Im Vorsorgesparen mit der Säule 3a sind zunehmend mehr FinTechs als Anbieter digitaler Lösungen mit im Boot. Über die laufende Entwicklung und über die FinTechs Viac, Frankly, Selma, Descartes und Sparbatze haben wir kürzlich ausführlich berichtet. Sie alle zeichnen sich durch digitale Lösungen aus, mit tenzenziell tiefen Gebühren, welche Sparen mit der Säule 3a aus der angestaubten Ecke holen und für junge Zielgruppen attraktiv machen.
Der Reiz und der neu entdeckte Charme der Säule 3a
Was das Startup Viac als Pionier und Eisbrecher vor zweieinhalb Jahren vorgemacht hat, haben seither alle neuen Anbieter begriffen – und sie alle setzen diese Einsichten und neuen Rezepturen um, wenn auch auf unterschiedliche Weise:
Sparen, insbesondere Vorsorgesparen, soll Spass machen, muss flexibel und eigenverantwortlich funktionieren, spielerisch ablaufen sowie in den Resultaten laufend überprüfbar und kontrollierbar sein.
Dass ohne schnelles Onboarding, Einfachheit und Komfort die inzwischen verwöhnte Bastion der Jungsparer mit Smartphone nicht zu knacken ist, erwähnen wir nur gerade der Vollständigkeit halber. Ebenso, dass transparente und faire Gebühren eine zunehmend grosse Rolle spielen. Wenig erstaunlich bei der Zielgruppe der Millennials (Generation Y), welche mit Online-Vergleichsportalen aufgewachsen ist und deutlich preis- und gebührensensitiver agiert als ihre Vorgänger-Generation.
Die wachsende Sensibilität für Preise und Gebühren
Der Effekt der Preissensibilität könnte sich für unbeirrbare Verkäufer der alten Schule im Kontakt mit der Generation Z vollends zum Albtraum auswachsen. Dabei geht es nicht um das inzwischen überholte Klischee und den Schlachtruf der Jahrtausendwende "Geiz ist geil!" – wirklich gut im Angebot und auf faire und transparente Weise günstig im Preis, genügt schon.
Wer's nicht beherzigt, hat das Verhalten aktueller und heranwachsender junger Zielgruppe in bewegten Märkten nicht studiert und läuft Gefahr, durch intransparenten Gebührendschungel und überhöhte Preise möglicherweise auch gute Angebote ins Abseits zu manövrieren.
Ein grosser Markt mit Chancen für neue Anbieter
Der riesige Markt des Vorsorgesparens ist längst nicht ausgereizt und verkraftet auch in Zukunft weitere Anbieter, welche mit Smartphone-Lösungen, digitalen Desktop-Plattformen, Komfort, Flexibilität sowie mit transparenten und moderaten Gebührenmodellen überzeugen. Jüngstes Beispiel ist der Neuzugang Sparbatze, der den Kreis der aktiven FinTechs Viac (seit November 2017), Frankly (seit März 2020), Selma (seit November 2019) und Descartes (seit November 2019) mit einer eigenen Lösung erweitern will – Start im Juli 2020.
Sparbatze wird nicht der letzte Anbieter bleiben. So wie die Zürcher Kantonalbank die App Frankly als Angebot für junge Zielgruppen kreiert und kürzlich lanciert hat, so werden auch weitere Banken, Versicherer und FinTechs dem erfolgverspechenden Trend folgen.
Die Sache mit der Freizügigkeit
Angebote im Bereich der Freizügigkeit haben FinTechs bisher primär Banken und Versicherern überlassen, welche sich mit Freizügigkeits-Einrichtungen um parkierte Pensionskassengelder aus der 2. Säule der beruflichen Vorsorge kümmern. Ein Freizügigkeitskonto ist immer dann notwendig, wenn zum Beispiel ein Arbeitnehmer ein Unternehmen verlässt, ohne einen direkten Nachfolge-Job in einem anderen Unternehmen mit BVG anzutreten.
Dabei spielt es keine Rolle, ob Arbeitslosigkeit, berufliche Auszeit, ein Auslandsaufenthalt oder die Babypause im Vordergrund stehen – das Gesetz sieht vor, dass angespartes Pensionskassengeld im Vorsogekreislauf bleiben muss. Deshalb wird das Geld auf ein Freizügigkeitskonto überwiesen und von der gewählten Einrichtung bis zum nächsten Jobantritt verwaltet.
Zwei FinTechs treten nun auch im Bereich der Freizügigkeit an
Fast zeitgleich lancieren die FinTechs Viac und Descartes ihre Freizügigkeitlösungen – mit der Idee, auch im Bereich der parkierten Pensionskassengelder mit digitalen Angeboten, Flexibilität und tieferen Gebühren ein Mehr an Komfort, Leistung und an Performance bringen zu können.
