käufer können diese Kunstwerke direkt über die Plattformen erwerben. Dem privaten Kunstinvestor garantiert dieses Verfahren eine hohe Transparenz. Traditionell sieht er sich nämlich mit zwei Herausforderungen konfrontiert: Ist das Kunstwerk tatsächlich echt und ist der Preis gerechtfertigt? Hier könnten NFTs Abhilfe schaffen. Der Käufer kann sehen, zu welchen Preisen das Kunstwerk bisher gehandelt wurde und welchen Preis Kunstwerke aus der gleichen Serie haben.

Da der Besitz des Kunstwerks über die Blockchain leicht übertragbar ist, ist auch der Handel deutlich einfacher als bei physischen Kunstwerken. Transport- und Lagerkosten entfallen. Feyyaz Alingan, Gründer von Blue Alpine Research, einem Unternehmen, das Kryptowährungen und andere Blockchain-Projekte bewertet, erkennt in diesen Plattformen eine Form der Demokratisierung des Kunstmarkts. Aus Sicht der Künstler bieten die NFT-Plattformen einen neuen Verkaufskanal. Viktoria Koestler, Künstlerin und Inhaberin von RedOutside in Zürich, sieht darin eine Chance, Künstler unabhängiger von Galerien zu machen, die sich Exklusivrechte von Künstlern einräumen lassen.

Sind die NFTs also somit der heilige Gral für unbekanntere Künstler? Vermutlich nicht, aber es kann angenommen werden, dass sich die Crypto-Kunst eine bleibende Nische schaffen kann. Auch im virtuellen Raum konkurrieren Künstlerinnen und Künstler miteinander um Aufmerksamkeit – so, wie es auf Spotify eine riesige Menge an ungehörter Musik hat, wird auch der Grossteil der NFT Art völlig unentdeckt auf OpenSea und Co. bleiben.

Und die Galerien und Auktionshäuser? Wenn man es zynisch formulieren wollte, so haben die bekannten Auktionshäuser mit ihren NFT-Auktionen darauf aufmerksam gemacht, wie ersetzbar sie eigentlich sind. Aber auch die Galerien müssen sich neu erfinden und ihre Künstler wohl bald auf Twitter, Discord und Clubhouse anpreisen – denn hier spielt die Musik in der Welt der NFT-Sammler. Wie das aussehen kann, zeigt der bekannte Galerist Johann König, der mit MISA eine Online-Plattform geschaffen hat, die den Gap zwischen der traditionellen Kunstwelt und der NFT-Welt schliessen möchte. Auch auf dieser Plattform werden regelmässig NFTs von Künstlern angeboten, die später auch über einen eigenen Sekundärmarkt gehandelt werden können. Interessierte können sich zudem über einen eigenen Discord-Kanal mit weiteren Kunstinteressierten über die Projekte austauschen.

NFT-Markt steckt noch in den Kinderschuhen

Ein Fragezeichen steht nach wie vor hinter dem Wert von digitalen Kunstwerken. Zwar ist schwer nachvollziehbar, dass für digitale, von jedem leicht zu kopierenden Kunstwerke, solch hohe Summen gezahlt werden. Doch laut Viktoria Koestler gilt dasselbe für analoge Kunstwerke. Jeder kann die Mona Lisa fotografieren, besitzt aber deshalb nicht das Original. Digitale Kunst entspreche dem Zeitgeist, denn digitalen Gütern werde ein immer grösserer Wert beigemessen.

Auch wenn das Handelsvolumen im September dieses Jahres über die grösste NFT-Plattform OpenSea mit 3.4 Milliarden US-Dollar einen neuen Rekord verzeichnet hat, steckt der Markt für NFTs noch in den Kinderschuhen. Fragen rund ums Eigentum sind beispielsweise nicht geklärt. Behält der Künstler das Urheberrecht? Kann er das Kunstwerk einfach nochmals anbieten? Kaum abschätzen lässt sich zudem, in welche Richtung sich die Preise der digitalen Kunst entwickeln. Hier zeigen sich, so Feyyaz Alingan, Parallelen zur Goldgräberstimmung während des ICO-Hypes 2017.

Doch auch wenn es sich aktuell um einen Hype handeln sollte, NFTs werden künftig eine Rolle spielen. Im Unterschied zur Periode in 2017 sprechen die digitalen Kunstwerke nicht nur Kryptoenthusiasten, sondern auch Kleininvestoren an, da die NFT-Technologie Kunstwerke, die durch Einzigartigkeit und Knappheit in der analogen Welt unerreichbar bleiben, in der digitalen Realität zur realen Handelsware werden lassen. Der generelle Trend zum Digitalen ist nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie befeuert worden. So liegt es auf der Hand, dass digitale Kunst weiter an Bedeutung gewinnen wird, was nicht zuletzt auch das grosse Interesse der Kunstszene an NFTs signalisiert.

Neben der digitalen Kunst werden NFTs bereits in verwandten Bereichen eingesetzt wie bei digitalen Sammelkarten, Musik oder Grundstücken in digitalen Welten. Selbst etablierte Marken wie Gucci springen auf den fahrenden Zug auf und bieten bereits virtuelle Schuhe an. Eine Entwicklung, die sich mutmasslich fortsetzen wird. Denkbar zum Beispiel, dass der Käufer einer Handtasche zusätzlich ein NFT erhält, das die Authentizität der Tasche ausweist. Denkbar auch, dass NFTs künftig bei der Übertragung von Immobilien, dem Sichern und Handeln von Musikrechten oder jedem beliebigen Handelsgut – theoretisch machbar – Eigentum belegen. Vorerst bleibt dies aber noch Zukunftsmusik.

Dieser Artikel ist auch in Englisch verfügbar


Die Autoren

Johannes Höllerich ist Leiter Development und Services und Stv. Studiengangleiter des MSc Banking und Finance an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW), Abteilung Banking, Finance, Insurance.

Bevor er zur ZHAW kam, arbeitete er im Private Banking bei einer deutschen Sparkasse.

Fabian Danko ist Projektleiter und Stv. Leiter der Fachstelle Corporate Finance & Corporate Banking an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW). Er ist zudem Partner bei Swiss Global Investment Group, Zug und Vorstandsmitglied von Digital Winterthur.

Bevor er zur ZHAW kam, war er als Financial Controller bei einem börsennotierten Industriekonzern tätig.