Im Zusammenhang mit der neuen Twint-Allianz (EMPSA) haben wir in unserem gestrigen Artikel die rhetorische Frage gestellt, ob eine einzige Mobile Payment-Lösung für Europa nicht erfolgversprechender wäre, im Vergleich zum Flickenteppich zahlreicher Insellösungen.
Die Gründung der European Mobile Payment Systems Association (EMPSA) ist grundsätzlich ein guter Schritt, nur: die bestehende Fragmentierung der Mobile Payment-Landschaft in Europa bleibt auch mit harmonisierten Systemen bestehen. Zudem zeigt die Erfahrung, will jeder Anbieter im gleichen Markt das beste und grösste Stück am liebsten für sich allein und für die eigene Lösung, reiben sich die verschiedenen Unternehmen oftmals im Konkurrenzkampf untereinander auf und schaffen damit Raum für die Angreifer von aussen.
Droht die Gefahr von rivalisierenden Payment-Allianzen?
Die Handelszeitung bringt einen zusätzlichen Aspekt in die Diskussion. Autor Michael Heim stellt in seinem Kommentar die Frage, warum Twint im Juni 2019 einer bereits dannzumals gegründeten Allianz (Mobile Wallet Collaboration) um die deutsch-österreichische Bluecode mit denselben Zielen eine Abfuhr erteilt hat, um nun aktuell eine "eigene" Allianz mit anderen Partnern zu gründen.
Die seit Juni 2019 bestehende Mobile Wallet Collaboration und die neu gegründete European Mobile Payment Systems Association (EMPSA), von Twint präsidiert, stehen sich in Europa faktisch als Konkurrenten gegenüber. Abgesehen von Bluecode (Deutschland, Österreich) und Vipps (Norwegen), welche in beiden Allianzen Mitglied sind, haben pro Allianz jeweils unterschiedliche Anbieter mit ihren Länder-Lösungen angeheuert.
Michael Heim beschreibt die Gefahr von zwei Allianzen mit der Feststellung, dass "die Konkurrenz der Kreditkartenmultis mit ihren globalen Netzwerken und der Digitalriesen Apple/Samsung/Google mit ihren gut funktionierenden Smartphone-Apps zu stark wäre, als dass sich die nationalen Twintlis noch gegenseitig konkurrenzieren könnten".
Damit bringt der Autor den zentralen Aspekt auf den Punkt: Ziehen die europäischen Anbieter am selben Strick, verbessern sich die Chancen für alle Beteiligten, den wirklich grossen Playern die Stirn bieten zu können. Gehen die beiden Allianzen hingegen auf Konkurrenz, reiben sie sich auf dem eigenen Terrain schon auf und schaffen lediglich eine neue Art von Fragmentierung mit vergrösserten Räumen.
Im letzteren Fall könnten sich die Big Techs zurücklehnen und einfach abwarten, bis die beiden Allianzen und ihre Mitstreiter alle Kräfte und Mittel im Kampf innerhalb der eigenen europäischen Reihen verpulvert haben. Das wider besseres Wissen geschaffene Vakuum könnte dann von den grossen Internationalen ohne viel Widerstand gefüllt werden.
Sündenfall und Lehrstück Paymit gegen Twint
Die Schweiz hat's fertiggebracht, auf kleinstem geografischen Raum zwei unterschiedliche Mobile Payment-Systeme zu entwickeln, die längere Zeit um die Vorherrschaft im Schweizer Markt gekämpft haben. Paymit war die Lösung der Schweizer Banken um SIX, Twint die Antwort der Postfinance. Die beiden Systeme sind 2016 unter dem Dach einer neuen Gesellschaft zu einer einzigen Lösung zusammengeführt worden.
Diese enorm zeit- und kostenintensiven Umwege waren offenbar notwendig, um zur Einsicht zu gelangen, dass zwei Player für den kleinen Markt Schweiz zu viel sind. Zumal ein fusionierter und starker Player in der Schweiz auch auf dem Weg nach Europa und in die Welt grössere Chancen hat, die zahlreichen Hürden zu überwinden.
Mit diesem Hintergrund und den gemachten Erfahrungen wäre der Witz ein denkbar schlechter, würde man diese Geschichte im grossen Muster auf europäischer Ebene wiederholen und als Machtkampf ohne Gewinner nochmals durchspielen wollen. Eher nicht, oder?
Muss ja nicht so kommen. Möglich bleibt, dass die beiden Allianzen sich zu einer einzigen verbünden, fehlende Länder und Lösungen noch addieren, um dann als geeinte und starke Mobile Payment-Armada Europa zu begeistern und den Rest der Welt mit konsolidierten Leistungen zu überzeugen.