Sourcing-Markt Schweiz

Outsourcing im Aufwind: Schweizer Banken lagern immer mehr Dienstleistungen aus

Stempel Outsourcing
Bild: Aquir | Getty Images

Bereits neun von zehn Banken in der Schweiz lagern Dienstleistungen aus – allein bei Retailbanken liegt das Volumen des Sourcing-Marktes bei 2,2 Milliarden Franken.

Die aktuelle Studie zum Sourcing-Markt und zum Outsourcing-Verhalten von Schweizer Banken ist eine Premiere. Zum ersten Mal hat das Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ der Hochschule Luzern den Markt in aller Breite und Tiefe ausgeleuchtet. Mit dem Ziel, Antworten auf zentrale Fragen liefern zu können, wie zum Beispiel:

Welche Services lagern die Schweizer Banken aus? Wie funktioniert der Sourcing-Markt und wie wird er sich entwickeln? Wo liegt noch Potenzial, wo zeigen sich Probleme? Das IFZ hat 49 Schweizer Banken zum Thema befragt und Experteninterviews mit verantwortlichen Vertretern von Sourcing-Anbietern und Banken zusammengefasst.

Im Ergebnis legt das IFZ einen knapp 100-seitigen Bericht vor, der dem Sourcing-Markt Schweiz quantitativ und qualitativ ein Gesicht gibt.

Wer Routinen auslagert, hat Raum für die Herausforderungen der Zukunft

Berichte der jüngeren Vergangenheit über den Rückzug der Grossbanken im Sourcing-Bereich lassen die Vermutung zu, dass der Sourcing-Markt Schweiz auch aktuell auf eher tiefem Niveau stagniert. Stimmt nicht. Die Studie benennt Gründe und liefert Zahlen.

Die überraschenden Zahlen sind allerdings noch nicht das Ende der Fahnenstange, die Autoren der Studie gehen davon aus, dass sich der Markt weiterhin stark entwickeln könnte. Motive, weshalb das Thema Sourcing noch verstärkt an Gewicht zulegen könnte, beschreiben die Autoren mit folgender Überlegung:

Dass die Banken gut beraten sind, sich vermehrt auf die Entwicklung von neuen, zukunftsfähigen Geschäftsmodellen und deren Realisierung zu konzentrieren, ist auch dem Umstand geschuldet, dass internationale Unternehmen – insbesondere auch sehr grosse, branchenfremde Anbieter – mit grosser Dynamik und viel Druck in den Markt drängen. Während diese neuen Anbieter sich auf ein fokussiertes Angebot für eine Zielgruppe konzentrieren und eine Vielzahl von Dienstleistungen von Dritten beziehen, sind die etablierten Anbieter noch in ihrem historischen Setup gefangen und können deshalb mit der Geschwindigkeit der Anpassung ihrer Angebote an neue Bedürfnisse mit den neuen Anbietern nicht Schritt halten.

Die aktuelle Studie belegt, dass bereits in der Gegenwart das Motiv, das die Autoren anführen, mit zu den genannten Gründen gehört, weshalb Banken Bereiche outsourcen. Sie möchten Kopf und Hände freihaben, um die Herausforderungen der Zukunft anzupacken – und diese Herausforderungen liegen nicht in Routineprozessen.

Die Empfehlung des US-amerikanischen Ökonomen Peter Drucker scheint zu greifen, der Erfolg schon früh (auch) an dieser Formel festgemacht hat:

Do what you can do best and outsource the rest

Welche Leistungen werden ausgelagert?

Ein erstaunliches Ergebnis vorweg: lediglich acht Prozent der an der Umfrage teilnehmenden Banken lagern keinerlei Services oder Dienstleistungen aus. Das heisst: neun von zehn Banken sind mit im Spiel.