Die Freizügigkeitslösung von Viac
Viac ist Ende Mai gestartet und will in der Freizügigkeit Ähnliches bewirken, was dem FinTech seit gut zweieinhalb Jahren bereits in der Säule 3a gelungen ist und weiterhin gelingt. Dass dabei auch Gebühren eine zentrale Rolle spielen, liegt bei FinTechs auf der Hand. So sind Daniel Peter und Christian Mathis, Mitgründer der Viac-Plattform, zuversichtlich, dass ihr Angebot im Bereich der Freizügigkeit den Biss hat, den gesamten Markt zu bewegen.
Mit durchschnittlichen Kosten von 0,38 Prozent ist Viac einmal mehr der Preisbrecher im Markt – die verglichene Konkurrenz liegt bei durchschnittlich 1,29 Prozent, also bei mehr als dreimal so viel wie bei uns
In Zeiten flexibler Arbeits- und Lebensplanung, insbesondere bei Millennials, dürfte die Freizügigkeit zusätzlich an Bedeutung gewinnen. Daniel Peter bringt eine weitere Überlegung zum Arbeitsmarkt mit ins Spiel, der sich in den vergangenen Jahren verstärkt international ausgerichtet hat:
Gerade für ausländische Arbeitskräfte, die nach einigen Jahren die Schweiz verlassen, bietet sich eine digitale Verwaltungs-Plattform für ihre ehemaligen Pensionskassengelder an
Die Freizügigkeitslösung von Descartes
Descartes Finance ist vor drei Jahren als digitale Plattform gestartet, um nach eigenen Aussagen zu beweisen, "wie die Vermögensverwaltung mit zukunftsweisenden Technologien erfolgreich gestaltet werden kann". Descartes definiert FinTechs und damit auch sich selbst als "Akteure des Wandels, die zur Demokratisierung der Geldanlage beitragen" und deshalb mit innovativen Produkten und Services neue Bewegung in den Mark bringen.
Nach drei erfolgreichen Jahren in der digitalen Vermögensverwaltung liegt es für Descartes nahe, die Digitalisierung nicht nur für die freie, sondern auch für die gebundene Vorsorge im Rahmen der Säule 3a und der Freizügigkeit zu nutzen.
Ersteres, das Vorsorgesparen mit der Säule 3a, hat das FinTech bereits im November 2019 lanciert. Letzeres, das Freizügigkeitskonto als Parkplatz für Gelder aus der Pensionskasse, bietet Descartes Vorsorge neu ab 8. Juni 2020 an.
Adriano B. Lucatelli, Gründer und CEO von Descartes Finance, legt Wert auf die differenzierende Feststellung:
Wie in der Vermögensverwaltung sind wir auch mit unserer digitalen Vorsorge unabhängig und nur den Kunden verpflichtet
Mit seinen digitalen Vorsorgelösungen richtet sich das FinTech insbesondere auch an die Generation der Millennials, die über einen langen Anlagehorizont verfügen. Die Anlagen dieser Gruppe werden von temporären Launen der Börsen und Finanzmärkte wenig bis nicht tangiert, weil nach dem Ab genug Zeit und Raum da ist, das Auf und die (möglicherweise) langfristige Erholung abzuwarten.
Zudem sind zahlreiche Millennials Teil der Gruppe der Job-Unterbrecher, Reisenden oder temporären Auslandarbeiter, welche ihr angespartes Pensionskassen-Kapital der 2. Säule möglicherweise gerne in einer ertragsorienitierten Freizügigkeits-Einrichtung parkieren möchten, die ihnen auch zusätzliche Flexibilität, Spielraum und Kontrolle bietet.
Die Popularisierung der Freizügigkeit
Ist das Thema des "modernen" Vorsorgesparens mit der Säule 3a in letzter Zeit vor allem durch FinTechs mit smarten digitalen Apps für junge Zielgruppen in den Vordergrund gerückt worden, ist die Freizügigkeit bisher das Aschenputtel der Altersvorsorge geblieben. Zahlreichen Betroffenen war und ist nicht klar, warum bei einem Job-Unterbruch oder bei einem längeren Auslandaufenthalt das Pensionskassengeld zu einer der traditionellen Freizügigkeits-Einrichtungen umparkiert werden muss.
Viac und Descartes Vorsorge werden nicht die einzigen FinTechs bleiben, die auch in diesem Bereich für eine Popularisierung sorgen. Eine Popularisierung, welche durch Information und alternative Angebote die Palette der Möglichkeiten erweitern und die Skala der Gebühren spürbar verändern wird.