In den Bereichen IT und Versand lagern fast vier von fünf Banken Services an Dritte aus. Ebenfalls stark verbreitet ist das Outsourcing in der Verarbeitung des Zahlungsverkehrs und in der Wertschriften-Verarbeitung (63 bzw. 59 Prozent).

Am wenigsten lagern Banken zurzeit Services in den Bereichen Rechnungswesen (22 Prozent), Compliance (16 Prozent) und in der Kreditverarbeitung (6 Prozent) aus.


Insgesamt beläuft sich das Marktvolumen hochgerechnet auf rund 2,2 Milliarden Franken. Davon entfallen schätzungsweise rund 1,75 Milliarden Franken (80 Prozent) auf Dienstleistungen im IT-Bereich. Rund 350 Millionen Franken (16 Prozent) werden für Verarbeitungsleistungen ausgegeben, insbesondere in den Bereichen Wertschriften und Zahlungsverkehr.

Sind die Banken mit den Leistungen in den ausgelagerten Bereichen zufrieden?

Die Mehrheit der Banken, welche an der Umfrage teilgenommen haben, ist mit den erhaltenen Dienstleistungen in den ausgelagerten Bereichen zufrieden oder sehr zufrieden. Diese Zufriedenheit bezieht sich dabei primär auf den täglichen operativen Betrieb.

Einschränkungen gibt's auch: in Bezug auf Agilität und Innovation geben viele Banken ihren Sourcing-Anbietern ungenügende Noten. Aufgrund des Konkurrenzdruckes wird sich das in Zukunft ändern. Die Prognose der Studienautoren: die Beziehungen zwischen Banken und Anbietern werden sich mehr hin zu einer Partnerschaft und zu mehr Agilität entwickeln.


Alles richtig gemacht?

Würden die Banken, welche Leistungen bereits ausgelagert haben, heute wieder dieselbe Entscheidung treffen? Mit dem bisherigen oder mit einem neuen Partner?

Das Resultat überrascht durch seine Deutlichkeit. Bei den befragten Banken dominiert ein überzeugtes Ja. In fast allen Bereichen würden die Banken den Sourcing-Entscheid wieder genauso fällen und auch mit denselben Outsourcing-Partnern zusammenarbeiten.

In den Bereichen Zahlungsverkehrs-Verarbeitung und Rechnungswesen würden im Grundsatz nur gerade 4 bzw. 10 Prozent anders entscheiden. Als Gründe für ihr Nein zum Outsourcing nannten diese Banken den Verlust der Kompetenzen und den Kostenaspekt.


Wie entwickeln sich aus Sicht der Banken die Outsourcing-Kosten?

Die Mehrheit der befragten Banken (63 Prozent) schätzt, dass der Anteil der Sourcing-Kosten im Verhältnis zum Gesamtaufwand in den nächsten fünf Jahren zunehmen wird. 16 Prozent der Banken gehen sogar von einer starken Zunahme von mehr als zehn Prozent im Vergleich zu heute aus. Mit einer prozentualen Abnahme der Sourcing-Kosten am Gesamtaufwand rechnen lediglich 15 Prozent der Umfrageteilnehmer.


Studie runterladen

Die besprochenen Resultate in unserem aktuellen Artikel bilden nur einen kleinen Teil der gesamten Studienanlage ab. Die Erhebung ist sehr breit gefasst und der Bericht enthält einen hochinteressanten Mix von Fakten, Zahlen, Hintergrund, Meinungen und Einschätzungen.

Die IFZ Sourcing Studie 2019 geht auf knapp 100 Seiten in die Tiefe und beleuchtet ausführlich, wie die befragten Banken zum Outsourcing und zu verschiedenen Teilaspekten stehen – inklusive Erfahrungen, Bedenken, Learnings, Zufriedenheit mit Sourcing-Partnern, Gründe für die Auslagerung, Kosteneffizienz und mehr.

Die Studie kann bei der Hochschule Luzern kostenlos runtergeladen werden, über den Link gleich unten.